“A Forest of Many Worlds” setzt sich mit den facettenreichen und vielschichtigen Welten des Sihlwaldes und den komplexen Zusammenhängen zwischen dem Wald und der Stadt Zürich auseinander. Im Rahmen des Vorhabens soll der Ausstellungsraum und seine inhärenten objektivierenden Tendenzen gegenüber der Natur entflechtet werden. Dabei wird die Natur nicht als Objekt der Betrachtung und Reflexion gehandelt. Im Gegenteil: Die Natur wird Akteur. In diesem Sinne finden der Sihlwald und dessen mannigfaltigen biologischen, mineralischen, hydrologischen und montanen Entitäten ihren Platz in der Ausstellung. Die Geschichte des Sihlwaldes zeigt exemplarisch die Komplexität der Beziehungen zwischen Natur und Mensch. Die wirtschaftliche Nähe –der Sihlwald war der Hauptholzlieferant für die Stadt Zürich– wandelte sich im 20. Jahrhundert zu einer kulturellen Distanz, die der Raum der Natur vom Raum der Stadt trennt. Dieses Verhältnis zwischen Stadt und Wald rückt “A Forest of Many Worlds” wieder in den Mittelpunkt. Die Ausstellung schafft ein Verhältnis zwischen dem Sihlwald und dem Kunstraum „la_cápsula“ mitten in der Stadt Zürich, das die Grenzen zwischen Natur und Kultur verändert und die universalistische, eurozentristische Dichotomie von Natur und Kultur auflöst. Demgemäss wird ein konfliktreicher, fluider Raum gestaltet, in dem sich die komplexen Verstrickungen zwischen verschiedenen Räumen und Lebewesen entfalten. Im Sinne einer postkolonialen kritischen Betrachtung der Natur nimmt die Ausstellung amerikanische indigene Denkweisen als Ausgangspunkt, die eine fliessende Ontologie der Natur befürworten. Somit erkennt die Ausstellung die Vitalität der nichtmenschlichen Akteure an. Diese Perspektivwechsel erlauben den beteiligten Künstler:innen, neue Solidaritäten und Pädagogiken aufzuzeigen, die den Wald als Ausgangspunkt und Mitgestaltenden aufnimmt.
Folgende Künstler:innen sind in der Ausstellung beteiligt: Sarina Scheidegger (CH), Aldir Polymeris (CH), Paula Baeza Pailamilla (CL), Paloma Ayala (MEX/CH), Dominik Zietlow (CH) und Willimann/Arai (CH/JPN). Die Auswahl der beteiligten Künlster:innen gründet auf deren feministische und postkoloniale Auseinandersetzung mit der Natur und deren regen Austausch mit lateinamerikanischen Perspektiven, welche die Schweiz im globalen Kontext verstehen und analysieren. “A Forest of Many Worlds” zeigt eigens für die Ausstellung geschaffene Werken, die ein Gleichgewicht zwischen menschlichem und nichtmenschlichem Lebens gestalten sowie neue Wissensaustauschs- und Beziehungsformen zwischen dem Wald und der Stadt skizzieren. Der Sihlwald und seine vielen Welten dient als Exempel der gegenwärtigen komplexen Beziehungen der politischen Ökologie. Ausgehend einer horizontalen Kollaboration, in der die beteiligten Kunstschaffenden sich mit den Welten des Waldes und anderen Expert:innen (Ranger:innen, Förster:innen, Forstwissenschaftler:innen, Umweltwissenschaftler:innen, etc.) austauschen, konzeptualisieren und entwickeln die Kunstschaffenden Interventionen in Wald und in der Stadt. Dabei fungiert der Kunstraum “la_cápsula” als Begegnungsort beider Lebensräumen. Die Werke werden während der Ausstellungszeit in unterschiedlichen Momenten installiert und gezeigt. Die Ausstellung charakterisiert sich somit durch eine Vielfalt unterschiedlicher Rhythmen, Zyklen und Ereignissen, die kein statisches Bild des Sihlwaldes, sondern eine fluide Idee desgleichen aufzeigen soll. Das Ziel es, zu neuen Solidaritäten mit der Natur zu inspirieren, die ihnen ermöglichen sollen, den Anthropozentrismus ihrer Naturerfahrung zu verlassen.
Jose Cáceres (Curicó, Chile) ist Historiker und Kurator. Nach dem Geschichtsstudium an der
Pontificia Universidad Católica de Valparaíso (Chile) promovierte er in Geschichte an der Universität Zürich. Er erforschte neuzeitliche Sexualitäten im reformierten Zürich und ihr Verhältnis zu Körper, Geschlecht und Natur. Als wissenschaftlicher Oberassistent lehrt er zu postkolonialen Theorien, lateinamerikanischer Geschichte und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Zürich. In seinem Postdoc-Projekt erarbeitet er den Zusammenhang zwischen Natur- und Geschichtsvorstellungen im globalen Kontext, vor allem in den wissensgeschichtlichen Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa. 2004-2006 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Landesmuseum Zürich. Seine kuratorische Praxis beruht auf einer kollektiven Praxis, die er an der Schnittstelle zwischen Natur, Geschichte und Dekolonialität erforscht. Zu seinen
jüngsten Projekten gehört die Dokumentarausstellung „Chilean Revolt. A Chronicle“ at la_cápsula (2020) und walmapu ex situ (2020-2021) in Zusammenarbeit mit „trop cher to share“. Er kuratierte Ausstellungen zum Aktivismus und Kunst (On Curating Project Space Zürich) sowie zur Poetik der sozialen Proteste in Chile (Volumes an der Kunsthalle Zürich und la_cápsula Zürich). Jose Cáceres ist Mitbegründer der Plattform exhibition goers und des Kollektives Decolonize Zurich.
Das englisch-sprachige, international agierende Postgraduate Programme in Curating (CAS/MAS) zeigt die Projekte seiner zehn Absolvent*innen in Videopräsentationen, Text und Bild und Diskussion in einem Online-Event am 11. Juni 2021. Die diesjährige Diplomshow vereint zeitgenössische, experimentelle und kritische Positionen des Kuratierens zu aktuellen sozialen, politischen und ökonomischen Fragestellungen.
Trotz – oder gerade wegen – der anhaltenden Einschränkungen durch das Corona-Virus
beschäftigen sich Absolvent*innen immer an der Schnittstelle von physischen und digitalen Mitteln, und realisieren nichtsdestotrotz Projekte im realen Raum und Diskussionen im digitalen.