Ausgangslage und Motivation: Seit jeher verspüre ich eine besondere Verbindung zu nichtmenschlichen Tieren. Diese prägt auch meine künstlerische Praxis, in der ich Beziehungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Lebensformen im Kontext der ökologischen Krise untersuche. Ich sehe einen Zusammenhang zwischen unserer Haltung gegenüber anderen Lebensformen und den gegenwärtigen Umweltproblemen. Trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse über Bewusstsein, Emotionen und Kommunikation nichtmenschlicher Tiere entfremden wir uns zunehmend von ihnen. Bekoff nennt diesen Prozess unwilding, dessen Ursache er in einem geschwächten Gefühl und Bewusstsein für Verbundenheit erkennt – und fordert zu einem rewilding, einer Wiederannäherung auf. (vgl. Bekoff 2008, 2014; de Waal 1999) Fragestellung: Mich interessiert, ob und wie Kunst eine Wiederannäherung an andere Tiere ermöglichen
und so einen Beitrag zur Bewältigung der ökologischen Krise leisten kann. Als angehende Kunstpädagogin frage ich mich zudem, welche Rolle dem Kunstunterricht in diesem Kontext zukommt. Meine Fragestellung lautet: Inwiefern und wie können über künstlerisches Handeln ethische Beziehungen zu nichtmenschlichen Tieren – konkret Säugetieren und Vögeln – aufgebaut und vertieft werden?
Methodik: Ich bringe wissenschaftskritische, philosophische und indigene Perspektiven in einen Dialog. Meine Positionierung entwickle ich in künstlerischen Kollaborationen mit meinen drei Katzen und einem Krähenpaar. Ergänzend untersuche ich künstlerische Positionen – Julie Andreyev, Hörner/Antlfinger und Olly & Suzi – und analysieren, welche Faktoren interspezifische Beziehung ermöglichen oder verhindern. Zentrale Untersuchungen und Erkenntnisse: Resonanz ist ein Beziehungsmodus, in dem sich zwei Seiten gegenseitig berühren, antworten und
verändern. Sie ist nicht verfügbar, sondern entsteht dort, wo wir Kontrolle abgeben und aufmerksam werden. Kommen wir in Resonanz, transformieren sich beide Seiten. (Rosa, 2024) Künstlerisches Handeln kann ein Raum sein, in dem Resonanz mit nichtmenschlichen Tieren erfahrbar wird, indem wir ihnen mit fokussierter Aufmerksamkeit, etwa durch Zeichnen oder Fotografieren, begegnen. Eine künstlerische Praxis wird so zu einer Form von biophilc attention (Andreyev 2021), einer Aufmerksamkeitspraxis durch welche die Liebe und Verbundenheit zu anderem Leben körperlich spürbar gemacht wird.
Gruen’s Konzept Entangled empathy bietet Orientierung für die Voraussetzungen einer ethischen
interspezifischen Beziehung. Es betont, dass wir bereits in Beziehung mit anderen Tieren stehen und fordert, aufmerksam zu werden, sich in andere hineinzuversetzen und zu fragen, was wir zu ihrem Gedeihen beitragen können. (Gruen, 2021) Eine künstlerische Praxis bietet Anlass, dies zu praktizieren, indem sie zu vertiefter Auseinandersetzung und Beobachtung einlädt. Darüber hinaus kann Kunst Gegenseitigkeit praktizieren, indem sie mittels interspezifischer Werke Haltungen gegenüber anderen Tieren verändert.
Bedürfnisse und Grenzen nichtmenschlicher Kollaborationspartner:innen zu respektieren ist zentral, um deren Signale deuten und darauf reagieren zu können. Tierzentrierter Anthrompomorphismus, kann als Werkzeug dienen, um nichtmenschliche Erfahrungen zugänglich zu machen. Dabei wird versucht Perspektiven anderer Tiere einzunehmen – basierend auf Wissen über die Tierart und mittels Empathie.
Menschenliche Begrifflichkeiten, helfen uns dabei Bebachtungen greifbar zu machen. (de Waal, 1999) Die Ein bewusster Umgang mit nichtmenschlich-tierlicher Agency – die sich in individuellen Fähigkeiten und der Transformation menschlicher Partner:innen zeigt – sind zentral, damit in interpezifischer Kollaboration Beziehung entstehen kann. Tierliche Agency kann durch Abgabe menschlicher Kontrolle im künstlerischen Prozess gefördert und über interaktive Formate oder Rollentausch in Ausstellungen sichtbar gemacht werden. Wird sie jedoch vereinfacht oder ästhetisch instrumentalisiert, bleiben Machtverhältnisse bestehen. (Andreyev, 2025; Hörner/Antlfinger, 2022; Olly & Suzi, 2025, Ullrich, 2016)
Fazit: Über künstlerisches Handeln und Kunst können Beziehungen zu nichtmenschlichen Tieren verbessert werden – durch Aufmerksamkeit, Entangled Empathy, Wissen, Fördern und Sichtbarmachen tierlicher Agency. Die Resonanz dieser Beziehungen lässt sich aber nicht speichern, weshalb für mich das Handeln bedeutsamer ist als das Werk. Ein Kunstwerk kann aber eine eigne Resonanz auslösen und so Beziehungen beeinflussen. Interspezifische Beziehungen erfordern Zeit und die Bereitschaft, sich berühren und zu lassen. Kunstunterricht bietet Raum für diese Prozesse und kann angesichts ökologischer Krisen zur Sensibilisierung für nichtmenschliches Leben beitragen. Darin erkenne ich sein aktuelles Potenzial.