„ In den staatlichen Theatern werden Dienste entlohnt, welche den herrschenden Ideen, das heisst den Ideen der Herrschenden geleistet werden – aus den Steuergeldern der Beherrschten.“
In der Ausbildung zur Schauspielerin wurde ein Schwerpunkt stets auf die Eigenverantwortlichkeit und die (Co-) Autorenschaft der Spieler gelegt. Wir sollten uns darüber bewusst sein, was auf der Bühne verhandelt wird und welchen Stellenwert ein Thema in unserer Gesellschaft einnimmt. Aktuelle Bezüge wurden aus historischen Theatertexten herausgearbeitet und die Aussage auf ihre Relevanz hin überprüft. Weiterführend wurden wir aufgefordert eigene Texte aus unseren aktuellen Beobachtungen zu verfassen und diese als Künstler auf der Bühne zu performen. Das Theater ist ein politisches Organ, welches von
Steuerzahlern finanziert und von Stadträten beherrscht wird. Es dient zur Meinungsbildung und dem Perspektivenwechsel. Meine Erwartungen als Studentin waren, dass es am Theater Raum für Diskussionen gibt und somit zur positiven Veränderung unserer Gesellschaft beigetragen wird.
Schwerwiegende Inhalte und tiefgründige Auseinandersetzungen mit dem Zeitgeschehen suchte ich am hiesigen Stadttheater jedoch vergeblich. Weder als Schauspielerin, noch als Zuschauerin, erreichte mich die Verantwortung, Stellung zu beziehen und mich intensiv mit einer Thematik auseinanderzusetzen. Stattdessen wurden die Inszenierungen auf ihre Unterhaltsamkeit, Ästhetik oder Stilsicherheit hin bewertet. An Stelle der Forschung am Kern einer Aussage, uferten die Diskussionen auf der Probe oft zu narzisstischen Machtspielen über Geschmacksfragen aus, die das Ensemble immer weiter auseinander trieben. Dabei handelte es sich nur allzu oft um persönliche Empfindungen und Meinungen. Der Zeitdruck, die starken Hierarchien und nicht zuletzt die Selbstzweifel taten ihr übriges um die inhaltliche Frage mehr und mehr in den Hintergrund rücken zu lassen. Ein Konkurrenzkampf um die Anerkennung der Regie entstand zwischen den Schauspielern. Die Regie wiederum kämpfte ihrerseits um Anerkennung des Intendanten und dieser um die Anerkennung der Stadträte und so weiter und so fort.