Diese Masterarbeit untersucht, wie gezielte sensorische und motorische Einschränkungen im Kunstunterricht als produktive Impulse für kreative Prozesse wirken können. Anhand praktischer Experimente mit Schüler:innen einer vierten Klasse des Liceo Artistico wurde erforscht, wie Einschränkungen wie der Verzicht auf Hände, verbale Sprache oder Sicht auf die eigene Arbeit den gestalterischen Prozess beeinflussen. Im Fokus standen dabei drei Aspekte: die Wahrnehmung des eigenen Prozesses, den individuellen Anspruch an das eigene Ergebnis, sowie die Nutzung externer Quellen.
Die Ergebnisse zeigen: Einschränkungen können kreative Routinen aufbrechen, neue Denkweisen provozieren und zu experimentellerem Arbeiten führen. Gerade der Kontrollverlust wirkte in vielen Fällen befreiend, da er den Fokus vom «perfekten»
Resultat auf den Prozess verschob. Die Schüler:innen entwickelten alternative Strategien, stärkten ihre Selbstwahrnehmung und zeigten eine wachsende Reflexionsfähigkeit im Umgang mit eigenen Ansprüchen und Unsicherheiten.
Auffällig war auch der veränderte Umgang mit digitalen Hilfsmitteln: Externe Quellen wie Internet und KI wurden deutlich zurückhaltender genutzt, da die Schüler:innen in ihnen kaum einen geeigneten Nutzen sahen. Wo der kreative
Eigenprozess angeregt wurde, trat das Bedürfnis nach digitalen Vorlagen in den Hintergrund. Die Schüler:innen begannen, ihren eigenen gestalterischen Ideen stärker zu vertrauen.
Die Arbeit spricht sich damit für eine Kunstpädagogik aus, die bewusst mit produktiven Irritationen arbeitet. Einschränkungen werden hier nicht als Mangel verstanden, sondern als Möglichkeitsraum. Sie fördern nicht nur neue Lösungswege, sondern auch prozessorientiertes Denken, Selbstwirksamkeit und die Fähigkeit, mit Unsicherheit gestalterisch umzugehen. Damit eröffnet die Arbeit auch eine bildungstheoretische Perspektive: Sie fragt, wie Schule Räume schaffen kann, in denen Scheitern, Abweichung und Unvollkommenheit nicht als Fehler gelten, sondern als notwendige Bedingung für Lernen und künstlerische Entwicklung.