Der Theatertext als dritter Akteur im Probenprozess
Untertitel
PraxisHaltungen zu Vermittlungskonstellationen von Theatertext, Leitung und Spieler_innen anhand dreier Interviews zu Inszenierungen von Wolfram Lotz' Einige Nachrichten an das All
Der Theatertext als dritter Akteur im Probenprozess
Untertitel
PraxisHaltungen zu Vermittlungskonstellationen von Theatertext, Leitung und Spieler_innen anhand dreier Interviews zu Inszenierungen von Wolfram Lotz' Einige Nachrichten an das All
„Figuren! Es gibt keine Figuren hier!“
Mit diesem Satz lässt Wolfram Lotz in Einige Nachrichten an das All den Leiter des Fortgangs die Behauptung der Figuren Lum und Purl abschmettern, ihre Daseinsberechtigung bestünde darin, dass sie Figuren in diesem Stück sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein ähnlicher Satz auf einer Theaterprobe, in einem Nachgespräch oder in einem Aufführungsanalyse-Seminar fällt, etwa als Reaktion auf die Aussage „Aber die Figur würde das doch nicht machen“. Im Versuch, einer Gruppe von Zwölftklässlern den dahinterliegenden Diskurs zu eröffnen stolpere ich mich durch Theorien des Postdramatischen und viele Sätze die mit „Theater ist / heißt / kann ….“ beginnen. Im Probenprozess tauchen etliche ähnliche Momente auf: Momente, in welchen Lotz' Stück als eigenständiger Akteur in das Probengeschehen einzugreifen scheint: Während der Arbeit am Stück wird durch das Stück etwas angestoßen was das Theater selbst und die Arbeit am Text befragt, stört, dekonstruiert – Vorgänge, die ich für essentielle Momente von Theaterarbeit halte. Was mich daran irritiert ist, dass ich mich unbewusst daran gewöhnt habe, einem Theatertext ein solches Potential nicht zuzutrauen, sondern im Gegenteil zu erwarten, dass ich diejenige bin, die eine störende, befragende, dekonstruierende Auseinandersetzung im Umgang mit dem Text anregt.