1.1 DIE SEHNSUCHT NACH DEM UNMÖGLICHEN THEATER
Die Initialzündung für die vorliegende Arbeit gab für mich die Theaterproduktion «Einige Nachrich-ten an das All» am Schauspielhaus Zürich, in der Spielzeit 2015 / 2016. Regie führte der junge niederländischen Regisseurs Bram Jansen. Im Vorfeld der Premiere hatte ich ca. dreissig handge-schriebene Einladungen an Freunde und Kollegen versendet. Mein Wunsch diese Arbeit mit aller Welt zu teilen war gross. Es war bis dahin die erste Arbeit, bei der ich eine derartige Einladung verschickte. Bei vielen anderen Premieren poste ich einige Stunden vorher einen Link als Einla-dung über Facebook.
Die beteiligten Kollegen teilten meine Ansicht einer gelungenen Arbeit. Ob sie allerdings in glei-chem Mass bedeutungsvoll für sie war, wie für mich, bezweifle ich. Der gesamte Probeprozess von der Konzeptionsprobe bis zur letzten Vorstellung ist für mich stimmig gewesen. Besonders da mir ältere Kollegen gesagt hatten, man könne froh sein, wenn es pro Spielzeit eine Produktion gäbe, die man als gelungen empfände. Als Masterstudierende im Studio des Schauspielhauses, klang diese Aussage desillusioniert und machte mir die Aussicht auf den zu ergreifenden Beruf nicht gerade schmackhaft. Das Stück von Wolfram Lotz war in diesem Rahmen meine fünfte Pro-duktion am Schauspielhaus Zürich. Meine Erfahrungen waren bisher sehr unterschiedlich, nicht per se negativ ausgefallen, aber ich empfand meine Arbeit als weniger sinnstiftend, als ich mir meinen Beruf ausgemalt hatte. Für meine Leistung bekam ich positive Rückmeldung. Das Haus, die Regisseure, die Kollegen und sogar die Presse waren zufrieden mit meiner Arbeit. Nur ich war es nicht. Oder zumindest nicht in dem Mass, indem ich es mir wünschte. Ich kannte folgende Be-schreibung von Proben und Vorstellungen nur zu gut:
«Als Schauspieler sind wir die meiste Zeit angewidert, verwirrt und haben Schuldgefühle. Wir wissen nicht weiter und schämen uns deswegen; wir sind verwirrt, weil wir nicht wissen was wir tun sollen, und wir haben zu viele Informationen, nach denen wir uns in der Praxis nicht richten können; Schuldgefühle, weil wir meinen, wir sind unserer Aufgabe nicht gewachsen. Wir haben das Gefühl, wir haben unseren Beruf nicht genug gelernt; wir ha-ben das Gefühl alle anderen haben ihren Beruf gelernt, nur wir versagen. Was wir an Leistung bringen, scheint reine Glückssache zu sein[…]»