Diese Arbeit soll in einem abgedunkelten Raum beginnen, in den sich mehr Leute drängen, als auf den Tribünen Platz finden. Und sie soll – obschon sie sich mit dem Dokumentarischen beschäftigt – nicht mit einem Transkript oder einem Zitat beginnen. Stattdessen mit einer Erinnerung. Mit der Erinnerung an die Eröffnungsveranstaltung der Basler Dokumentartage 2015. „It’s the Real Thing“ stellen sie sich als Motto voran wie bereits zwei Jahre zuvor – abgeleitet von einem alten Slogan von Coca-Cola. Laura de Weck bestreitet die Eröffnungsveranstaltung. Die Dramatikerin führt im persönlichen Gesprächston durch Screenshots aus Social-Media-Portalen und fotografische Kindheitserinnerungen. Ihre Anmerkungen zu Selbstrealisierung, Selfies, Tagebüchern und Poesiealben legen die Fährte für das Festivalpublikum – dok dich. Beinahe alle dokumentarischen Perfomances, die wir in den nächsten Tagen zu sehen bekommen, sind auf die eine oder andere Art und Weise Selbstdokumentationen. Sie werfen die Frage auf,
wie selbstbezogen dokumentarisches Theater ist, sein muss. De Weck hält im Gestus der Behauptung fest: „Es ist nicht gefährlich, wenn das Private öffentlich wird, aber es ist gefährlich, wenn das Öffentliche privat erscheint.“
Niemals privat erscheint das Öffentliche im Oeuvre von Milo Rau. Es offenbart zwar Privates, doch zielt auf Diskurs. Es stellt sich der Debatte, doch liefert zugleich selbst wieder Anleitungen und Anregungen für diese Debatte, indem es die eigene Sekundärliteratur mitschreibt. Ich durfte an zwei Seminaren unter der Leitung Raus teilnehmen. Die Art und Weise, wie er Selbstbezüge herstellt, wie er sie didaktisch nutzt,
um die Welt aus der eigenen Erfahrung zu befragen und erklären, interessiert. Die Chuzpe oder der Narzissmus, die dazu vonnöten sind, faszinieren und verstören zugleich. Sein Werk und sein Meta-Werk sollen auch wegen dieses – ha – persönlichen Bezugs im Zentrum meiner Thesis stehen. Dabei ist es nicht so sehr die Selbstmanifestation im Bühnenwerk, sondern vor allem die publizistische Dokumentation des eigenen Werks, die ich behandle. Weshalb?