Seit September 2018 lebe und arbeite ich in Cottbus, ein von mir bisher ungekannter Landstrich in Deutschland, die Niederlausitz in Brandenburg. Ich bin dort am Staatstheater Cottbus engagiert und habe die Möglichkeit in der Kammerbühne kleinere Abende zu erarbeiten. Eine Veranstaltungsreihe ist in Planung, die neue Formate ausprobiert und auch das jüngere Publikum von Cottbus ins Theater locken soll.
Ich habe mich dafür entschieden, meinem Unwissen nachzugehen und etwas geschichtliches und emotionales in meiner nahen Umgebung zu erforschen. Da ich keine Soziologin oder Psychologin bin, sondern eher eine Zeitgenossin, wird diese Arbeit nicht den Umfang einer wissenschaftlichen Untersuchung haben. Ich schreibe diese soziologisch-methodologische Arbeit, da ich mich als Künstlerin begreife, die ihre Umwelt verstehen will und aus diesem Interesse heraus meine Kraft und Inspiration für die Kunst bekomme. Dieses Verstehen wollen wende ich auch in der Theaterarbeit auf psychologische Rollen an, ich bereichere mich mit ihrer Umwelt und ihrer Zeit, betreibe also ebenso Recherchearbeit.
Ziel dieser Recherche sollte sein, dass ich mein neues Umfeld besser verstehen kann, um das Publikum dort abzuholen, wo ihre Interessen und Themen liegen. Um damit dann einen Schritt weiter zu gehen, in einer Versammlung, was Theater schliesslich ist, einen gemeinsamen Denkraum zu schaffen. Diese Art Theater zu begreifen und Sehgewohnheiten zu verändern - die ZuschauerInnen jede*r für sich sein/ihr eigenes Stück sehen zu lassen, so dass ein offen lassen für die eigenen Projektionen generiert wird, es kein Richtig oder Falsch in der Interpretation mehr gibt, sondern lediglich das Denken angereichert werden soll - das versucht derzeit Jo Fabian als Schauspieldirektor mit seinem Dramaturgie-Team Lukas Pohlmann und Wiebke Rüter in Cottbus zu etablieren. Ich bin sehr froh, ein Teil davon zu sein und freue mich auf die nächste Spielzeit.
Für mich ist Theater immer eine zwingende Reaktion auf etwas. In einem Apparat wie dem Staatstheater Cottbus ist es unausweichlich auf die gegebenen Umstände zu reagieren, es befindet sich somit aber gleichsam in einer Zwickmühle. Soll es klar Stellung beziehen zu den rechten Aufmärschen in der eigenen Stadt und somit ebendiese Bürger explizit ausladen? Ob als Utopieraum, Reaktion oder Plattform um Menschen eine Stimme zu geben, sei es im Bürgerchor oder in anderen Formaten, einerseits müssen sich die Bürger der Stadt abgeholt und eingeladen fühlen, andererseits darf das Theater nicht zu einer moralischen Anstalt werden und sich in intellektuellen Diskursen verlieren. In meiner bisherigen Studienzeit verbrachte ich ein Jahr an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, sowie 5 Jahre im Bachelor- und Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste. Ausserdem studierte ich ein halbes Jahr am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften in Giessen, wo ich neue Formen der theatralen -und philosophischen Praxis erforschen durfte. Ich hoffe nun, in meinem 1. Engagement meine bisherigen Erfahrungen mit den Gegebenheiten meiner Umwelt verbinden zu können.