Bastian Riesen setzt sich, ausgehend von Karen Barads Buch «Meeting the Universe Halfway» und dessen Schlüsselbegriff der Diffraktion, mit Narration auseinander. Auf der Suche nach alternativen Formen der Geschichtenerzählung wird das Potenzial des Comics bzw. der Graphic Novel sowohl theoretisch wie auch praktisch untersucht – immer ausgehend von der empfundenen Notwendigkeit, bestehende hegemoniale Narrationsstrukturen zu hinterfragen. Barads Verständnis von Diffraktion, Entanglements und Intra-Aktion verbindet sich dabei mit Ursula K. Le Guins Carrier Bag-Theorie. Die dadurch entwickelten Ansätze formulieren eine fragmentarische, post-humanistische und non-lineare Erzählweise, welche in Bastian Riesens Graphic Novel «Totenschiff/e» auch praktisch erprobt wird.
In Alltagssprache und Designpraxis werden Objekte gelegentlich als aktiv handelnd bezeichnet, z.B. wenn davon die Rede ist, dass eine Yogamatte zum Absolvieren des Sportprogramms ermahnt. Der sozialwissenschaftliche Ansatz der Akteur-Netzwerk-Theorie/ANT analysiert diesen «stillen Zwang» der Dinge. Er geht davon aus, dass Artefakte ebenso handlungsfähig und gesellschaftlich wirksam sind wie menschliche Akteure. Somit erhält die Tätigkeit von Designer:innen einen höheren Stellenwert, denn die Beschaffenheit der Dinge fördert, verändert oder unterbricht gesellschaftliche Relationen. Die Masterthesis von Franka Grosse setzt sich mit der Frage auseinander, welche Folgen die Perspektive der ANT für das Design hat. Gibt es eine «Grammatik der Handlungen» (Yaneva, 2012), die den Dingen eingeschrieben ist? Und sollte diese stärker berücksichtigt werden, damit Designer:innen die Macht der Dinge nicht entgleitet und sie die Dinge gesellschaftlich sinnvoll gestalten?
Die Tiefsee birgt unendliche Landschaften, Felsen, Täler, verblüffende Tierarten und unheimliche Dunkelheit. Die Tiefsee lädt zum Eintauchen und Entdecken ein. In Anlehnung an die Mapping-Methode von Peter Busse ist die Masterthesis ein Versuch, die Tiefsee künstlerisch zu erforschen und darzustellen.
Die Mapping-Methode arbeitet interdisziplinär und mit verschiedensten Medien. Die Zusammenstellung von Text- und Bild-Elementen erlaubt spielerisch immer wieder neue Kombinationen zu bilden, Themen zu verbinden und Verweise zu machen. Die gedankliche Wissenskarte rund um den Begriff der Tiefsee wird verfeinert. Es entstehen neue Landschaften aus Textquellen, Gedankengängen, Collagen und gemalten Bildern.
Was bedeutet es, etwas nicht zu verstehen? Auf welche Arten lässt sich ein Zugang unter solchen Umständen schaffen? Wie manifestieren sich die Grenzen des Denkens? Diese Fragen gewinnen im Verlaufe der Masterthesis an Wichtigkeit. Es entstehen verschiedene Annäherungsversuche an das Ritual. Unter anderem wird ein Selbsttest durchgeführt. Jeden Morgen zeichnet die Autorin auf gleiche Weise während drei Monaten Striche auf ein Blatt Papier. In der wiederholten Handbewegung liegt ein Versuch, einen versöhnlichen Umgang mit der eigenen Vergänglichkeit zu finden und der alltäglichen Beschleunigung entgegenzuwirken. Gleichzeitig wird das eigene Tun und Denken reflektiert.
Die Beschäftigung mit der Verflochtenheit von Sinnhaftig- und Sinnlosigkeit, von Endlich- und Unendlichkeit, ist Teil der Arbeit.
Andri Laukas setzt sich in seiner Masterthesis mit dem aktuellen Verhältnis zwischen Fotografie und «Landschaft» auseinander. In seiner künstlerischen und schriftlichen Arbeit macht er sich auf die Suche nach dem Unscheinbaren und Unverfügbaren. Die Arbeit animiert die Betrachtenden, beim Begreifenwollen des Halbverfügbaren in den Fotografien immerzu neue Varianten des Erblickens und Erkennens auszuprobieren. Es entwickelt sich ein Spiel, welches Erkenntnismuster und Mustererkennung verunsichert. Im Navigieren durch die Dimensionen holt man sich «scheinbar» Welt heran, um sie im nächsten Moment wieder im Geflimmer zu verlieren.
Die Masterthesis von Andi Breitenmoser setzt sich mit zeitgenössischer Malerei auseinander. Welche Bedeutung kommt dieser noch zu in einer Zeit, in der wir mehrheitlich von digitalen Bildern umgeben sind? In welchem Verhältnis steht Malerei zu zeitgenössischen Phänomenen wie Non Fungible Tokens und Artificial Intelligence? In seiner künstlerischen Praxis orientiert sich Andi Breitenmoser an dem abstrakt malenden chinesischen Künstler Tan Ping. Er folgt dabei Pings Motto «no purpose coincides with the purpose». Die daraus abgeleitete Strategie des Übermalens ist zugleich ein Umgang mit dem Prinzip des «nichts mehr sagen zu könnens». Die Art und Weise, wie die Technik des Abdeckens in den Malereien angewendet wird, wird zu einer Methodik des Wegstreichens seiner selbst und verleiht den entstandenen Malereien eine Dimension der Zensur.
Interkultureller Austausch und soziopolitische Aspekte des Chorsingens
Methoden:
Durch die Kontaktaufnahme zu Chören, Personen, Institutionen und Festivals in Südafrika werden durch gemeinsame Workshops, Auftritte und Konzerte ein intensiver Austausch, musikalische Horizonterweiterungen und spannende Begegnungen ermöglicht. Im Vordergrund stehen dabei durch das gemeinsame Singen Partizipation, die bleibende Prägung für die eigene Musikpraxis, entwicklungspolitische Bildungsarbeit und die Erweiterung des ZHdK-Netzwerkes.
Zielsetzung:
Kennenlernen der vielfältigen Chorkultur Südafrikas sowie ein interkultureller Austausch mit Chören, Institutionen und Persönlichkeiten der Chorleitungsszene.
Erkenntnisgewinn aus alternativen soziopolitischen Konzepten des Chorgesangs für die eigene Musikpraxis (Chancengleichheit, soziale Aspekte, Gemeinschaft vs. elitärer Auswahl etc.).
Erlernen neuer Fertigkeiten durch gemeinsam durchgeführte Proben, Workshops, Konzerte und Austauschrunden.
Studierende lernen den interkulturellen Austausch als gesellschaftlichen und beruflichen Mehrwert kennen und erwerben dadurch weitere Qualifikationen, die einer wachsenden europäischen und globalen Vernetzung gerecht werden.
Schlussfolgerung:
Die Erfahrungen der Studienreise ermöglichen einen befruchtenden Austausch zu Fragen der stilistisch adäquaten Stimmarbeit, -pflege und -bildung und deren pädagogischer Vermittlung.
Die Studienreise bietet die Chance, Musik als transkulturelles Phänomen zu verstehen, das uns ermöglicht, die Vielfalt der Musikwelten über die Wahrnehmung des Fremden in uns zu erschliessen. Gleichermassen geht es um Geschlechtergleichstellung, die Vermittlung einer Kultur des Friedens, der Gewaltlosigkeit, um Weltbürgerschaft, die Wertschätzung kultureller Vielfalt und den Beitrag der Kultur zu nachhaltiger Entwicklung. Gerade das Medium Chor ist für die Vermittlung dieser Werte prädestiniert.
Nicht erst seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, aber seither vermehrt, begegnen sich im Toni-Areal Geflüchtete und hier Lebende, Gaststudierende und «ordentliche» Studierende, Geflüchtete aus der Ukraine (mit Status S) und Geflüchtete aus anderen, nicht-europäischen Regionen (mit Status F), Menschen aus verschiedenen Ausbildungssystemen, Privilegierte und Prekarisierte. Dieses Neben- und Miteinander stellt Fragen: Wie offen und zugänglich ist eine schweizerische Kunsthochschule wie die ZHdK? Wer wird ein- und wer wird ausgeschlossen? Mit welchen Gründen und mit welchen Zielen? Welche Verantwortung hat eine Hochschule wie die unsrige im Kontext solcher Entwicklungen? Welche Standards setzt sie durch, und wie offen ist sie für Kompetenzen, die nicht die ihrigen sind? Wie werden Konzepte der Zugänglichkeit und «Diversity» einer Hochschule herausgefordert?
Diese Auseinandersetzung braucht Öffentlichkeit. Einen Raum, in dem debattiert und gefragt werden kann, einen Ort des Austauschs, der Freundschaft und des Streits. «Diverse Realities» versucht, einen solchen Raum virtuell, in Form einer Website, und real, in Form von Interventionen im Toni-Areal, zu schaffen. Mit spielfreudiger Ernsthaftigkeit, hartnäckiger Leichtfüssigkeit, inhaltlicher Präzision und respektvollem Umgang miteinander. Die Wirklichkeit ist divers genug, wir müssen lernen, mit ihr zu leben.
Das Projekt konzentriert sich darauf, selbstorganisierte, unabhängige «Kunstschulen» aufzuspüren, die derzeit im arabischsprachigen Raum existieren oder in den letzten Jahren vorübergehend existiert haben. Engy Sarhan beginnt mit der Frage, was, wie und für wen die Mobilität der beteiligten Individuen die Gestaltung von Wissen in diesen Kontexten der Kunstausbildung, -praxis und -forschung ermöglicht.
Fallstudien, die näher betrachtet und bearbeitet werden möchten:
Ashkal Alwan: Home Workspace Program (Beirut, 2011 – ongoing)
Imaginäres Schulprogramm (Kairo, 2014 – 2015)
Schule der Intrusionen (Ramallah, 2019 – ongoing)
Malhoun Art Space: Labor (Marrakesch, 2023 – ongoing)
Winter School Middle East (Dubai, 2008 – 2011)
Engy Sarhan möchte in diesem Forschungsprojekt an zwei Komponenten arbeiten: an einer analytischen (Erfahrungsbericht) und an einer spekulativen (Protokoll der Erkenntnisse). Die Künstlerin möchte die Auswirkungen der Mobilität auf kulturelle und sozioökonomische Übergänge untersuchen und gleichzeitig individuelle Erzählungen über grenzüberschreitenden Austausch einflechten, von transnationalen Berichten bis hin zur Dynamik von Übersetzung und Unübersetzbarkeit, und neue Wege finden, um von verschiedenen Modellen selbstorganisierter Lernräume im Kontext zeitgenössischer Kunstpraktiken zu lernen.
Dabei werden die beiden Momente der «Ankunft» an den Kunstschulen als Studentin/Teilnehmerin und die «Rückkehr» als Lehrerin/Mentorin berücksichtigt, um sicherzustellen, dass der in diesem Raum geschaffene Wissensbestand über Generationen hinweg erhalten bleibt und weitergegeben wird. Wenn man die Wege dieser Personen nachverfolgt und herausfindet, was ihr Denken und ihre Praktiken zwischen den beiden Momenten beeinflusst, erhält man einen Hinweis darauf, was Engy Sarhan selbst als «Wissensfluss» bezeichnen möchte. Wie werden Wissensflüsse in selbstorganisierten Kunstschulen durch kontinuierliche Bewegung von Personen, behelfsmässige Strategien und kontinuierlichen Austausch realisiert?
Der Erfahrungsbericht wird auf einer analytischen Untersuchung von fünf ausgewählten Fallstudien und der Bewegung der an ihrer Erstellung beteiligten Personen basieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Verständnis der breiteren Kontexte, Denkschulen, Finanzierungssysteme und aktuellen Dringlichkeiten, die jeder Fallstudie zugrunde liegen. Das Protokoll wird sich dann mehr auf die Verzweigungen der Mobilität und die Politik der Grenzüberschreitung konzentrieren und darauf, wie dies ein Schritt zur Annäherung an die kulturelle Selbstbestimmung sein kann, wie Wissen fliesst und mit bereits etablierten Formen der Selbstverwaltung und von Bildungssystemen verhandelt wird.
Flüchtige Bilder, ein Duft, ein Wort, ein Blick – was bedeutet Heimat? Ist es dein Hund, der sich nach einem anstrengenden Tag an dein Bein kuschelt? Ist es der Weg zur Schule, den du als Kind gegangen bist? Ist es die Stimme deiner Mutter, in einer Sprache, die du nur fühlen, aber nicht verstehen kannst? Ein Geräusch, eine Berührung, eine Empfindung? Wo ist Heimat?
In «Roots, Relations, Recollections» gehen die Projektbeteiligten diesen Fragen nach und konzentrieren sich dabei auf die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Menschen mit asiatischem Hintergrund, die in Zürich leben. Einige von ihnen sind nach Zürich eingewandert, um hier zu arbeiten oder sich auszubilden, andere haben einen asiatischen Elternteil, und wieder andere haben Familien, die wegen des Krieges in die Schweiz geflohen sind. Wenn unsere Gesellschaft fragt, wie viele Asiat:innen in der Schweiz leben, möchte das Projektteam fragen, «wann» und «wer»? Sie sprechen damit von Individuen und Gemeinschaften, nicht von Punkten auf einem Diagramm.
In der Schweiz werden die asiatischen Kulturen immer noch durch den sogenannten weissen Blick wahrgenommen. Das Projektteam ist der Meinung, dass es höchste Zeit ist, Menschen mit interkulturellem Hintergrund zu Wort kommen lassen. Sie fragen sich selbst: «Sind wir bereit, authentische Erfahrungen zu teilen und uns auf andere einzulassen? Sind wir bereit, Zeugnis abzulegen, zu präsentieren, statt zu interpretieren?» Gemeinsam wird versucht, sich in die Nähe jeder Person zu begeben. Dabei sprechen sie weder «über» noch «für» sie. Ebenso sind die Projektbeteiligten bereit, sich mit mehreren Antworten auf eine scheinbar einfache Frage auseinanderzusetzen: «Wo ist Heimat?» Diese Fragen strukturieren das Gespräch. Die Projektbeteiligten erkennen ihre Fremdheit an und begegnen dem Anderssein mit Aufrichtigkeit, Gleichheit und Respekt.
Gesammelt werden Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse von Menschen. Das Projektteam taucht ein in die Zwischenräume zwischen dem Sichtbaren und dem Hörbaren. Der Schwerpunkt liegt auf der Produktion von Videos aus den Fragmenten, die in den verschiedenen Gesprächen gesammelt werden. Die Filme bilden Collagen aus Klängen, Poesie, Aufnahmen, Musik, Worten und Bildern. Anhand mehrerer Videoinstallationen wird die kollaborative künstlerische Arbeit in gleichzeitigen Videoprojektionen präsentiert.