Das Strassentheater war mein Einstieg in die Welt der Szenografie.
Im Jahr 2017 begann ich mit einer Strassenkunsttruppe zu arbeiten. Ich fing an, Kostüme zu entwerfen, nahm an Aufführungen teil, und konnte schliesslich beim Entwerfen und beim Aufbau von Szenografie-Teilen mithelfen. Wir haben mehrere Projekte im Rahmen des Strassenkunstfestivals «La Plage des Six Pompes» aufgeführt. Ich hatte bereits als Zuschauerin und Freiwillige an dem Festival teilgenommen, aber als Künstlerin mitzumachen war eine Erfahrung, die meinen Zugang zum Theater und zum Bühnenbild verändert hat.
Ich habe gelernt, den öffentlichen Raum nicht als einen Ort zu verstehen, den man durchquert, um von A nach B zu gelangen, sondern vielmehr als ein Werkzeug für die künstlerische Praxis, als ein sich ständig veränderndes Material, das Schaffung von Kunst und Austausch mit der Bevölkerung ermöglicht. Wenn ich mich für die Strasse als Werkzeug interessiere, kann ich sie nicht benutzen, ohne zu ignorieren, dass dieser Raum durch künstlerische Praxis, kurz- und langfristig verändern werden kann. Die seit 27 Jahren bestehende «Plage des Six Pompes» eignet sich perfekt, um die Auswirkungen der Strassenkunst und eines solchen Festivals auf den öffentlichen Raum einer Stadt im Laufe der Zeit zu untersuchen.
Ich habe mich entschlossen, meine Bachelorarbeit ausgehend von Michèle Foucaults Konzept der Heterotopie, zu entwickeln.
Die Analyse des Raums ist ein komplexes und vielschichtiges Thema. Ich fand es interessant, eine dieser vielen Facetten anhand
von Heterotopien konzeptuell zu untersuchen.
Um besser zu verstehen, was Heterotopien sind, ist es meines Erachtens wichtig, zunächst den Begriff der Utopie zu erklären. Utopien sind Räume ohne realen Ort und stehen in einem Verhältnis direkter oder umgekehrter Analogie zur Gesellschaft. Sie sind entweder die perfektionierte Gesellschaft selbst oder das Gegenteil von ihr, aber immer Orte, die auf keiner Landkarte zu finden sind, sondern nur in den Gedanken oder Träumen der Menschen.
Es gibt aber auch Utopien, die in der Realität existieren. Reale Orte, die sich aber, wie Utopien, von allen anderen Räumen absolut unterscheiden. Foucault nennt diese lokalisierten Utopien Heterotopien.
Heterotopien stehen also einerseits in einem Spannungsverhältnis zu Utopien, da erstere tatsächlich verortbar sind, während letztere per Definition nicht verortbar sind. Aber es gibt auch eine analoge Beziehung zwischen den beiden, denn beides sind Räume, die alle anderen Orte widerspiegeln und anfechten: Räume, in denen die Normalität untergraben wird. Wenn eine Utopie der Traum von einer anderen und besseren Gesellschaft in einer unbestimmten Zukunft ist, dann ist Heterotopie die Verwirklichung dieser Träume von Verfeinerung
und Verbesserung im Hier und Jetzt. Allerdings in einer Raumnische, die sich von allen anderen Räumen wesentlich
unterscheidet. Als Beispiele für Heterotopien nennt Foucoult Asylantenheime, Gefängnisse, psychiatrische Kliniken, Bibliotheken,
Museen und - interessant für diese Arbeit - Theater.
Sich auf eine Situation vorbereitet zu fühlen und nicht ins kalte Wasser geworfen zu werden, beschreiben wahrscheinlich viele Menschen als angenehm. Dafür können Prologe, Ouvertüren und auch Einlässe im Theater gebraucht werden. Für Theateraufführungen kann der Einlass als Einstimmung auf den Abend gebraucht werden. Wie das Verstehen des Einlasses als Schwellenraumes einen Einfluss auf die Wahrnehmung und das Erlebnis der Aufführung hat, ist die Grundlage für diese Arbeit.
Eine gestaltete Einlasssituation lenkt die Erwartungen an eine Inszenierung in eine bestimmte Richtung. Dabei
spielen verschiedenste Parameter eine Rolle. Die Arbeit befasst sich mit den Vorteilen der Gestaltung einer Einlasssituation und wie dies zu einem positiven Erlebnis aller Beteiligten des Abends verhelfen kann. Dazu dienen die Ritualtheorie und auch theoretischen Ansätze für Schwellenräume und Schwellensituationen. Eine allgemeinere Untersuchung mit Beispielen führt in eine detaillierte Analyse des Einlasses als Schwellenraum anhand der Inszenierung «I NAME THIS SITUATION DISKO».
Stellen Sie sich vor, Sie betreten das Zimmer, welches Sie als Kind bewohnt und behütet haben, nach vielen Jahren wieder. Darin hätte sich in der Zwischenzeit nichts verändert. Alles
wäre noch genau so, als hätten Sie heute Morgen den Raum verlassen, weil die Schulpflicht Sie gerufen hat. Die Tür macht noch dieselben Geräusche, das Licht wirft die gleichen
Schatten und es riecht immer noch genau so wie damals. Dinge, die man im Moment nicht wirklich wahrnimmt, aber sofort wieder erkennt, wenn man sie erfährt. Wie würden Sie sich darin verhalten?
Das Kinderzimmer ist für die meisten Menschen mit vielen Erinnerungen und Gefühlen verknüpft. Dementsprechend wäre eine solche Erfahrung verbunden mit vielen Emotionen.
Und was ganz sicher ist: Sie würden den Raum bestimmt anders wahrnehmen als irgendeine beliebige Person, die das Zimmer das erste Mal betritt.
Diese Arbeit handelt genau von dieser subjektiven atmosphärischen Raumwahrnehmung, der
persönlichen Erfahrung in einem Raum und wie diese beeinflusst wird. Sie untersucht, wie
sich das leibliche Befinden durch die räumliche Atmosphäre beeinflussen lässt und dadurch unser Verhalten verändert.
Der Fokus wird dabei auf das Erleben von inszenierten Räumen gelegt, da es sich um eine szenografische Arbeit handelt. Konkret wird der Frage nachgegangen:
Wie wird der atmosphärische Raum, durch die subjektive Wahrnehmung beeinflusst?
Objekte sind im Alltag allgegenwärtig und die Menschen bedienen sich ihrer, so auch die Artist:innen im Zirkus. Die traditionellen Zirkusobjekte haben eine exakt definierte Funktion und werden als Arbeitsgerät verwendet, um ein technisch hochstehendes Kunststück vorzuführen. Im zeitgenössischen Zirkus haben sich die verwendeten Objekte verwandelt – transformiert. Die Superlativen
allein sind nicht mehr das Ziel: ein Trapez wird auf einmal zum Haken und ein Seil kann eine neue Sinnebene aufmachen – für die Zuschauer:innen eine neue Art von Zirkusmagie. In dieser Arbeit möchte ich diese Magie aufschlüsseln. Wie wird sie geweckt, wie kommt es zur Transformation des erwähnten Trapez‘ und ab welchem Zeitpunkt erkennt man es nicht mehr als Zirkusobjekt?
«Zirkus ist eine extrem physische, an die Grenzen des scheinbar Unmöglichen stossende Beziehung zu Körpern und Objekten.» Die Bandbreite von zeitgenössischem Zirkus ist gross. Einerseits sind akrobatische Kunststücke in verschiedenen Formen Bestandteil des Zirkus geblieben und die Zirkusobjekte sind nicht aus den Spielstätten
verschwunden. Andererseits beobachte ich eine grosse Lust, mit den Objekten zu spielen und zu experimentieren. Diese Lust hat mich selbst gepackt und ich habe mich, bei verschiedenen (Zirkus-)Projekten
darin versucht. Deshalb freue ich mich in diesem Bereich zu
recherchieren, Neues zu entdecken und darüber zu schreiben.