Inspiriert durch den Essay Vom Verschwinden der Rituale von Byung-Chul Han, setze ich
mich im Folgendem mit den Konzepten Ritual und Erinnerung auseinander. Dabei versuche
ich zu ergründen, inwieweit sowohl das Konzept Ritual als auch das Konzept Erinnerung
eine Intensivierung der Wahrnehmung schaffen und unser Verhältnis zur eigenen Vergänglichkeit
beeinflussen kann. Auf diesen Überlegungen aufbauend erläutere ich meine Behauptung,
dass Theater, verstanden als unter anderem systemkritische Instanz, die Aufgabe hat,
nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ein Gegenangebot zum vorherrschenden, insbesondere
durch den häufigen Konsum moderner Medien, kapitalistisch geprägten Verständnis
von Erleben sowie der von der seriellen Überbietung geprägten Wahrnehmung, zu schaffen.
Ritual und Erinnerung sind zwei Begriffe, die mir in meiner praktischen Arbeit als Theaterregisseurin
und Performerin immer wieder begegnet sind, und als Schlagwörter für meine
Arbeit und Arbeitsweise dienten, ohne dass ich diese jedoch vor dem Gebrauch weiter definiert
oder eingegrenzt hätte. Mir war bewusst, dass meine Arbeit, obwohl sie sich mit Theater
und Ritualen auseinandersetzt, nicht als rituelles Theater beschrieben werden konnte,
noch dass die Art und Weise wie ich mit autofiktionalen und autobiographischen Texten und
Erinnerungen arbeitete, dazu führte, dass meine Arbeit von außen als z.B dokumentarisches
Theater bezeichnet wurde. Dennoch blieben diese beiden Begriffe für mich bezeichnend,
nicht nur für meine Arbeit als Regisseurin, sondern auch für eine Art der Wahrnehmung und
des Kunstverständnisses, das mich tagtäglich begleitete.