Mit dieser Arbeit will herausfinden, wieso die besondere Formatierung des Textes zu einer positiven Veränderung im Probenprozess geführt hat. Meine These ist dabei, dass die Schauspieler anhand dieses besonderen Layouts in ein ästhetische Erfahrung des Textes gekommen sind - und nicht, wie gewöhnlich, in ein interpretatives Verhältnis zum Text getreten sind.
Mit dieser Thesis will ich auch ein Werkzeug erarbeiten und vorstellen. Dieser Umgang mit Theatertexten, welcher sich mit dem Auftreten und den Erscheinungsformen von Text auseinandersetzt, sehe ich als ein Werkzeug, welches besonders für dramaturgische Zwecke nützlich sein könnte. Das Wort Werkzeug will ich deshalb benutzen, weil es eben um die haptischen und visuellen Aspekte eines Theatertextes geht.
In meiner vorliegenden Bachelor-Arbeit beschäftige ich mich mit der Dramatisierung von Romanen. Für deren Umwandlung in Theatertexte also. Wie muss ein Romantext verändert werden, um zu einem Theatertext zu werden? Wo liegen Ähnlichkeiten und Unterschiede von Roman und Theatertext? Wie klar verläuft die Grenze zwischen diesen beiden Textsorten? Mir scheint, dass diese Gattungsgrenzen je länger desto fliessender werden. Neuere Theatertexte sind beispielsweise oft vielmehr Textflächen als klassisch aufgebaute Dramen. Zunächst, und um der Frage danach, was denn nun als Theatertext zählt und was nicht, werde ich mich mit verschiedenen Dramentheorien beschäftigen. Danach werde ich versuchen, der Definition eines Romans, eines epischen Textes, mit Hilfe der Narratologie, der Wissenschaft der Erzählung, näher zu kommen. Dazu befasse ich mich zwar vorwiegend mit der Erzähltheorie von Gérard Genette, ziehe aber auch Theorien und Argumente anderer Narratologen zum Vergleich hinzu.
Die Frage nach dem politischen Gehalt und dem Potential des Theaters prägt denn auch wieder Feuilletons, theaterwissenschaftliche Institute, Festivals, Podien und Symposien. Und es gilt wieder neu zu fragen: Welches Theater braucht die heutige Zeit? Wie muss es sich gestalten, um politisch zu sein, Kritik zu üben, sich mit der politischen Realität in Beziehung setzen? Statt in dunklen Kammern abseits der Welt an der Heiligkeit uralter Texte und Me-thodiken festzuhalten und über schwindende Zuschauerzahlen zu weinen – um es mal po-lemisch zu formulieren?
Hat es (noch) politisches Potential?
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit ebendieser Frage nach dem politischen Potential zeitgenössischen Theaters. Sie versucht eine abrissartige Klärung des Begriffs und der Vor-aussetzungen, die durch den aktuellen gesellschaftspolitischen Kontext im durchökonomi-sierten Spätkapitalismus gegeben sind. Nimmt dann einige theaterwissenschaftliche Gedan-ken aus dem Diskurs um das politische Theater auf und denkt diese im Rahmen einer mani-festartigen Skizze für ein ganzheitlich kritisches Theaterkonzept als Grundvoraussetzung für die Entfaltung eines politischen Theatermoments weiter. Dabei versucht sie über die Frage nach dem konkreten (politischen) Inhalt eines Theaterabends und seine konkrete Form hin-auszudenken und allumfassender und grundsätzlicher strukturelle Begebenheiten bei der Entstehung eines theatralen Moments in den Blick zu nehmen. Sie möchte für ein ganzheitli-cheres Konzept politischen Theaters plädieren. Damit werden konkrete Verortungen, Forma-te und Texte zweitrangig, auch wenn sich die Arbeit in Bezug auf Sekundärliteratur und Bei-spiele auf das deutschsprachige Theater bezieht.
Das Definieren eines Themas, das Um- und Einkreisen, es dauert seine Zeit. Im Falle dieser Arbeit fast solange wie Robert Wilson braucht bis er anfängt zu proben. Doch nun liegt sie hier diese Bachelorarbeit, bereit gelesen zu werden. Robert Wilson schoss mir direkt in den Kopf, als ich über ein Thema für diese Arbeit nachdachte. Zu diesem Menschen und seiner Arbeit gibt es so viel Spannendes zu untersuchen und bearbeiten. Ich musste mich also einschränken und nochmals einschränken und nochmals. Für den Rahmen dieser Arbeit beschränke ich mich also ausdrücklich darauf Robert Wilsons Arbeitsweise und Arbeiten in Bezug zum Aspekt der Zeit zu untersuchen. Hie und da sind weitergreifende Beschreibungen unumgänglich, um ein adäquates Bild zu zeichnen. Ich werde also meiner titelgebenden These folgen, dass Zeit das allordnende Mittel in Robert Wilsons Arbeit ist.
Ich werde dies zuerst mit einem kurzen Einblick in seine Arbeitsweise, dann mit einem Überblick über seine Biografie und der Entwicklung seiner Inszenierungen tun, bevor ich den Aspekt der Zeit an sich versuche aufzudröseln, um dann über einen kurzen Exkurs in seine ästhetischen Prinzipien zu einem genaueren Blick in eine Wilson Inszenierung zu gelangen. Dies wird dann jedoch im Sinne des Einschränkens keine Inszenierungsanalyse, sondern der Versuch einer Beschreibung der signifikantesten Zeichen und ihr Bezug zum Aspekt der Zeit. Zum Schluss werde ich natürlich nochmals alle wichtigen Punkte und Erkenntnisse in einer Konklusion zusammenfassen.
Bei Robert Wilson geht es sehr stark um Komplexität, dem verfallen, kann es sein, dass diese Komplexität sich auch auf meine Schreibweise übertragen hat.
Bei Robert Wilson geht es aber auch um das zugänglich machen von komplexen Strukturen, in diesem Sinne hoffe ich, dass Sie die Zugänglichkeit zwischen den Kommas finden.