Meine Master Diplomarbeit mit dem Titel „under new management“, 2021, basiert auf der Befragung des gesellschaftlichen Phänomens der immateriellen Arbeit im postfordistischen System. Die Schauspielkunst kann als immaterielle Arbeit gelesen werden.
Immaterielle Arbeit ist jene Arbeit die sich nicht physisch manifestiert, sie produziert kein greifbares Produkt, sie fördert und verkauft Emotionen. Die Optimierung von Kommunikation ist für sie unerlässlich. Sie wird außerdem durch die Auflösung der herkömmlichen Trennung, von privatem und öffentlichem Raum, geprägt. Aus diesem Grund stellt sich mir folgende Forschungsfrage: „Wie wirken sich, das gesellschaftliche Phänomen der immateriellen Arbeit im postfordistischen System und seine physischen Räume, auf die darin agierenden menschlichen Körper und ihre individuelle Wahrnehmung des Selbst, aus? Wie kann ein Empowerment von diesen Strukturen aussehen?“ Diese Fragestellungen versuche ich im Folgenden theoretisch und unter der Betrachtung zweier künstlerischer Postionen, zu beantworten. Des weiteren werde ich in meiner künstlerischen Praxis an diesen Fragen forschen und mit meinem eigenen Körper im Bühnenraum nach Antworten suchen.
Hierzu befrage ich unter anderem das Bild des gläsernen Towers, als Symbol für immaterielle Arbeit, als architektonische Essenz des postfordistischen Systems, als Sinnbild für das kapitalistische Streben nach Wachstum, als Raum dessen transparente Fassade eine klare Trennung zwischen Innen und Außen schafft. Er scheint über allem erhaben, eine Festung für die Macht und deren Missbrauch, ein Symptom des hierarchisches Systems, welches wie eine Champagnerpyramide top down befüllt wird und so auch die gesamtgesellschaftlichen Strukturen wieder spiegelt.
In meiner Arbeit möchte ich mich dem Vergleich zweier Probenprozesse widmen. Zum einen werde ich mich dem Probenprozess Ulrich Rasches auseinandersetzen, zum anderen mit den Theaterpraktiken von Gardzienice, die ich im ersten Kapitel vorstellen werde.
Im Oktober 2016 nahm ich im Rahmen meines Master-Schauspielstudium an der Zürcher Hochschule der Künste an einem einmonatigen Kurs bei Anna Zubrzycki in Wrocław teil, die mithilfe der Methoden und Praktiken von Gardzienice mit uns geprobt und gearbeitet hat. Mit Ulrich Rasche probe ich zurzeit „Die Bakchen“ von Euripides am Burgtheater Wien und werde diese beiden individuellen Herangehensweisen beschreiben, vergleichen und analysieren. Es sind zwei Produktionen, die mir sehr am Herzen liegen. Ich finde eine schauspielerische Offenbarung in beiden Ansätzen, auch wenn diese sehr verschieden sind. Ich habe mich für diese Untersuchung entschieden, da mir innerhalb meines Schauspielstudiums immer wieder Gerüchte über die schauspielerische Arbeit über den Weg gelaufen sind, da ich immer wieder Gerüchte über die schauspielerische Arbeit hörte. SchauspielerInnen müssten „abliefern“ es würde kaum am Ensemblegeist gearbeitet und jedeR müsse selbst u.a. die Textarbeit erledigen. Das Ensemblegefühl innerhalb von Stadttheatern ginge scheinbar verloren. RegisseurInnen seien mehr mit der Ästhetik und ihrem Konzept beschäftigt, als mit schauspielerischer Arbeit. Regisseure wie z.B. Christopher Rüping gäben deswegen Kurse für RegisseurInnen wie u.a. an der Zürcher Hochschule der Künste oder der Otto-Falckenberg Schule, da die neue Generation von jungen KünstlerInnen viel mehr durch Bilder geprägt sei und die Arbeit am Wesen der SchauspielerInnen immer mehr in den Hintergrund geriete.
Ich frage mich somit, was heutzutage Ensemblearbeit an einem Stadttheater wie dem Burgtheater bedeutet. Wie verläuft die Körper- und Textarbeit an solch einem großen Haus? Und wie verläuft diese in kleineren Theatergruppen? So entschied ich mich, zwei Probenprozesse miteinander zu vergleichen: ein fast in Vergessenheit geratenes "Dorftheater“ mit der gigantischen Theatermaschinerie Ulrich Rasches. Beide verfolgen eine körperliche, rhythmische, musikalische Arbeit. Dabei will ich nicht die beiden künstlerischen Ansätze und Endergebnisse bewerten, beurteilen oder interpretieren. Es geht mir darum, die schauspielerischen Arbeitsansätze zu beobachten und zu erläutern.
Berlin, 21. Mai 2018. Nach siebzehn Tagen Podiumsdiskussionen, Workshops und zehn ausgezeichneten Inszenierungen aus Wien, Zürich, München und Berlin kommt das Theatertreffen 2018 in Berlin zum wohlverdienten Abschluss. Am letzten Tag werden noch Preise verliehen, darunter der Alfred-Kerr-Darstellerpreis. Mit diesem wird Benny Claessens für seine herausragende schauspielerische Leistung in Am Königsweg in einer Inszenierung von Falk Richter ausgezeichnet. Der Juror ist Fabian Hinrichs. 2012 wurde ihm selbst bereits der Preis verliehen, heute bestimmt er den Preisträger, überreicht den Preis und hält eine Laudatio:
„Bist Du Künstler oder arbeitest Du im Service?“ Gleich zu Beginn stellt Hinrichs diese provokant rhetorische Frage. Sie ist an alle Schauspielende gerichtet und ist ihm die „wichtigste Frage“ 2 und sollte eigentlich klar zu beantworten sein. Doch ist dies anscheinend nicht der Fall: Ich muß schon sagen, es war ziemlich anstrengend, einen jungen Alfred Kerr-Preis-würdigen Schauspieler aufzuspüren, einen jungen Künstler, einen souveränen Schauspieler, keinen Dar-Steller und Dar-Geher und Dar-Steher, einen, den auch Alfred Kerr selbst vielleicht als Persönlichkeit ausgemacht hätte, keinen, der mit den Fingern schnipst, weil ihm gesagt wurde, er solle jetzt mal schnipsen. [...] Auf meiner Suche nach dem souveränen Schauspieler mit einer Leitung nach oben begegnete mir preußischer Gehorsam, wohl als erschütterndes, durch die Generationen hindurch gewandertes Erbe des preußischen Militarismus, wackeres Soldatentum, man sah Menschen bei anstrengender Arbeit zu.
Ausgehend von einem Interview mit den beiden Schweizer Schauspielerinnen Sabine Timoteo und Doro Müggeler über die Lust am Spiel, über Vertrauen und Machtmissbrauch am Set und wie sie gelernt haben, Nein zu sagen in der Zürcher Zeitung WOZ vom 1.3.2018, bin ich auf den Begriff „Anasyrma“, gekommen. Als Anasyrma wird die Geste bezeichnet, „mittels derer der Blick auf das weibliche Genital freigegeben wird“. Timoteo beschreibt eine kritische Situation, die sie als junge Schauspielerin auf einem Filmset erlebt hat. Sie hatte eine kleine Rolle als lesbische Frau und sollte mit ihrer Partnerin im Bett liegen. Im Drehbuch stand, die beiden Frauen seien abends im Bett am Lesen. Während des Drehs verlangte der Regisseur plötzlich von ihr, dass sie sich nackt ausziehen soll. Davon war aber davor nie die Rede gewesen. Im Wissen darüber, dass im Schweizer Fernsehen sowas nie gezeigt werden würde, „weil es dort nur Brüste zu sehen gibt, aber keine Schamhaare oder Schamlippen“, meinte Timoteo: „entweder ganz nackt oder mit T-Shirt und Unterhose“. Timoteo hatte dann „extra alles so richtig gezeigt“, hat also ihre Vulva entblösst. Die Szene konnte dann tatsächlich nicht verwendet werden, weil sie zu extrem war für das Schweizer Fernsehen. Somit hat Timoteo ihre Nacktheit, genauer genommen ihre Vulva, in diesem Moment als Statement oder als Waffe benutzt und die Situation zu ihren Gunsten umgedreht.
Anasyrma nennt sich diese Geste und sie ist als eine apotropäische Handlung, eine Abwehrhandlung, zu verstehen. Sie dient dazu, das Böse auszutreiben oder Unheil abzuwenden, Schaden fernzuhalten oder unwirksam zu machen. So finden sich in den meisten Mythologien Geschichten, in denen die Menschheit mindestens einmal durch die Zurschaustellung der Vulva gerettet wurde.6 Es gibt Überlieferungen von zahlreichen Sagen und Legenden, ebenfalls wurden über 30'000 Jahre alte figurative Vulva- Skulpturen gefunden. Das wohl berühmteste Beispiel der Anasyrma in der Moderne und gleichzeitig ein Meilenstein in der feministischen Kunst ist die Fotoserie „Genitalpanik“ von Valie Export von 1968, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit Bezug genommen wird. Heutzutage fällt auf, dass gerade in der Kunst im Zuge der #MeeToo- Debatte viele Frauen auf die Handlung der Anasyrma zurückgreifen. Auch in der Literatur wimmelt es von Vulven. So hat Mithu M. Sanyal 2017 mit ihrem Buch „Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts“ eine Kulturgeschichte der Vulva geschrieben. Oder die schwedische Künstlerin Liv Strömquist hat 2014 den Comicband „Der Ursprung der Welt“ herausgegeben. Als ich meiner Kollegin, der Performerin und Regisseurin Antje Prust davon erzählt hatte, stellte sich heraus, dass sie sich gerade zum selben Zeitpunkt mit Anasyrma beschäftigte. Sie praktizierte die Geste sogar selber in ihrer neusten Performance „A circle of cunts protects me from ghosts“ im Rahmen der Zusatzreihe „Unlearning Patriarchat“ an den Berliner Festspielen 2018 praktizierte. Dies nahm ich zum Anlass, sie zu interviewen und mehr über Anasyrma zu erfahren.
This exhibition combines posters on women’s suffrage in the collection of the Museum für Gestaltung Zürich and in the National Library of the Republic of San Marino. My research started with the poster “Frauenstimmrecht Nein” (Donald Brun, 1946). When I first saw it, its big red “Nein” hit me like a blow. Following this experience, I got interested in the Swiss history of women suffrage and the one in my home country, the Republic of San Marino. The juxtaposition of the posters shows similarities in the main arguments.
However, through research on books, articles and little interviews, I realised how different the two movements where: the Swiss campaign with its strong opposition by women and the Sammarinese one with the influence of the Church, meaning that social progress had to come ‘from the right’. Interestingly, I could also trace a certain cyclicality in the way women successively gained and were deprived of their rights throughout history. This perspective is complemented by works like “ The Handmaid’s Tale” which projects the issue into a dystopian future and challenges the view of a teleological progression towards more rights for everyone. By covering up anything which had to do with ‘women/men’ and ‘yes/no’, I wanted to challenge the integrity of works which were designed to be as unmistakable and essentialist as possible: the lonely child picking her nose (poster by Hugo Laubi, 1946) could then be waiting for her mum… as well as her dad, or maybe just a parent?
In der ersten Woche meines Bachelor-Regie-Studiums an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg wurde ich aufgefordert, mir selbst einen Brief zu schreiben. Vier Jahre später wurde mir dieser Brief gemeinsam mit meinem Bachelor-Abschlusszeugnis überreicht. In diesem Schriftstück steht, dass mein größter Wunsch ist, ein Theater zu leiten. Seit nun mehr acht Jahren forme ich diesen Wunsch zu einem konkreten Bild.
Neben meiner Arbeit als Regisseurin und der Auseinandersetzung mit kollektiven Arbeitszusammenhängen beschäftige ich mich intensiv mit den bestehenden Strukturen des deutschsprachigen
Theatersystems. Die Entscheidung, in Zürich, das Masterstudium in Regie anzuhängen, war unter anderem damit verbunden, dass ich hier drei kollektiv-geleitete Theaterhäuser mit sehr unterschiedlichen Strukturen beobachten konnte. Ich wollte in Zürich sein, um das Theater Gessnerallee, das Theater Neumarkt und das Schauspielhaus Zürich aus der Nähe zu erleben. Während der letzten zweieinhalb Jahre habe ich von außen diese drei Institutionen beobachtet und mich innerhalb meines Studiums in Theorie und Praxis intensiv mit Institutionskritik beschäftigt. Mit diesen Erkenntnissen und in intensivem Austausch mit meinem Kollegen Fynn Malte Schmidt entstand schließlich das Vorhaben, uns am Ende unseres Studiums für die Leitung eines Theaters zu bewerben.
Hier kommt nun das Theaterhaus Jena ins Spiel: das einzige deutschsprachige Stadttheater, welches als Experimentierraum und Talentschmiede für junge Theaterschaffende gilt. Das Theaterhaus Jena ist ein Ensembletheater in Thüringen, wird mit offiziellen Geldern finanziert und ist somit Teil des Stadttheatersystems. Jedoch einmalig ist, dass das Theaterhaus alle vier bis sechs Jahre die Position der künstlerischen Leitung explizit für Kollektive ausschreibt, auch ohne bisherige Leitungserfahrungen. Seit der Wende ist das Theaterhaus Jena eine gemeinnützige GmbH, welche sich für kollektive Leitungsprinzipien starkmacht.
Bevor ich unser Leitungskonzept vorstelle, möchte ich zu Beginn dieser Untersuchung die Frage stellen „Warum eigentlich Theater?“. Dieser Frage gehe ich in Kapitel 2 unter anderem im Dialog mit dem Essay von Jakob Hayner „Warum Theater – Krise und Erneuerung“ nach. Seine These lautet, dass das Theater in einer Krise steckt und diese nur überwunden werden kann, wenn wir nicht mehr nur versuchen, das Theater immer und immer zu erneuern, sondern wenn wir uns ernsthaft die Frage stellen, warum wir das Medium Theater wählen. „In allen Debatten um die Zukunft des Theaters ist diese Frage eigentümlich abwesend.“
Innerhalb dieser Masterarbeit möchte ich nun die Frage beantworten, warum ich Theater mache, da ich mir diese Frage während meiner gesamten Ausbildung bisher nicht gestellt habe. Um die Thesen von Jakob Hayner nachvollziehen zu können, habe ich mich mit „Der leere Raum“ von Peter Brook beschäftigt, auf welchen sich Hayner in seinem Essay mehrmals bezieht. Brook und Hayner zeigen beide auf, dass der Ausruf der Krise des Theaters nichts Neues ist und auch der Wunsch nach Erneuerung sich innerhalb des Theaters über Jahrhunderte hinweg immer wieder wiederholt. Nachdem ich Peter Brooks Ansätze skizziert habe und mir kritisch das Essay von Hayner betrachte, werde ich zum Schluss des zweiten Kapitels selbst die Frage „Warum Theater?“ beantworten.
In meinem privaten Alltag beobachte ich immer wieder, wie Unternehmen immer zunehmender mit gleichgeschlechtlichen Paaren oder schwulen Prominenten Werbung betreiben. Wie kommt es, dass kapitalistische Unternehmen solches Marketing betreiben? Und was bedeutet das zum Verhältnis von Kapitalismus zu Homosexualität?
Durch die Auseinandersetzung mit dem Gedanken, und den darauf gefundenen Themen in Literatur wie «Pinkwashing» etc., habe ich erkannt, dass dies auch eine wissenschaftlich diskutiertes Feld ist. Daraus resultierte die folgende Fragestellung:
«Werden die Homosexuellen von Unternehmen durch das Marketing mit rein betriebsökonomischen Absichten instrumentalisiert?»
Meine These ist, dass dies durchaus der Fall ist. Dass homosexuelle Menschen tatsächlich instrumentalisiert werden vom Marketing und dem Kapitalismus. Dass Unternehmen die Homosexuellen, oder stellenweise auch die ganze LGBTQCommunity als Geldquelle entdeckt haben, und sich dies zu Eigen machen, obwohl sie deswegen nicht zwangsläufig den politischen Befreiungskampf diese Minderheit unterstützen.
Zur Diskussion dieser These habe ich folgendes Vorgehen gewählt: Zunächst schaffe ich eine sozialwissenschaftliche Grundlage zu den beiden Konzepten Homosexualität und Kapitalismus. Anschliessend diskutiere ich die Verbindung dieser beiden Themen. Als Methode, welche ich zusammenfassend erläutere, werde ich ein Experteninterview führen und eine Literaturrecherche machen. Diese werden ausgewertet und in Verbindung zu meiner These und Fragestellung gesetzt. Das führt zum abschliessenden Fazit.