Mich faszinieren die klare und bewusst gesetzte Ästhetik und die Zusammenarbeit mit Menschen. Diese Form der Ästhetik fand ich vor allem im klassischen Theater erfüllt und es beschäftigte mich das Vorurteil, dass eine gute Ästhetik oft auf Kosten einer guten Zusammenarbeit erreicht werden könne. Dieses Vorurteil wollte ich prüfen und daraus ergab sich folgende Fragestellung:
Wie beeinflusst die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen der Regie und den Schauspieler*innen die Ästhetik einer Inszenierung?
Ich untersuche den Probenprozess von Sebastian Kreyer, um seine Inszenierungsstrategien zu erforschen und über eine mögliche Übertragung in die Theaterpädagogik nachzudenken. Könnte sein Regieverständnis zur Bereicherung der theaterpädagogischen Arbeitsweisen beitragen? Dazu wird es wichtig sein, meinen persönlichen theaterpädagogisch/ästhetischen Standpunkt klar zu formulieren.
Die Digitalisierung schreitet fort und hat bereits Einzug in die theaterpädagogische Praxis erhalten. Insbesondere während des Lock-Downs in der Coronakrise waren viele Theaterschaffende gezwungen, spontan ihre Vorhaben umzugestalten und in Settings ohne physische Co-Präsenz zu übertragen.
Trotz dieser Widrigkeiten haben meine Erfahrung und die vieler anderer Theaterschaffenden gezeigt, dass sich theaterpädagogische Vorhaben grundsätzlich in andere Medien übertragen lassen.
Und nun habe ich in meinem eigenen Probenprozess das erste Mal während meiner theaterpädagogischen Praxis diese Erfahrung gemisst. Das Ausbleiben war frustrierend und hat bei mir als Leitende primär zu einem defizitären Blick auf die non-physischen Bedingungen der Probesituation geführt.
Umso überzeugter war ich danach, dass diese Erfahrung essenziell für den gemeinsamen Probeprozess ist; für einen Probeprozess, an dem die Spieler*innen als Individuen und als Gruppe in einem Maße teilhaben, dass ihre Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse entscheidend für die Richtung und den Verlauf der Suchbewegung des Probeprozesses sind.
Klischees sind unangenehm, aber sie sind überall. Sie tauchen in Probensituationen, egal mit wem, immer wieder auf und werden dargestellt, reproduziert. Auch in mir und von mir. Und dann weiss ich nie, was tun. Ich weiss nicht, wie ich durch sie durch woanders hin komme. Sie verunsichern mich. Ich will sie auf der Bühne nicht sehen.
Gerade vor der Entwicklung von Figuren als verantwortliche Leiterin eines Prozesses schrecke ich aus diesem Grund oft zurück – denn dabei scheinen klischierte Darstellungen mir gehäuft vorzukommen. Gleichzeitig wird genau dieser Wunsch nach «eine Figur spielen» immer wieder geäussert – und ich verstehe ihn.
Wenn also eine Konfrontation nicht zu verhindern ist, inwiefern liesse sich ein aufkommendes Klischee als Chance begreifen oder zu einer solchen machen? Eine Annäherung ist nötig.
Mit dieser Arbeit will herausfinden, wieso die besondere Formatierung des Textes zu einer positiven Veränderung im Probenprozess geführt hat. Meine These ist dabei, dass die Schauspieler anhand dieses besonderen Layouts in ein ästhetische Erfahrung des Textes gekommen sind - und nicht, wie gewöhnlich, in ein interpretatives Verhältnis zum Text getreten sind.
Mit dieser Thesis will ich auch ein Werkzeug erarbeiten und vorstellen. Dieser Umgang mit Theatertexten, welcher sich mit dem Auftreten und den Erscheinungsformen von Text auseinandersetzt, sehe ich als ein Werkzeug, welches besonders für dramaturgische Zwecke nützlich sein könnte. Das Wort Werkzeug will ich deshalb benutzen, weil es eben um die haptischen und visuellen Aspekte eines Theatertextes geht.