Im Rahmen der praktischen Abschlussarbeit meines Bühnenbildstudiums an der Zürcher Hochschule der Künste habe ich im Winter 2014 zusammen mit dem deutschen Klangkünstler FM Einheit eine räumlich - musikalische Inszenierung unter dem Titel Artaud_into the explosion erarbeitet. Der Schwerpunkt unserer Arbeit war der Versuch, eine Auseinandersetzung mit dem französischen Schriftsteller und Theatermacher Antonin Artaud, mit den Mitteln von Raum, Musik und, in gewisser Weise untergeordnet, Sprache zu erarbeiten. Dabei bewegten wir uns zwischen Konzert, Installation und Lesung in einem künstlerischen Zwischenbereich. Die Frage, was wir denn nun eigentlich machen, in welche Kategorie wir uns selber einteilen würden und unter welchem Gesichtspunkt die Zuschauer mit der Arbeit konfrontiert werden sollten, stellte sich während dem gesamten Produktionsprozess. Während der Konzeption legte ich Wert darauf, unter der Kategorie Theater anzutreten. Performance oder Installation schienen mir Begriffe zu sein, die bereits im Voraus gewisse Fragen ausklammerten. Das Theater war es, das ich einmal mehr, und dieses Mal in erster Linie aus meiner Perspektive, der des Szenografen, auf seine Möglichkeiten untersuchen wollte.
Und doch war der Moment, in welchem mir bewusst wurde, dass wir auf jeden Fall kein Stück machen und dass es sich bei dem riesigen schwarzen Objekt mitten im Raum nicht um ein Bühnenbild handelt, nicht um ein solches handeln darf, für die weitere Arbeit in gewissem Sinne befreiend. Die Ab- oder Entgrenzung von bestimmten Konventionen, wie ein theatrales Ereignis zu lesen sei und welche Voraussetzungen dazu geschaffen werden mussten, eröffnete mir ganz andere Denkmöglichkeiten der Inszenierung von Musik, Licht und Sprache im Raum. Aber was taten wir denn? Nach welchen Kriterien arbeiteten wir? Und was war es, was da gross und schwer mitten in einem Theaterraum stand und sich jeglicher konkreten Lesart entzog oder eine solche zumindest nicht benennen wollte?
Diese Arbeit war in praktischer Hinsicht exemplarisch für eine Fragestellung, die mich antreibt, seit ich mich als angehender Bühnenbildner in der Welt des Theaters bewege, und der ich in der vorliegenden Thesis theoretisch nachspüren werde. Wo positioniere ich meine Arbeit innerhalb des Gesamtwerks einer Theaterproduktion? Was kann ich tun, damit das Bühnenbild zu seinem Recht kommt, mehr sein kann als die Bebilderung eines Textes? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen nach dem, was Bühnenbild - mein Bühnenbild sein soll und kann, findet natürlich in erster Linie beim praktischen Arbeiten statt. Parallel dazu will ich mich aber auch (selbst-) reflexiv solchen Fragen stellen. Um im ständigen Wechselspiel zwischen nachdenken über etwas und schaffen von etwas auch auf andere, für mich neue Lösungen, kommen kann.
Inspiriert und in engem Zusammenspiel mit einem vorgegebenen Text Räume, Situationen zu entwickeln, die Kooperation mit Regie und Werkstätten, scheint mir diejenige Kunstform zu sein, die mir zur Zeit die idealen Möglichkeiten bietet, mich einer mich umgebenden Realität zu stellen. Mein Antrieb ist erst Mal ein radikal subjektiver, Showbusiness, „theatricality“ kommt erst viel später - wenn überhaupt. Aber kann ich denn diesen Kunstanspruch auch unter den realen Bedingungen des Theaterschaffens tatsächlich aufrecht erhalten? Schliessen sich dieser, zuweilen doch recht romantische, Anspruch an ein Kunstschaffen und die reale Welt des Theaters nicht viel mehr gegenseitig aus?
Kann die vermittelte Schauspieltechnik an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) in der Konsequenz eine Spielweise sein, wie sie der Regisseur Jürgen Gosch und seine Schauspieler in der Inszenierung „Die Möwe“ am Deutschen Theater in Berlin anwenden?