„Heute morgen, kurz vor Sonnenaufgang, stand ein Hirsch vor meinem Fenster, in einem Nebel, der so dicht und hell war, dass der zweite Hirsch, nicht weit entfernt, aussah wie der unvollendete Schatten des ersten. Du kannst ihn ausmalen. Du kannst ihn ‚die Geschichte der Erinnerung‘ nennen.“
Ich habe dieses Zitat ausgewählt, da es für mich den durch Kunst bespielbaren Raum treffend und gleichzeitig poetisch beschreibt.
Das Thema Autofiktionalität im Theater interessiert mich sehr, da der Grat zwischen privat und persönlich sehr schmal ist. Mich bewegt und fasziniert es, wenn ich autobiografische Geschichten auf der Bühne sehe.
Ich gehe davon aus, dass sich autofiktionales Schreiben bzw. die künstlerische Auseinandersetzung mit autofiktionalen Texten dazu eignet, Fragen zu Autobiografie und der Konstruktion des Selbstbildes zu bearbeiten. Und dass die Umsetzung im Theaterkontext wichtige Auswirkungen auf die Verarbeitung von persönlichen Erfahrungen und die Reflexion über dieselben hat.
Deshalb versuche ich im Folgenden herauszufinden, was Autofiktionalität für Potenziale in Bezug auf die Freiheit und Erkennung des persönlichen Verständnisses und Ausdrucks hat.
Die vorliegende Arbeit startet den Versuch, einen Reflexionsraum über die eigene künstlerische Praxis zu öffnen, die sich in den letzten Jahren herausgebildet hat und durch das Regiestudium an der Zürcher Hochschule der Künste nachhaltig geprägt wurde.
Im Zentrum dieser Auseinandersetzung steht die Frage nach der Konstruktion von Identität und welche Rolle dabei der Erinnerung zukommt.
Sich selbst zu erzählen wurde zu einem Motor für meine Arbeiten. Unter einem soziologischen Blickwinkel interessieren mich stets die Erzähl- und Performancestrategien innerhalb einer individualistisch geprägten Gesellschaft sowie die Wechselwirkungen zwischen singulären und kollektiven Verhältnissen.
So steht im Zentrum meiner Arbeit oft die eigene Identität, die auf einem Experimentierfeld seziert und konstruiert wird.
Ein grosses Interesse gilt dabei dem dokumentarischen Zugriff: Dokument, Fälschung, Wirklichkeit, Autobiografie, Fiktion und Erinnerung sind Begriffe, die ich in meinen Arbeiten immer wiederfinde und die in mir im Verhältnis zum Material eine produktive Reibung erzeugen.