«Durch das Umweltproblem sind wir in neuer Weise auf unsere Leiblichkeit gestoßen. Wir müssen anerkennen, dass wir in und mit der Natur leben, gewissermaßen im Durchzug der natürlichen Medien. Erde, Wasser, und Luft ziehen durch uns hindurch, und wir können nur leben in diesem Durchzug. [...] Die Umweltproblematik wird normalerweise naturwissenschaftlich behandelt. Da geht es um Grenzwerte, da geht es um Schadstoffe in den Lebensmedien Wasser, Luft, und Erde. Die Frage wird physikalisch-chemisch gestellt. Aber man kann und man muß sie auch ästhetisch stellen, denn für die Frage, wie wir in der Umwelt leben, ist letztlich entscheidend, wie wir uns befinden, wie wir uns fühlen, also wie wir unsere Umwelt sinnlich erfahren.»
Ich stiess zu Beginn der Recherche für mein Masterdiplomprojekt im Fachbereich Bühnenbild an der ZHdK auf dieses Zitat, während ich mir die Frage stellte, ob und wie wir eine Naturerfahrung in den Theaterraum transferieren können und welche Relevanz das Theater darin hat, wie wir unsere Rolle in der Welt wahrnehmen und ausüben. Als ich nach einer zweitägigen Wanderung im Zug nach Zürich sass, merkte ich einmal mehr, wieviel mir das Wandern und die Zeit in den Bergen gab. Es regte sich der Wunsch in mir, Theater ein wenig mehr wie eine Bergerfahrung zu gestalten. Wäre es nicht wichtig,
in unserer informationsgeladenen Gesellschaft mehr Räume zu schaffen, in welchen wir Sachverhalte anders erfahren können als über Sprache, Text und neue Medien? Orte, in denen die Zeit anders dreht, so dass Leerräume entstehen können? Räume, in welchen wir in Verbindung gehen können, mit uns selbst, unserem Körper, und unserer Umwelt. Böhme beschreibt im obigen Zitat für mich sehr treffend die Relevanz von Ästhetik und ästhetischer Erfahrung in unserer Zeit und Gesellschaft sowie das Potenzial, welches das Theater als ästhetische Erfahrung hat, um einen Beitrag zur Transformation zu leisten. Eine Transformation hin zu einer Welt, in der die Menschheit gleichberechtigter und nachhaltiger mit ihrer Umwelt zusammenlebt. Böhme bezeichnet zudem die Kunst des Bühnenbildes als paradigmatisch für die künstliche Herstellung von Atmosphären, was mich darin bestärkte dem Versuch nachzugehen, eine Landschaft ästhetisch erfahrbar zu machen. Ich begab mich also auf die Suche, was meine Erfahrung im Gebirge ausmacht, und wie ich diese in den Theaterraum übersetzen kann.