Was Andrei Tarkowski hier – auch und gerade in Abgrenzung gegenüber dem Theater – als ganz spezifische Möglichkeit und Wirkweise des Films beschreibt, liest sie wie das Plädoyer für eine immersive Theatererfahrung2. Eine solche kann nämlich ganz ähnliche Dinge leisten, wie sie Tarkowski vom Film fordert und sogar als dessen Alleinstellungsmerkmal gegenüber allen anderen Künsten deklariert: Durch eine tiefgreifende, nicht zuletzt auch körperlich erschlossene künstlerische Erfahrung wird das Publikum aktiviert und im Idealfall dadurch selbst schöpferisch tätig. Denn es werden – sofern es sich um eine ganz spezifische Form der Immersion handelt, auf die später noch genauer eingegangen wird – durch die Inszenierung statt einer abgeschlossenen Narration bloss einzelne Situationen, Assoziationen und Denkanstösse geliefert, die erst in den Zuschauer*innen und in Kombination mit deren jeweils ganz eigenen Erfahrungen und deren Lebensrealität neue Sinnzusammenhänge und somit Sinnhaftigkeit generieren.
Was Tarkowski in seinen Filmen durch genuin filmische Mittel erreicht, vermag eine anspruchsvolle Theatererfahrung, die das Publikum ernsthaft (heraus)fordert, durch eine Reihe ganz besonderer Theatermittel, die sich von den «klassischen» in vielerlei Hinsicht stark unterscheiden. Welche genau das sind und wie sie auf das Publikum wirken, soll im Laufe dieser Arbeit herausgefunden werden. Zudem gilt es zu untersuchen, ob sich die erwähnten Möglichkeiten noch verstärken, wenn der Stoff einer solchen Inszenierung wiederum selbst einem Film entstammt, der die eingangs zitierten Merkmale trägt, und nicht etwa einem Theatertext. Meine These lautet, dass eine Filmadaption in Form eines immersiven Theatererlebnisses auf besondere Weise dazu in der Lage ist, die Zuschauer*innen in ein wirklich aktives und letztendlich sogar kreatives Erleben und Erfahren zu versetzen, das einerseits sehr viel mit deren eigenem Leben, Denken und Fühlen zu tun hat und andererseits auch eine wirklich neue Erfahrung darstellen kann. Indem dies – anders als im Film und in der klassischen Theatersituation – durch ein tatsächliches physisches Betreten und Erschliessen einer eigenen Welt geschieht, wird diese Erfahrung in weiten Teilen grundsätzlich von der eines Films verschieden sein. Ebenso durch das, was das Theater gegenüber dem Film auszeichnet und beide Gattungen unvereinbar erschienen lässt: Den echten und unmittelbaren Darsteller-Publikum-Kontakt, die Einmaligkeit des Geschehens sowie die Gleichzeitigkeit von körperlicher Präsenz der Spieler und dargestellter Fiktion im selben Raum.