Wer inszeniert, die montiert, die wählt Zeuginnen-Aussagen oder Textausschnitte aus. Lässt auftreten, verstummen, verteidigen oder anklagen. Richtet das Licht, oder lässt den Vorhang im entscheidenden Moment hinunter. Wer inszeniert hat Macht.
Ich nutze mit ROT ODER TOT diesen Macht-Moment aus, indem ich Spielerinnen auf die Bühne stelle, die von einer anderen DDR Vergangenheit zeugen, als sie weithin postuliert wird. Schon immer war die Frage nach der Zeugin eine zwiespältige, denn es stellt sich die Frage, woher kommt die Zeugin, wer hat sie ausgewählt, welcher politischen Partei steht sie nahe, welchen Glaubenssätzen, welchem Wertesystem und welchen Überzeugungen. Was will die Zeugin selbst mit ihren Aussagen bewirken? Diese Fragwürdigkeit hat nach einem Jahrhundert, in dem die Definition von Wahrheit neu gestellt werden musste, nun dazu geführt, dass die Evidenz von Wahrheit ganz auf dem Spiel steht.
Da jede Zeugin fragwürdig ist, lässt sich scheinbar nun alles behaupten. Das passiert auf der politischen Bühne, in der Öffentlichkeit, online und auf dem Theater. Ein jüngeres Beispiel ist die Affäre des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL. Die Wochenzeitschrift musste feststellen, dass einer ihrer Journalisten zahlreiche Reportagen und Interviews gefälscht, aufgehübscht und zum Teil erfunden hat; so auch ein Interview mit der letzten Überlebenden der Weißen Rose Traute Lafrenz. Auch wenn dieser Fall nun aufgeklärt wurde, so kommt diese Art von Geschichtsfälschung immer wieder vor und führt zu einer Geschichtsverschiebung. Das Erzählte ersetzt das Geschehene. Die eigentliche Vergangenheit wird durch die neue, geschönte, spektakulärere, mitreißendere, zur jetzigen Erinnerungspolitik passenderen, ersetzt. Auch in unseren Köpfen.