Mit dem Ende von Frank Castorfs Intendanz an der Volksbühne, geht die Ära einer Ursprungsstätte eines Theater- und Schauspielstils zuende, der — geprägt durch Regisseure wie Frank Castorf, René Pollesch, Christoph Schlingensief und Christoph Marthaler — ein wichtiger Impulsgeber für den gesamten deutschsprachigen Raum war. In seiner ganzen Konsequenz war dieser Spielstil nur dort zu erleben, was bleibt sind Spiegelungen und Übernahmen von Manierismen, die sich in unsere Vorstellung von “modernem Theater” hineingetragen haben.
Die Volksbühne und vor allem der Schauspielstil bei René Pollesch war für mich immer ein Fixpunkt, der sicherlich auch meine Rezeption von anderen Theateraufführungen beeinflusste. Wenn ich dort Anleihen an den Volksbühnenstil sah, fragte ich mich oft, ob dies nur aus einer ästhetischen oder aus einer inhaltlichen Motivation entsprungen sei und welches Theaterdogma dem konkret zugrunde liegen würde, das dieses Spiel hervorruft. Anknüpfend an diese Thematik steht für mich als Ausgangspunkt dieser Arbeit die Frage: Was macht für mich einen Volksbühnen-Schauspieler überhaupt aus?
Was ich darunter verstehe ist eine Spielweise, die sich zwar hochenergetisch am Text und den verhandelten Themen abarbeitet, die Schauspieler aber dennoch mit einer gewissen Lässigkeit agieren lässt. Einer spielweise, in denen Figuren zwar sichtbar sind, aber nicht im klassischen Sinne, sondern vielmehr in der Art einer Bühnen-Schauspielerpersönlichkeit, die sich in einer künstlichen Form der Natürlichkeit inszeniert, die Affekte stilisiert einsetzt, allerdings nicht in Form eines Einfühlens, sondern wie mit einer kritischen Distanz, die auf der Textebene oder in der Art der Interaktion mit den Mitspielern wiederum reflektiert wird.