Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen einer bestimmten Subkultur, tritt seit einigen Jahren ein globales Modephänomen auf: sogenannte Bootleg Fashion (deutsch Schmuggelware) hat sich vom fashion no-go zum Trend und augenzwinkernden Mittelfinger an milliardenschwere Luxus Modelabels wie Gucci, Prada oder Chanel, entwickelt. Dabei werden bevorzugt offensichtliche Kopien der preisintensiven Produkte, zur Schau getragen. Das berüchtigte Modemagazin Vogue berichtet von einer wachsenden Angst großer Labels, aufgrund der neuerlichen Aufwertung der gefälschten Teile. Die medial gesteuerte Verbreitung kommuniziert schnell und global. Längst zeigen sich einflussreiche Mode Blogger*innen, Influencer* innen und Stars mit grob aufgedruckten Prada-Logos und gefakten Chanel-Taschen. Einige Labels reagierten bereits auf den Seitenhieb, wie das Label Gucci beispielsweise, dass jetzt selbst mit einem groben GUCCY-Schriftzug auf einem einfachen Shirt, auf den Markt geht.
Fragt man (ob das Internet oder Freunde und Bekannte) nach ‚Ironie’, erhält man Auskunft über ein Phänomen, welches diverse Bereiche, Ebenen und Wirkungsradien zu umfassen scheint. Von „Ironie? Ganz furchtbar, kann ich gar nicht leiden“, (begleitet mit einem Augenzwinkern) was man mit sogenannter ‚verbaler Alltagsironie’ beschreiben könnte, lässt sie sich von der Linguistik und Rhetorik über Mode, Werbung, Film, Theater, bildender Kunst, Geschichte, Methode in politischer Protestkultur, Internetphänomene wie MEMEs, subkultureller oder kultureller Praktik wie in der Hipster-, Camp- oder Trash-bewegung, bis in die tiefen Eingeweide grundskeptischer philosophischer Strömungen, von Sokrates über Schlegel bis Rorty, verfolgen.
Laut Anfangsbeispiel, indem das stolze Tragen von gefälschten Produkten eine gewisse ironische Aufwertung bedeutet, kann Ironie als Praktik oder Geste gelesen werden, die subversive Qualitäten birgt. Denn Ironie bezieht sich immer auf vorherrschende Regeln, Normen, gesellschaftliche und kulturelle Codes, Mythen, Mainstream oder Sehgewohnheiten. In der bildenden Kunst entwickelte Ironie zeitweise das Potential Paradigmenwechsel einzuleiten und neue Strömungen hervor zu bringen.
Das Beispiel verdeutlicht darüber hinaus, das Ironie einen verbindenden, solidarischen Charakter haben kann. Die spezifische Umkehrung oder polyseme Bedeutungserweiterung einer an der Oberfläche liegenden Aussage oder Erscheinung, ist dabei oft nicht nur zur reinen Belustigung und Vergegenwärtigung gruppenspezifischer Codes gedacht, sondern kann für eine Geisteshaltung stehen. Für eine Absage an moralische, gesellschaftliche und kulturelle Eindimensionalität und dem vorherrschenden Konzepten von Vernunft und Wahrheit.
Dem Gegenüber stehen scharfe Kritiker von Ironie auf allen Ebenen. Genervte Rezipient*innen der verbalen Alltagsironie und entschlossene Gegner ironischer Ästhetik, finden sich im Laufe der Geschichte, bis heute. Vor allem in der Kunst wird Ironie häufig mit Substanzlosigkeit oder einem „den wirklichen Problemen aus dem Weg gehen“ gleich gesetzt und zum Teil schlichtweg nicht verstanden.
Diesen polarisierenden Auswirkungen ironischer Kunstpraktik bin ich häufig in meiner Theaterarbeit ausgesetzt und sie bilden die Motivation für diese Arbeit. Als Kollektiv, in dem wir mit sich überschneidenden Kompetenzbereichen arbeiten, war ich bereits bei vielen Produktionen, für eine ironische Kommunikation auf Sprach und Bildebene, welcher wir uns als Theaterkollektiv häufig bedienen, mitverantwortlich. Dies geschieht oft nicht auf konzeptueller Grundlage oder als bewusste Strategie, sondern entsteht aus Lust daran und einem Flirt oder gern gesehenen Zuordnung zu der von mir beschriebenen Geisteshaltung.