Dass sich ein Schauspieler in einer Theatervorstellung in seiner ganzen Blösse zeigt, ist längst
nichts Aussergewöhnliches mehr. Ob in einer Performance-Gruppe, im Stadttheater oder auf einer
Provinzbühne, im ganzen deutschsprachigen Raum gibt es Produktionen, in denen inszenierte
Nacktheit vorkommt. Nicht selten finde ich mich jedoch nach einem Theaterbesuch in einem Gespräch
wieder, in dem ein Zuschauer konstatiert: „Der war doch wieder nur um des Skandals Willen
nackt.“
Erst am 15. August 2014 schrieb das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) über Olivier Dubois‘
Choreographie, die am Zürcher Theaterspektakel zur Aufführung kam: „Nicht berauschend, aber
ohne Kleider [...] Ob jemand über «Tragédie» von Olivier Dubois reden würde, wenn er sein Ensemble
nicht nackt tanzen lassen würde?“
Ein Klassiker unter den Kommentaren nach einer nackten Theaterdarbietung ist meiner Erfahrung
nach auch: „Die Nacktheit wäre nicht nötig gewesen.“ Nötig - über diese Formulierung stolpere ich
jedes Mal - was bedeutet „nötig“ im Zusammenhang mit Nacktheit? Wann ist im Theater etwas nötig?
Wenn es politisch ist? Oder gesellschaftskritisch? Für wen muss es nötig sein? Reicht Ästhetik
nicht aus als Grund für einen nackten Körper auf der Bühne? Oder gar Erotik? Ist jeder nackte Körper
auf der Bühne unweigerlich gesellschaftskritisch?
Etwas gilt als unnötig wenn es „keinerlei Nutzen oder Vorteil bringend“ ist. Im Bezug auf das Theater
stellt sich da meiner Ansicht nach ein Widerspruch her: Denn gerade in der Kunst soll es nicht
um Profit gehen, es muss nicht jede Handlung oder Entscheidung erklärbar sein.