Die Idee, kompositorische Figuren in dramaturgische Prozesse einfliessen zu lassen, hat zeitgleich mit meiner Bewerbung für den Master in Dramaturgie an der Zürcher Hochschule der Künste begonnen. Jedoch
kann ich nicht behaupten, dass es eine aktive Entscheidung war, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt getroffen hätte, viel eher hat sich dies in mein Schaffen über die Jahre ausgewirkt. In vielen Gesprächen die
ich hatte, neben der praktischen Arbeit oder dem Sitzen in Seminaren, war ich immer wieder dazu gezwungen, mein Schaffen zu beschreiben und die Verbindung meines Masterstudiums zu meinem Bachelor
in Zeitgenössischer Komposition zu reflektieren.
Die einfache Beschreibung ist, dass ich während meinem Bachelor viel Theatermusik gemacht habe. Dabei habe ich gemerkt, dass Musiker:innen oft erst sehr spät in Prozessen zugezogen werden. Da sagt dann
die Regie «wir haben eine traurige Szene, könntest du eine traurige Musik machen?» und das geht dann natürlich auch. Auch wenn diese Situation allenfalls etwas überspitzt dargestellt ist, kann ich mit Sicherheit
sagen, dass mich dieser Aspekt der Arbeit weniger interessiert. Ich möchte versuchen, das Theater als kollektiven Prozess zu denken und die Musik von Anfang an miteinzubeziehen.
Der Master in Dramaturgie hat mir diesbezüglich sehr viel ermöglicht, weil ich als Dramaturg oft von Beginn einer Denkarbeit in einem Prozess dabei sein kann. Oftmals habe ich die Möglichkeit mit Regisseur:innen die Doppelrolle als Musiker/Dramaturg zu besetzen und dann in die Musik schon in die Konzeption einfliessen zu lassen, statt nur Szenen zu untermalen. Und das sehe ich mittlerweile, nach sieben Jahren an der ZHdK als den Beitrag, den ich in einem Theaterprozess beisteuern kann.
Im November 2020 konnte ich im Rahmen des Studiums meine erste Arbeit als Dramaturg tätigen. Dies war im Rahmen der Level-3-Abschlussprojekte des Bachelors Theater, in dem ich zusammen mit dem
Regisseur und guten Freund Leonardo Raab, sowie zwei Bühnenbildner:innen und fünf Schauspieler:innen eine Inszenierung von Shakespeares Der Sturm auf die Beine stellen konnte. Bereits in der Konzeptionsphase war es mir sehr wichtig zu formulieren, dass ich nicht auch in eine Musiker-Rolle fallen möchte, sondern rein dramaturgisch tätig sein wolle. Ich hatte den Wunsch, einfach Theater machen zu können.
Dementsprechend haben wir entschieden, keine (bzw. ehrlicherweise kaum) Musik in der Inszenierung zu verwenden. Im Feedback zu dem Abend wurde jedoch von vielen Seiten betont, dass unser Sturm sehr
musikalisch sei, man bemerke, dass ich aus der Musik komme. Das hat mich überrascht, jedoch ist mir im Nachhinein sehr klar weshalb und auch, welche Entscheidungen von uns dazu geführt haben, dass dieser
Abend als musikalisch angesehen wurde.
Das ist für mich die Ausgangslage. Musik besteht nicht nur aus Noten und Pausen und Instrumenten und Musiker:innen. Und das meine ich nicht in einem Cage/Adorno-Sinne1, sondern ganz pragmatisch, dass
Musik und Theater beides Kunstformen der Zeit sind und dementsprechend Gemeinsamkeiten in ihrer Ausgestaltung haben können. Es hat sich im Theater etabliert, dass dies generell als Rhythmus bezeichnet
wird, ich bin mir jedoch nicht ganz sicher, wie passend dieser Begriff überhaupt sein kann, da er in der Musik nur einen sehr kleinen Aspekt der Ausgestaltung beschreibt. Die folgende Thesis ist ein Versuch, diese
Gedankenströme ineinander zu verweben und miteinander zu denken.