1 Vorwort
Das Ideal der Perfektion erinnert mich an das Bild des Esels mit der hochgehaltenen Karotte
über seinem Kopf. Die Karotte steht für die Vollkommenheit und das Ende des mühevollen
Suchens. Der Esel bemüht sich, aber es wird ihm niemals gelingen sie zu erreichen.
In meinem Theaterschaffen war mir das zielgerichtete Arbeiten auf die Perfektion hin
wesentlich hinderlicher, als dass es mich motivierte oder mir half. Mein verinnerlichter
Anspruch an Perfektion kreierte Erfolgsdruck und hohe Erwartungen, die oft zu
Enttäuschungen führten. Das Ideal der Perfektion raubte mir die verspielte Leichtigkeit beim
Improvisieren und engte mein Denken ein. Alle meine verschiedenen Arbeiten entstanden im
Ringen mit diesen Ansprüchen und ich musste mir die Wertschätzung des Nicht-perfekten
innerlich immer wieder abringen. Wenn mir das gelang, hatte ich jeweils den befreienden
und beglückenden Eindruck, dass ich einen Teil meiner Lebendigkeit zurückgewonnen hatte.
Dieses Ringen um einen freieren Denk- und Handlungsspielraum war und ist meine
grundlegende Motivation, mich mit dem Theaterspielen und der Theaterpädagogik
professionell auseinanderzusetzen.