Theaterspielen wirkt. Viel und oft. Wuchtig und subtil. Mal erwünscht, teils auch nicht. Aber wie genau wirkt es? Mir fehlt ein Wort. Kann das überhaupt eingefangen werden?
Vorliegende Arbeit ist ein Versuch, genau das zu tun. Folgende Fragen haben sich im Laufe meiner Untersuchungen präzisiert und dienen meiner Arbeit als Gerüst, Leitfaden und Brille:
1. Welche Potenziale hinsichtlich «ästhetischer Erfahrung» weist eine ortsspezifische Theaterarbeit für eine Schulklasse auf?
2. Welche Erfahrungsprozesse hinsichtlich «Bündnissen» können sich aus einer ortsspezifischen Theaterarbeit für eine Schulklasse ergeben?
Im Fokus meiner Fragen stehen die Kinder der 6. Klasse, die ich im Fahrwerk Ö begleiten durfte. Ihre subjektive Sicht ist es, die diese Untersuchung antreibt. Theoretische Überlegungen zu Wirkungspotenzialen und sozialen Themen des Theaters gibt es viele.3 Eher noch jung sind Publikationen, die ortsspezifische Theaterarbeit fokussieren. Aber wie verhält es sich, wenn diese Komponenten zusammenkommen und dabei Schüler:innen zu Wort kommen? Wie schildern sie das Erlebte?
Während im Multikulturalitätskonzept die Grenze zwischen den einzelnen Kulturen bestehen bleibt, wird sie im Interkulturalitätskonzept zugunsten einer Interaktion aufgelöst. Im Transkulturalitätskonzept wird davon gesprochen, dass die Grenze zwischen den Kulturen ebenso aufgelöst wird, indem ein neuer kultureller Raum jenseits spezifischer Kulturen etabliert wird.
Wieso stammen die Menschen, die ins Theater gehen, oder im Theater arbeiten, meistens aus einem eurozentristisch geprägten, privilegierten und kulturellen Umfeld?
Mit dieser Frage entstand im Verlaufe des Studiums die Leitfrage ‘Warum kommen Jugendliche aus Osteuropa und Asien in der Schweiz weniger mit Kunstformaten wie z.B. Theater in Berührung? ’
Wie kann die kulturelle Teilhabe an der Kunstform Theater gefördert werden?
Anfänglich nahm ich die Hochschule als eine Institution wahr, die eher einer flachen Hierarchie folgt. Geprägt von Autoritäten in der Schulzeit war dies für mich eine neue und tolle Erfahrung, Dozent*innen anders begegnen zu können. Beinahe kollegial, bemüht und interessiert daran, mich als Studentin zu unterstützen. Nur waren deswegen die Machtverhältnisse im Bezug zu Wissen weniger präsent? Auch wenn im Vergleich zur Schule die Form des Lernens vermehrt über die eigene Erfahrungen stattfand, anstelle zum Beispiel durch Vorträge oder Frontalunterricht, war es auch hier unter anderem die Verfügbarkeit von Wissen, die Machtverhältnisse zwischen Menschen verstärken konnte.
Wie finde ich im Tun einen Umgang mit Wissensmacht-Verhältnissen? Im Wissen darum, dass Wissensmacht strukturell verankert, komplex und vielschichtig ist, ist es nicht möglich sie grundlegend auszuhebeln. Macht zeigt sich in so vielen Formen und auf unterschiedlichen Ebenen, in dem das Beziehungsverhältnis zwischen Theaterpädagogin und Schüler*innen lediglich ein kleines Feld ist, sich aber in der vorliegenden Arbeit dafür anbietet diese spezifische Form von Macht näher zu untersuchen. Dabei war es mir ein Anliegen, die Wissensmacht situativ (in einer Hilfssituation) in der Praxis anzugehen.
Theater und Schule sind bereits zwei miteinander verknüpfte Elemente. Anders als an Hochschulen in der Schweiz oder in Deutschland, ist das Theater in der Primarschule und im Kindergarten zwar kein eigenes Schulfach, jedoch kommen die meisten Kinder in irgendeiner Form damit in Verbindung. Zum Beispiel durch einen Theaterbesuch in der Parallelklasse oder in einem professionellen Theater. Vielleicht aber auch durch das Spielen von Theater im Unterricht bis hin zum eigenen Theaterstück, das mit der Klasse aufgeführt wird. Gemäss diversen Erzählungen war dies für viele einer der Höhepunkte der eigenen Schulzeit. Ein grosses Projekt, wir auf der Bühne, alle Augen auf uns gerichtet.
Wie können sinnliche Wahrnehmungen und Erfahrungen, die beim Sehen von Theater gemacht werden, im Schulunterricht aufgegriffen, reflektiert und in eine Produktion gebracht werden, so dass ein Bildungsprozess in Gang gebracht und weiter gefördert wird?
In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, ein mir bekanntes Format mit einer mir bekannten Form zu untersuchen. Dabei hoffe ich, fremde und unbekannte Prozesse und Zugänge aufzuzeigen. Als angehender Theaterpädagoge ermögliche ich für meine Spieler*innen einen Zugang zum Fremden. Dies kann wiederum im besten Fall zu einer "fruchtbaren Irritation" führen. Deshalb werde ich in dieser Arbeit ein von mir angedachtes Szenario auf sein "fruchtbares Irritationspotential" hin untersuchen. In Gedanken bin ich zurückgereist in meine eigene Schulzeit. Dabei habe ich festgestellt, dass ich das Theater damals wohl angetroffen und auch im Schultheater mitgemacht habe, dies jedoch immer in der Form eines klaren Spiels geschah, das mir bereits bekannt war. Wie gerne hätte ich mich mit verschiedensten politischen und historischen Inhalten über eine spielende Art und Weise vertieft auseinandergesetzt.
Inwiefern ermöglicht ein Reenactment des Formats politische Talkshow transformatorische politische Bildungsprozesse?
Ästhetische Bildung lässt sich nicht an einem fertigen Produkt von Wissen messen, sondern ist vielmehr ein Generieren von Erfahrungen, hinter welchem kein Leistungsgedanke steht, sondern ein Zustand der Beweglichkeit. Es ist ein Wissen, welches sich über die Konstruktion des eigenen und persönlichen Bedeutungsempfinden definiert und sich im
Zusammentreffen mit «Welt» ständig weiterentwickeln und umformen und somit
Sinnhaftigkeit akkumuliert kann. Dieses Prinzip in eine theaterpädagogische Praxis einfliessen zu lassen,
eröffnet neue Möglichkeiten im konkreten und abstrakten Umgang mit der Idee der
Vermittlung.
In der folgenden Arbeit möchte ich darum untersuchen, wie eine Vermittlung stattfinden kann, ohne eine direkte Lenkung des Publikums anzustreben. Beabsichtigt wird eine freie Bewegung innerhalb eines dennoch festgelegten Rahmens, welcher sich theatralen Mitteln bedient und zeitlich und lokal begrenzt ist.