In dieser Arbeit soll ein Gedanke zum künstlerischen Umgang mit dramatischen Texten vorgestellt werden, der im Rahmen der praktischen Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Drama «Das Gelübde» von Dominik Busch entstanden ist. Entlang einer systematischen Rekonstruktion, Überarbeitung und Analyse soll dieser Gedanke im Rahmen der Arbeit zu einem Verfahren weiterentwickelt werden. Die Auseinandersetzung mit diesem Verfahren nimmt hier seinen Anfang und ist in keinem Fall als Lösungsvorschlag für die Frage nach einem zeitgenössischen Umgang mit dramatischen Texten zu lesen, kann aber durchaus als Experiment verstanden werden, das es zu analysieren, praktisch umzusetzen und immer wieder zu hinterfragen gilt.
Es gibt die Position im zeitgenössischen Theater, Brecht wäre eigentlich nur noch historisch aufführbar. Auch wenn ich tendenziell selbst gegen Aktualisierung von Klassikern auf Biegen und Brechen bin, würde ich hier widersprechen. Und doch kann man aus dieser kritischen Perspektive auch Gewinn ziehen. So interessieren mich in meiner Arbeit an diesen Konzepten oft das Historische, das Gewesene und ihre daraus resultierende Magie. Das Konzept des Modellbuchs gehört zu den Versuchen der Nachkriegsjahre, Theater neu zu denken. Es ist eng verbunden mit seiner Zeit und entsteht aus einer Notlage, wie später anhand des Vorworts des Antigonemodells genauer erläutert wird.
In diesem Sinne soll sich meine Arbeit mit dem von Bertolt Brecht in Versuchen dargelegten Projekt des Modellbuchs anhand seiner Bearbeitung der Antigone und ihrer Anwendung beziehungsweise Unabwendbarkeit für das Theater heute beschäftigen.
Es gibt wohl niemanden, der oder die nicht zumindest eine gewisse „Spiel-Erfahrung“ besitzt oder das Spielen in irgendeiner Art und Weise bereits erlebt hat. Jeder und Jede von uns kann mit diesem Begriff etwas anfangen, hat Gefühle, Bilder, Situationen im Kopf, die er oder sie sehr konkret damit verbindet. Es ist eine Erfahrung, mit der wir aufwachsen, die uns prägt, eine, in der wir so viele Dinge lernen: sozialer, motorischer oder kognitiver Natur. Diesem Gehalt des Spiels sind wir uns sehr wohl bewusst. Dennoch gehen wir als Erwachsene rasch dazu über, dem „Spielen“, insbesondere dem zweckfreien, eine kindliche Eigenschaft zuzuschreiben, es als unproduktiv und überflüssig zu charakterisieren, und sogar als „unernst“ betitelt gleich neben dem „Unsinn“ zu parken und damit als niederen kulturellen Gegenstand anzusehen, der höchstens den Zweck hat, die Langeweile zu verscheuchen.
Doch tun wir dem Spiel damit nicht unrecht?
Ich beschreibe das Theaterstück "Haarmann", und die Gewalt, die in dem Stück dargestellt wird. Niemand möchte gerne Opfer von Gewalt werden, aber trotzdem gibt es eine Lust Gewalt anzuschauen. Für mich ist es ein Widerspruch, aber es wirft sich mir schon die Frage auf: Woher kommt die Lust, sich Gewalt anzuschauen, zu beobachten?
Einige Überlegungen von George Bataille liefern Antworten. Was ich in der Thesis untersuchen möchte: Inwiefern gibt es Paralellen zu Batailles Gedanken, und welche Konsequenzen haben diese Paralellen für eine Inszenierung, die diese Gedanken sinnlich erfahrbar machen möchte? Kann die Inszenierung von "Haarmann" eine praktische Erfahrung von Batailles Philsophie sein?
Mit der vorliegenden Thesis hoffe ich, Reflexionen über künstlerische Entscheidungen für meine Inszenierung "Strandzha" wiederzugeben. Dabei soll den Leserinnen offengelegt werden, welchen Zugriff ich als Regisseurin gewählt habe, um die eigens gemachten Erfahrung in den Strandzha- Wäldern zu übersetzen und darin das dokumentarische Material einzubetten. Ich hoffe darüber Auskunft geben zu können, welche Verfahren, Methoden und Mittel für die Umsetzung des Konzepts funktioniert haben. Immer wieder werde ich daher auch auf mögliche Alternativen bei der Umsetzung eingehen und einen Ausblick auf eine mögliche Weiterführung der Arbeit geben.