Häufig wird im Theater davon gesprochen, dass Theater wäre altmodisch und könnte mit der digitalisierenden Welt nicht mehr mitkommen. Es würden immer weniger Menschen am Theater interessiert sein, weil die Alternativen; das Kino, Netflix und andere On-Demand- Services leichter zu erreichen und zeitgemäßer wären. Ivan Nagel behauptet in einem Interview mit der Zeitung “Die Welt” sogar das Folgende: “Die virtuelle Welt von ferngesteuerten Bildern, Tönen breitet sich aus. Sie verdrängt die reale Welt unserer Nöte und Erfüllungen.” Ob das Theater tatsächlich einen Konkurrent hat an den neuen Medien, soll diese Arbeit untersuchen.
Unter dem Begriff „Neue Medien“ verstehen wir primär elektronische Geräte, wie Computer, Smartphones und Tablets, die dem Benutzer Zugang zum Internet erlauben und hiermit eine Interaktivität ermöglichen. Neue Medien haben einen großen Einfluss auf die unterschiedlichsten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Durch die Möglichkeit Informationen rasend schnell aus zu tauschen beeinflussen sie unter anderem die Wirtschaft, den Wissenschaftsbetrieb, die Kunst und die Freizeitgestaltung. Auch diese Master Arbeit hätte nicht geschrieben werden können, ohne die Möglichkeiten, die die Neuen Medien als Informationsquelle bieten. Der Einfluss der Neuen Medien wird als so groß angesehen, dass von einer Weltweiten Digitalen Revolution gesprochen wird, die soviel Einfluss auf die Gesellschaft haben soll, wie die industrielle Revolution vor zwei Jahrhunderten. Es wäre also sehr bemerkenswert, wenn die Neuen Medien keinen Einfluss auf das Deutsche Theaterklima hätten. Da die digitale Welt, die mit den Neuen Medien zu erreichen ist, fast genau so groß ist, wie die reale Welt, ist es wichtig spezifizieren in welcher Hinsicht das Theater mit den Neuen Medien zu tun hat. Wenn die Neuen Medien mit Theater in Verbindung gebracht werden, dann bezieht sich in erster Linie auf Medien die On-Demand, also auf Abruf, Spiel-und Dokumentarfilme zur Verfügung stellen, wie Netflix, Amazone Prime, Maxdome oder Watchever. Diese Medien bieten ihrem Publikum für einen festen Betrag im Monat zu jeder Tageszeit, eine Auswahl aus tausenden Filme, und Serien. Da diese Plattformen sich auf dem Gebiet der Narrativen bewegen, und sehr leicht zugänglich sind, ist die Verbindung mit dem Theater leicht gelegt. Warum würde man sich von der Couch bewegen, und Geld bezahlen, um eine Vorstellung im Theater anzuschauen, wenn man Zuhause aus tausenden Filme
wählen kann, und genau das schauen kann, worauf man gerade Lust hat? Auch andere Neue Medien können mit Theater in Verbindung gebracht werden. Die Sozialen Medien, wie Facebook, Snapchat, Instagram und Twitter haben ein sehr weites Einflussfeld, da sie sich an den sozialen Kontakt zwischen Menschen richten. Die Online-Plattformen werden da durch gekennzeichnet, dass die Benutzer der Plattform meist ohne Einfluss professioneller Redakteure die Inhalte der Plattform selber gestalten. Hauptsache ist dabei die Interaktion und der Dialog zwischen den Nutzern. Diese Soziale Medien formen nicht die meist offensichtliche Konkurrenz zum Theater, da sie sich nicht in erster Linie auf dem Markt der professionellen Narrative bewegen. Trotzdem gehen die Sozialen Medien immer mehr in diese Richtung. ‘Influencer’ haben oft so viele ‘Follower’, wie berühmte Schauspieler Fans haben. Und die so genanten Stories Instagram(u.a), erzählen kurze Geschichten und sind damit eine Form der Erzählung.
»Dieser Erfinder [Antonin Artaud] eines Theater der Grausamkeit verlangte vom Schauspieler, er solle wie ein Märtyrer lebendig verbrannt werden.«
Mit diesem Zitat aus einem Spiegel Artikel über Jerzy Grotowski und Antonin Artaud, mit dem ich auch 2017 meine Bachelor Thesis beendet habe, möchte ich nun meine Master Thesis eröffnen.
Ich frage mich, welche Formen von »verbrennen« und »Aufopferung des Spielers« - kurz: welche echte substanzielle Anteilnahme des Spielers am Spielvorgang in der heutigen Landschaft von Theater und den performativen Künsten existiert, welche verschiedene Spielweisen einen substanziellen Vorgang provozieren und wieso es sich lohnt substanzielle Vorgänge in der Kunst zu etablieren.
Ein substanzieller Vorgang beschreibt für mich eine Handlung, einen Akt, der über den theatralen dramatisch-fiktiven Rahmen hinaus eine Auswirkung und eine Konsequenz auf den Spieler und auf das Weltgeschehen hat.
So gibt es als einfaches Beispiel den Vorgang des Essens und des Rauchens in einer Inszenierung – sichtlich ist der Körper mit echtem Rauch oder echtem Essen beschäftigt. Auch wenn der Körper des Schauspielers physisch strapaziert wird, schwitzt, aus einer Höhe auf Weichmatten fällt, oder der Spieler kopfüber einen Monolog spricht, wäre diese Form des Vorgangs, mit ihrer echten Konsequenz, ein Substanzieller.
Die Substanz des Spielers wird bewegt, und diese Bewegung führt zu einem Mehrwert, einer Semiotik in der dramatischen Handlung oder im performativen Akt.
Ich werde mich in meiner Master-Thesis mit meiner eigenen schauspielerischen Arbeit auseinandersetzen. In meinen letzten Arbeiten ist mir oft die Frage begegnet ob das, was ich auf der Bühne tue, Schauspiel ist oder Performance. Spiele ich oder performe ich? Ich selbst bezeichne mich bisher in jeder Arbeit auf der Bühne als Schauspieler, was aber von der Außenwahrnehmung (Publikum, Kolleg*innen, Dozierende) häufig in Frage gestellt wird. Bestimmt spiele ich immer auf der Bühne – auch wenn es manchmal nicht so aussieht und ich behaupte, eigene Gedanken, Texte, Handlungen zu performen. Oder?
Nach einer Vorstellung von SOMMERGÄSTE nach Maxim Gorki (10. Juni 2018, Körber Studio Junge Regie, Thalia Gaußstraße, Hamburg, Regie: Timon Jansen) in der ich die Rolle des Sergej Basov übernommen hatte, kam die Regisseurin Julia Hölscher zu mir, beglückwünschte mich zu meiner Arbeit und fragte, ob ich denn generell nur meine eigenen Sachen machen und als Performer arbeiten würde oder ob ich mir auch vorstellen könnte, als Schauspieler an einem Haus zu arbeiten. Nachdem ich mich erst über das Kompliment gefreut hatte, dachte ich später darüber nach, was sie eigentlich gesagt hatte. Nämlich, dass ich in ihren Augen in dieser Vorstellung nicht eine Rolle gespielt, sondern mich selbst performt hätte. Dieser Auffassung würde ich widersprechen und trotzdem denke ich, dass es gewisse Überschneidungen gibt.
Wo liegt die Grenze? Wollen manche Theatermacher*innen nicht mehr mit Schauspieler*innen, sondern nur noch mit Performer*innen arbeiten? Ist ein*e ausgebildete*r Schauspieler*in für die Performancekunst für immer verloren? Oder bin ich als Schauspieler nicht sogar der bessere Performer?
Unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen einer bestimmten Subkultur, tritt seit einigen Jahren ein globales Modephänomen auf: sogenannte Bootleg Fashion (deutsch Schmuggelware) hat sich vom fashion no-go zum Trend und augenzwinkernden Mittelfinger an milliardenschwere Luxus Modelabels wie Gucci, Prada oder Chanel, entwickelt. Dabei werden bevorzugt offensichtliche Kopien der preisintensiven Produkte, zur Schau getragen. Das berüchtigte Modemagazin Vogue berichtet von einer wachsenden Angst großer Labels, aufgrund der neuerlichen Aufwertung der gefälschten Teile. Die medial gesteuerte Verbreitung kommuniziert schnell und global. Längst zeigen sich einflussreiche Mode Blogger*innen, Influencer* innen und Stars mit grob aufgedruckten Prada-Logos und gefakten Chanel-Taschen. Einige Labels reagierten bereits auf den Seitenhieb, wie das Label Gucci beispielsweise, dass jetzt selbst mit einem groben GUCCY-Schriftzug auf einem einfachen Shirt, auf den Markt geht.
Fragt man (ob das Internet oder Freunde und Bekannte) nach ‚Ironie’, erhält man Auskunft über ein Phänomen, welches diverse Bereiche, Ebenen und Wirkungsradien zu umfassen scheint. Von „Ironie? Ganz furchtbar, kann ich gar nicht leiden“, (begleitet mit einem Augenzwinkern) was man mit sogenannter ‚verbaler Alltagsironie’ beschreiben könnte, lässt sie sich von der Linguistik und Rhetorik über Mode, Werbung, Film, Theater, bildender Kunst, Geschichte, Methode in politischer Protestkultur, Internetphänomene wie MEMEs, subkultureller oder kultureller Praktik wie in der Hipster-, Camp- oder Trash-bewegung, bis in die tiefen Eingeweide grundskeptischer philosophischer Strömungen, von Sokrates über Schlegel bis Rorty, verfolgen.
Laut Anfangsbeispiel, indem das stolze Tragen von gefälschten Produkten eine gewisse ironische Aufwertung bedeutet, kann Ironie als Praktik oder Geste gelesen werden, die subversive Qualitäten birgt. Denn Ironie bezieht sich immer auf vorherrschende Regeln, Normen, gesellschaftliche und kulturelle Codes, Mythen, Mainstream oder Sehgewohnheiten. In der bildenden Kunst entwickelte Ironie zeitweise das Potential Paradigmenwechsel einzuleiten und neue Strömungen hervor zu bringen.
Das Beispiel verdeutlicht darüber hinaus, das Ironie einen verbindenden, solidarischen Charakter haben kann. Die spezifische Umkehrung oder polyseme Bedeutungserweiterung einer an der Oberfläche liegenden Aussage oder Erscheinung, ist dabei oft nicht nur zur reinen Belustigung und Vergegenwärtigung gruppenspezifischer Codes gedacht, sondern kann für eine Geisteshaltung stehen. Für eine Absage an moralische, gesellschaftliche und kulturelle Eindimensionalität und dem vorherrschenden Konzepten von Vernunft und Wahrheit.
Dem Gegenüber stehen scharfe Kritiker von Ironie auf allen Ebenen. Genervte Rezipient*innen der verbalen Alltagsironie und entschlossene Gegner ironischer Ästhetik, finden sich im Laufe der Geschichte, bis heute. Vor allem in der Kunst wird Ironie häufig mit Substanzlosigkeit oder einem „den wirklichen Problemen aus dem Weg gehen“ gleich gesetzt und zum Teil schlichtweg nicht verstanden.
Diesen polarisierenden Auswirkungen ironischer Kunstpraktik bin ich häufig in meiner Theaterarbeit ausgesetzt und sie bilden die Motivation für diese Arbeit. Als Kollektiv, in dem wir mit sich überschneidenden Kompetenzbereichen arbeiten, war ich bereits bei vielen Produktionen, für eine ironische Kommunikation auf Sprach und Bildebene, welcher wir uns als Theaterkollektiv häufig bedienen, mitverantwortlich. Dies geschieht oft nicht auf konzeptueller Grundlage oder als bewusste Strategie, sondern entsteht aus Lust daran und einem Flirt oder gern gesehenen Zuordnung zu der von mir beschriebenen Geisteshaltung.
Ausgehend von einem Interview mit den beiden Schweizer Schauspielerinnen Sabine Timoteo und Doro Müggeler über die Lust am Spiel, über Vertrauen und Machtmissbrauch am Set und wie sie gelernt haben, Nein zu sagen in der Zürcher Zeitung WOZ vom 1.3.2018, bin ich auf den Begriff „Anasyrma“, gekommen. Als Anasyrma wird die Geste bezeichnet, „mittels derer der Blick auf das weibliche Genital freigegeben wird“. Timoteo beschreibt eine kritische Situation, die sie als junge Schauspielerin auf einem Filmset erlebt hat. Sie hatte eine kleine Rolle als lesbische Frau und sollte mit ihrer Partnerin im Bett liegen. Im Drehbuch stand, die beiden Frauen seien abends im Bett am Lesen. Während des Drehs verlangte der Regisseur plötzlich von ihr, dass sie sich nackt ausziehen soll. Davon war aber davor nie die Rede gewesen. Im Wissen darüber, dass im Schweizer Fernsehen sowas nie gezeigt werden würde, „weil es dort nur Brüste zu sehen gibt, aber keine Schamhaare oder Schamlippen“, meinte Timoteo: „entweder ganz nackt oder mit T-Shirt und Unterhose“. Timoteo hatte dann „extra alles so richtig gezeigt“, hat also ihre Vulva entblösst. Die Szene konnte dann tatsächlich nicht verwendet werden, weil sie zu extrem war für das Schweizer Fernsehen. Somit hat Timoteo ihre Nacktheit, genauer genommen ihre Vulva, in diesem Moment als Statement oder als Waffe benutzt und die Situation zu ihren Gunsten umgedreht.
Anasyrma nennt sich diese Geste und sie ist als eine apotropäische Handlung, eine Abwehrhandlung, zu verstehen. Sie dient dazu, das Böse auszutreiben oder Unheil abzuwenden, Schaden fernzuhalten oder unwirksam zu machen. So finden sich in den meisten Mythologien Geschichten, in denen die Menschheit mindestens einmal durch die Zurschaustellung der Vulva gerettet wurde.6 Es gibt Überlieferungen von zahlreichen Sagen und Legenden, ebenfalls wurden über 30'000 Jahre alte figurative Vulva- Skulpturen gefunden. Das wohl berühmteste Beispiel der Anasyrma in der Moderne und gleichzeitig ein Meilenstein in der feministischen Kunst ist die Fotoserie „Genitalpanik“ von Valie Export von 1968, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit Bezug genommen wird. Heutzutage fällt auf, dass gerade in der Kunst im Zuge der #MeeToo- Debatte viele Frauen auf die Handlung der Anasyrma zurückgreifen. Auch in der Literatur wimmelt es von Vulven. So hat Mithu M. Sanyal 2017 mit ihrem Buch „Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts“ eine Kulturgeschichte der Vulva geschrieben. Oder die schwedische Künstlerin Liv Strömquist hat 2014 den Comicband „Der Ursprung der Welt“ herausgegeben. Als ich meiner Kollegin, der Performerin und Regisseurin Antje Prust davon erzählt hatte, stellte sich heraus, dass sie sich gerade zum selben Zeitpunkt mit Anasyrma beschäftigte. Sie praktizierte die Geste sogar selber in ihrer neusten Performance „A circle of cunts protects me from ghosts“ im Rahmen der Zusatzreihe „Unlearning Patriarchat“ an den Berliner Festspielen 2018 praktizierte. Dies nahm ich zum Anlass, sie zu interviewen und mehr über Anasyrma zu erfahren.
Seit September 2018 lebe und arbeite ich in Cottbus, ein von mir bisher ungekannter Landstrich in Deutschland, die Niederlausitz in Brandenburg. Ich bin dort am Staatstheater Cottbus engagiert und habe die Möglichkeit in der Kammerbühne kleinere Abende zu erarbeiten. Eine Veranstaltungsreihe ist in Planung, die neue Formate ausprobiert und auch das jüngere Publikum von Cottbus ins Theater locken soll.
Ich habe mich dafür entschieden, meinem Unwissen nachzugehen und etwas geschichtliches und emotionales in meiner nahen Umgebung zu erforschen. Da ich keine Soziologin oder Psychologin bin, sondern eher eine Zeitgenossin, wird diese Arbeit nicht den Umfang einer wissenschaftlichen Untersuchung haben. Ich schreibe diese soziologisch-methodologische Arbeit, da ich mich als Künstlerin begreife, die ihre Umwelt verstehen will und aus diesem Interesse heraus meine Kraft und Inspiration für die Kunst bekomme. Dieses Verstehen wollen wende ich auch in der Theaterarbeit auf psychologische Rollen an, ich bereichere mich mit ihrer Umwelt und ihrer Zeit, betreibe also ebenso Recherchearbeit.
Ziel dieser Recherche sollte sein, dass ich mein neues Umfeld besser verstehen kann, um das Publikum dort abzuholen, wo ihre Interessen und Themen liegen. Um damit dann einen Schritt weiter zu gehen, in einer Versammlung, was Theater schliesslich ist, einen gemeinsamen Denkraum zu schaffen. Diese Art Theater zu begreifen und Sehgewohnheiten zu verändern - die ZuschauerInnen jede*r für sich sein/ihr eigenes Stück sehen zu lassen, so dass ein offen lassen für die eigenen Projektionen generiert wird, es kein Richtig oder Falsch in der Interpretation mehr gibt, sondern lediglich das Denken angereichert werden soll - das versucht derzeit Jo Fabian als Schauspieldirektor mit seinem Dramaturgie-Team Lukas Pohlmann und Wiebke Rüter in Cottbus zu etablieren. Ich bin sehr froh, ein Teil davon zu sein und freue mich auf die nächste Spielzeit.
Für mich ist Theater immer eine zwingende Reaktion auf etwas. In einem Apparat wie dem Staatstheater Cottbus ist es unausweichlich auf die gegebenen Umstände zu reagieren, es befindet sich somit aber gleichsam in einer Zwickmühle. Soll es klar Stellung beziehen zu den rechten Aufmärschen in der eigenen Stadt und somit ebendiese Bürger explizit ausladen? Ob als Utopieraum, Reaktion oder Plattform um Menschen eine Stimme zu geben, sei es im Bürgerchor oder in anderen Formaten, einerseits müssen sich die Bürger der Stadt abgeholt und eingeladen fühlen, andererseits darf das Theater nicht zu einer moralischen Anstalt werden und sich in intellektuellen Diskursen verlieren. In meiner bisherigen Studienzeit verbrachte ich ein Jahr an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, sowie 5 Jahre im Bachelor- und Masterstudium an der Zürcher Hochschule der Künste. Ausserdem studierte ich ein halbes Jahr am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften in Giessen, wo ich neue Formen der theatralen -und philosophischen Praxis erforschen durfte. Ich hoffe nun, in meinem 1. Engagement meine bisherigen Erfahrungen mit den Gegebenheiten meiner Umwelt verbinden zu können.
Berlin, 21. Mai 2018. Nach siebzehn Tagen Podiumsdiskussionen, Workshops und zehn ausgezeichneten Inszenierungen aus Wien, Zürich, München und Berlin kommt das Theatertreffen 2018 in Berlin zum wohlverdienten Abschluss. Am letzten Tag werden noch Preise verliehen, darunter der Alfred-Kerr-Darstellerpreis. Mit diesem wird Benny Claessens für seine herausragende schauspielerische Leistung in Am Königsweg in einer Inszenierung von Falk Richter ausgezeichnet. Der Juror ist Fabian Hinrichs. 2012 wurde ihm selbst bereits der Preis verliehen, heute bestimmt er den Preisträger, überreicht den Preis und hält eine Laudatio:
„Bist Du Künstler oder arbeitest Du im Service?“ Gleich zu Beginn stellt Hinrichs diese provokant rhetorische Frage. Sie ist an alle Schauspielende gerichtet und ist ihm die „wichtigste Frage“ 2 und sollte eigentlich klar zu beantworten sein. Doch ist dies anscheinend nicht der Fall: Ich muß schon sagen, es war ziemlich anstrengend, einen jungen Alfred Kerr-Preis-würdigen Schauspieler aufzuspüren, einen jungen Künstler, einen souveränen Schauspieler, keinen Dar-Steller und Dar-Geher und Dar-Steher, einen, den auch Alfred Kerr selbst vielleicht als Persönlichkeit ausgemacht hätte, keinen, der mit den Fingern schnipst, weil ihm gesagt wurde, er solle jetzt mal schnipsen. [...] Auf meiner Suche nach dem souveränen Schauspieler mit einer Leitung nach oben begegnete mir preußischer Gehorsam, wohl als erschütterndes, durch die Generationen hindurch gewandertes Erbe des preußischen Militarismus, wackeres Soldatentum, man sah Menschen bei anstrengender Arbeit zu.