Die Nachfrage nach günstigen Beinprothesen in Kenia ist gross, doch fehlte bis anhin ein zufriedenstellendes low-cost Prothesensystem. Die Beinprothese Circleg schliesst diese Lücke. Durch die Verwendung von rezyklierten Kunststoffabfällen in Kombination mit vor Ort bestehenden Produktionsmethoden kann die Beinprothese lokal und kostengünstig hergestellt werden. Der modulare Aufbau ermöglicht das einfache Austauschen und Reparieren verbrauchter Passteile sowie die individuelle Anpassung an den Benutzer. Die Mobilität der Betroffenen im Alltag wird somit erheblich gesteigert.
Project Circleg ist die Bachelorthesis von Fabian Engel und Simon Oschwald in der Vertiefung Industrial Design. Das Projekt befasst sich mit der Entwicklung und Gestaltung einer low-cost Beinprothese aus rezyklierten Kunststoffabfällen für Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Diese Thematik verbindet zwei Bereiche, die eine ökologische sowie soziale Relevanz aufweisen. Einerseits landet eine grosse Menge an Kunststoffabfällen auf Deponien in Schwellen- und Entwicklungsländern, andererseits besteht weltweit eine hohe Nachfrage an günstigen Beinprothesen. Project Circleg will die Kunststoffabfälle als Ressource nutzen, um einen Beitrag an diese Nachfrage zu leisten.
Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, wie Ausstellungstexte «Wahrheitseffekte» produzieren und welche Diskurse dabei reproduziert werden. Als Fallbeispiel dient die Dauerausstellung «Welten sammeln» im Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen (HVM), die sich vor allem aus Objekten der im 19. Jahrhundert begründeten völkerkundlichen Sammlung zusammensetzt. Seit den 1990er-Jahren steht der Typus des ethnologischen Museums im Mittelpunkt der Debatte um die so genannte «Krise der Repräsentation». In jüngster Zeit hat die Forderung nach einem neuen Umgang mit dem kolonialen Erbe im Museum im Zusammenhang mit Projekten wie dem Humboldt Forum in Berlin oder dem Bericht Zurückgeben. Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter von Felwine Sarr und Bénédicte Savoy (2019) an Dringlichkeit gewonnen. Sandra Cubranović hat den Textkorpus der Dauerausstellung in St. Gallen in einer Diskursanalyse untersucht und mit aktuellen Fragen der Repräsentation konfrontiert. Mit welcher Perspektive blickt das HVM auf seine eigene Sammlungsgeschichte? Inwiefern werden die kolonialen Verstrickungen der Sammlungsobjekte in die Texte einbezogen? Werden Lücken in der Provenienz von Objekten offengelegt?
Mentor: Prof. Thomas Sieber
Ko-Referent: Paolo Bianchi
Dieses Modul vereint zwei wesentliche Designkompetenzen. Im ersten Teil "Redesign" wird, ausgehend von einem realen Produkt, dieses analysiert und danach formal für eine neue gealterte Zielgruppe (60+) weiterentwickelt. Im Teil des technischen Zeichnens werden die Grundlagen der Anfertigung einer technischen Dokumentation erlernt. Das Modul endet mit dem Bau eines realistischen 1:1 Modells und der dazugehörigen technischen Dokumentation.
Wischen, schrubben, fegen – dieses Jahr dreht sich in Sebastian Strohscheins Modul „Produkte aus Kunststoff“ alles um Bürsten. Im Zentrum steht die Konzeption von Reinigungsgeräten, ausgelegt für die Serienproduktion aus Kunststoff im Spritzgussverfahren. Dabei wird praktisch erprobt, welche Möglichkeiten und Einschränkungen ein Material und eine Technologie für den Entwurfsprozess mit sich bringen können.
Vom 22. Juli bis 30. Oktober 2022 wird die 14. Ausgabe der nomadischen europäischen Kunstbiennale Manifesta stattfinden, und zwar in Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo, einem aussereuropäischen Land. Während dieser drei Monate werden Tausende von europäischen und internationalen Kunstinteressierten in den Kosovo reisen, das isolierte Land ohne Personenfreizügigkeit und ohne freien Zugang zu anderen europäischen Regionen, um sich dort auf die Suche nach Kunst zu begeben.
Wie können wir uns als Aussenstehende zu einer Kunstausstellung in einem solchen Kontext positionieren? Welches Wissen sollten wir entlernen, welches Wissen haben wir ignoriert, und was gilt es durch unsere eigene Praxis zu reflektieren?
Albanisch ist die sechsthäufigste Sprache in der Schweiz, rund 280'000 Menschen geben Albanisch als ihre Hauptsprache an. Wie nah ist uns dieses Wissen? Wie könnten die Künste und unsere künstlerischen Perspektiven zu ihnen sprechen, die uns so nah und so fern sind? Könnte unsere künstlerische Praxis einen gemeinsamen Boden schaffen, auf dem sich die zahllosen sozialen Realitäten tatsächlich inkludieren lassen? Oder geht es uns nur um den Akt der Intervention, um unsere Präsenzen auf dem Biennale-Karussell, um die Internationalisierung des Kunstschaffens? Kann dies mehr als eine neokoloniale Geste sein? Wie nahe sind wir am Abgrund, der die Kunst und ihre (soziale) Inklusivität überromantisiert und sie dadurch bloss auf ein weiteres Instrument der Ausbeutung reduziert?
Unser Lab wird eine Verschmelzung von Theorie und Praxis sein, die in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern im Kosovo entwickelt wird. In sechs Sitzungen werden wir ein «Archiv» aus vier Perspektiven erforschen und zu diesem beitragen: die lokalen Perspektiven im Kosovo und in der Schweiz, die Perspektive der Diaspora und die internationale Perspektive. Das Lab wird im Sommer 2022 mit einer Exkursion nach Prishtina während der Manifesta 14 fortgesetzt, um diese Aspekte in einer physischen Form zusammenzuführen.
Print Matters! versorgte Zürich in den letzten vier Jahren mit unabhängigen Magazinen aus der ganzen Welt. Dieses Kapitel sollte im Januar 2019 zu Ende gehen, aber dank der vorliegenden Bachelorarbeit bleibt Print Matters! Zürich und der Schweiz erhalten.
Die gängigen Print-Magazine, wie wir sie kennen, sind vom Aussterben bedroht. Grund dafür ist oftmals das Fehlen einer wirtschaftlichen Perspektive. Gleichzeitig erleben unabhängige Magazine während den letzten Jahren einen regelrechten Boom. Während Läden wie der Soda Bookshop in München oder der do you read me?! in Berlin sich bereits seit Jahren auf unabhängige Magazine spezialisiert haben, sind die meisten Titel in der Schweiz nicht oder nur schwer erhältlich, da sie Nischenprodukte sind und nicht an den gängigen Verkaufsstellen angeboten werden. Besonders wichtig ist ein physisches Ladenlokal, damit neue Magazine entdeckt werden können. Die oftmals hochwertigen Publikationen überzeugen mit ihrer aufwendigen Ausstattung zum Beispiel in Bezug auf Drucktechnik und Papier. Aus diesem Grund habe ich am 18. Mai 2019 in der Hohlstrasse 9 ein Ladenlokal eröffnet, welches unabhängige Magazine führt und diese einem interessierten Publikum in der Stadt Zürich – im Kreis 4 – zugänglich macht. Im neuen Lokal finden zukünftig regelmässig Events wie Lesungen, Konzerte und Launches statt. Teil meines Bachelorprojektes ist das Gestalten einer Inneneinrichtung, das Kuratieren der Magazinauswahl, die Kommunikation und der Aufbau des Online-Shops. Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Arbeit war die Finanzierung: durch ein erfolgreiches Crowdfunding konnte ich das Projekt in die Realität umsetzen. Kommt vorbei!
Zwei junge Männer im Kosmos von männlichem Blick, Bildmacht, Schönheitsdruck auf den weiblichen Körper und ihr Versuch einer Positionierung darin. Oder werden sie von der leitenden Frau positioniert? Oder positionieren sie die leitende Frau? Eine spielerische Suche.
Zwei junge Männer im Kosmos von männlichem Blick, Bildmacht, Schönheitsdruck auf den weiblichen Körper und ihr Versuch einer Positionierung darin. Oder werden sie von der leitenden Frau positioniert? Oder positionieren sie die leitende Frau? Eine spielerische Suche.
Pretext Quartet (Endless Version) ist eine theatrale Weiterentwicklung von Pretext Quartet. Das Stück ergründet Text und Subtext im Tanz. Wenn Worte durch Gedanken verändert werden, bevor ich sie ausspreche. Also weitergedacht: ist was ich gesagt habe und was du gehört hast wirklich was ich sagen wollte.
Ivanhoe Lam, Choreografe, ist bekannt für seine Kombination zwischen Theater und Tanz. Er verbindet gekonnt Drama und Tanz Elemente, um daraus eine ganz eigene Ästhetik des Raums und des Ausdrucks zu erschaffen. Das vielschichtigen Stück wird in einem kollaborativen Prozess mit dem Komponist Fabian Gutscher, dem Medienkünstler Jason Lam und den erfahrenen Tänzer_innen Han Mei und Lim Wei-wei, der Schauspielerin Shirley Tsoi und der Stimmkünstlerin Priscilla Leung erschaffen.
Die Ausstellung «Zones of Potential Encounters. Eine multiperspektivische Ausstellung mit Objekten aus der Sammlung der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG» ist im Rahmen eines Kooperationsprojekts zwischen dem Master Art Education Curatorial Studies, Zürcher Hochschule der Künste, dem Ausstellungsraum oxyd – Kunsträume und der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG zwischen September 2021 und Mai 2022 entstanden. Sally Schonfeldt hat das Kooperationsprojekt künstlerisch begleitet. Die Projektdokumentation gibt Einblicke in die Planungs- und Konzeptionsphase, die schliesslich zur Ausstellung «Zones of Potential Encounters» geführt hat.
Saaltext
Die Ausstellung beleuchtet sechs der über 85'000 Objekte der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG) in Winterthur. Die Sammlung des Stiftungsgründers Bruno Stefanini ist vielseitig und bis heute noch nicht gänzlich erschlossen. Einige Objekte weisen auf konfliktbelastete Spannungen hin. Die Auseinandersetzung mit den ausgewählten Objekten ist als Versuch zu verstehen, neue Assoziationen und Erkenntnissen in Bezug auf Potenziale der Sammlung anzuregen.
Objekte sind multidimensionale Dinge. Sie sind Akteure, Zeug:innen, Gespenster und Geschichten. Sie sind relational, vielseitig, komplex und sensibel. Sie wurden geformt, berührt, gebraucht und gepflegt. Sie können erinnern. Sie haben ihre eigene Reise hinter sich und eine komplexe Beziehung zur Welt.
Als Besucher:in sind sie nicht alleine hier. Sie treffen auf Objekte und künstlerische Arbeiten, Archivmaterialien und Interviews, Klangkompositionen und nicht zuletzt andere Besucher:innen. All diese Protagonisten reagieren aufeinander, interagieren miteinander, und lassen so immer neue Begegnungen entstehen.
Das oxyd ist in drei Begegnungszonen unterteilt: Storytelling-Zone, Zwischenzone und Reflexionszone. Jede ist in eine eigene Lichtstimmung eingefärbt, die unterschiedliche Stimmungen und Denkprozesse anregen. Gerade betreten sie die Zwischenzone, die auch als Begrüssungszone gedacht ist. Der Spiegel weist den Weg in die Storytelling-Zone in der die Objekte aktiviert werden. Im Barbereich befindet sich die Reflexionszone, in der Sie mehr über das Ausstellungskonzept sowie die Objekte und ihre Kontexte erfahren können.
Wie ist das Kooperationsprojekt entstanden?
Im Januar 2021 gingen fast zeitgleich zwei Anfragen für Kooperationsprojekte beim Master Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste ein. Zunächst war da eine Anfrage von Seiten der Sammlung der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte. Severin Rüegg, Leiter der Sammlung der SKKG, war auf der Suche nach einem Kooperationspartner, der einzelne Objekte aus der Sammlung mit Blick auf die gesellschaftliche Funktion befragt, denn die SKKG möchte in den nächsten Jahren auf verschiedenen Wegen herausfinden, welche soziale Wirkung ihre Sammlungsobjekte entfalten können. Zum Zeitpunkt der Anfrage befand sich die Sammlung mitten in einem grossen Inventarisierungs- und Reinigungsprozess. Die Befragung durch die Studierenden wäre eine Art Testlauf für mögliche zukünftige Projekte der SKKG. Die Sammlung der SKKG umfasst ca. 85.000 Objekte. Sie beinhaltet herausragende Kunstwerke und historische Objekte von der Steinzeit bis heute und wurde durch den Stiftungsgründer Bruno Stefanini (1924-2018) ab Mitte der 1970er-Jahre aufgebaut. Bruno Stefanini brachte es im Bauboom der Nachkriegszeit zum Multimillionär. Nachdem er sich sukzessiv aus dem Baugeschäft zurückgezogen hatte, begann er, sein Vermögen und die Erträge aus seinen Immobilien in den Aufbau einer riesigen Sammlung zu investieren. Jedoch wurden die Sammlungsobjekte zu Lebzeiten von Bruno Stefanini nie richtig erfasst und die Objekte zum Teil vernachlässigt. Bis zur Inventarisierung, die im März 2022 abgeschlossen wurde, war den Sammlungsmitarbeiter:innen unklar, was sich alles in der Sammlung befindet.
Die zweite Anfrage kam ebenfalls aus Winterthur. Eve Hübscher, künstlerische Leiterin im oxyd – Kunsträume und Absolventin des Master Art Education Curatorial Studies, wollte schon länger ein Ausstellungsprojekt mit Studierenden der ZHdK im oxyd umzusetzen. Das oxyd in Winterthur ist ein nicht-gewinnorientierter Ausstellungs- und Experimentierraum. Der Fokus der Ausstellungen liegt auf dem regionalen und nationalen Kunstschaffen mit dem Ziel, inhaltliche, orts- und generationenübergreifende Dialoge herzustellen. Das oxyd bietet Raum für Unerprobtes und Experimentelles und ermöglicht unerwartete Gegenüberstellungen. Nicht nur die grosse Ausstellungsfläche von knapp 400 qm und die zentrale Lage direkt am Bahnhof in Winterthur würden für die Studierenden einen äussert spannenden Ausstellungsort darstellen.
Die beiden Anfragen lagen nun im Postfach von Angeli Sachs, Leiterin des Master Art Education Curatorial Studies. Gemeinsam mit Bruno Heller, Assistent im Master Art Education Curatorial Studies, entstand die Idee, die beiden Projektanfragen zu verbinden und ein Ausstellungsprojekt im oxyd mit Objekten aus der Sammlung der SKKG zu realisieren. Praxisprojekte stellen einen integralen Bestandteil des Studienprogramms dar. Der Master Art Education Curatorial Studies richtet sich an Personen, die sich für eine innovative, kreative und reflektierte Praxis des Ausstellens und Vermittelns qualifizieren wollen. Ausgangspunkt der Vertiefung sind das Museum und die Ausstellung als Ort von Bildungsprozessen mit ihrem Auftrag des Forschens, Sammelns, Ausstellens und Vermittelns sowie die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Diskursen und Praxen in diesem Feld.
Im Februar 2021 kamen die Stiftung, der Studiengang und der Ausstellungsraum erstmals zusammen, um sich über ihre Interessen, mögliche thematische Schwerpunkte sowie den Umfang der Kooperation auszutauschen. Alle drei verbindet ein Interesse an experimentellen Formaten des Ausstellens und Vermittelns, eine kritische Reflexion von Sammlungen sowie die Suche nach Schnittstellen, die sich auch ausserhalb des Kunst- oder Kulturkontextes befinden. Nach dem ersten gemeinsamen Gespräch war klar, dass eine Kooperation stattfinden sollte und sich aus einem Seminar im HS 2021/22 sowie einem Praxisprojekt im FS 2022 zusammensetzen würde. Unklar war jedoch noch, mit welchen Objekten die Studierenden arbeiten sollten und wer das Projekt betreuen würde.
Wie wurde das Objektkonvolut ausgewählt?
Das Kooperationsprojekt ist als Experiment angelegt, in dem sich die Student:innen des Master Art Education aktiv mit ausgewählten Objekten und ihren Bedeutungspotentialen auseinandersetzen und diese insbesondere mit künstlerisch-vermittlerischen Strategien befragen. In der Planungsphase wurde deutlich, dass sogenannte «Kontaktikonen» für das Projekt interessant sein könnten. Als «Kontaktikonen» können Gegenstände bezeichnet werden, die entweder mit einer berühmten Persönlichkeit in Kontakt waren, oder die ein historisches Ereignis dokumentieren. Bruno Heller, der das Kooperationsprojekt seitens des Studiengangs betreut, beschäftigt sich in seiner Lehre insbesondere mit nicht-menschlichen Akteuren als Zeug:innen sowie den künstlerischen Aktivierungen von Sammlungsobjekten. In Rücksprache mit Severin Rüegg und Domingo Ramos, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sammlung der SKKG, wurde ein Konvolut von 40 Objekten zusammengestellt. Neben den «Kontaktikonen» wurde das Konvolut noch mit künstlerischen Arbeiten, die den Kunstkanon befragen, erweitert. Zum Konvolut gehörten Alltagsgegenstände, wie ein Zeichnungsheft von Albert Anker, aber auch Kunstwerke, wie ein Gemälde von Winston Churchill, Uniformen oder Kostüme, wie beispielsweise die Uniform von Charlie Chaplin aus dem Film «The Great Dictator» oder auch ein Nachlass einer Sexarbeiterin aus der Nachkriegszeit in Deutschland. Somit war der Grundstein gelegt, historische Objekte in einem Raum für Zeitgenössisches zu zeigen.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Sally Schonfeldt zu Stande?
Auf Grund der gemeinsamen Interessen an künstlerischen Strategien in der Auseinandersetzung mit Sammlungen sowie dem Leistungsauftrag des oxyds sollte das Projekt durch eine zeitgenössische künstlerische Position ergänzt werden, die das Gesamtprojekt begleitet. Im Mai 2021 konnte Sally Schonfeldt für das Kooperationsprojekt gewonnen werden. Sie brachte ihre Expertise im Zusammenhang mit künstlerischer Forschung und ihren Umgang mit Sammlungen, Objekten und Ausstellungen ein. Sally Schonfeldt (geboren 1983 in Adelaide) lebt und arbeitet in Zürich. Die bildende Künstlerin untersucht historische Narrative im Zusammenhang mit dem Erbe des europäischen Kolonialismus. Ihre künstlerische und forschungsbasierte Praxis erforscht die Beziehung zwischen oft vergessenen Geschichten und unserer Gegenwart in einem antikolonialen und feministischen Rahmen.
Erste Projektphase: Seminar «Exploring the Collection of the SKKG», HS 2021/2022
Im September 2021 startete das Modul «Exploring the Collection of the SKKG» unter der Leitung von Bruno Heller und Sally Schonfeldt gemeinsam mit insgesamt 15 Student:innen aus den drei Vertiefungen des Master Art Education (Curatorial Studies, Kulturpublizistik und Kunstpädagogik). Zwischen September und Dezember setzten sich die Student:innen intensiv mit dem Objektkonvolut auseinander. Die Leitfragen des Seminars lauteten: Wie können wir durch Sammlungsobjekte über gegenwärtige gesellschaftspolitische Kontexte sprechen? Sind Objekte stumme Zeugen? Wie können sie aktiviert werden? Durch Zeitzeug:innen, historisierende und fiktionalisierende Erzählformen oder durch das materielle Wissen, das in den Objekten steckt? Was ist unsere Verantwortung gegenüber Objektgeschichten, die mit Leiderfahrungen verbunden sind?
Die Studierenden konnten aus dem Objektkonvolut frei eigene Fallstudien auswählen. Für ihre Recherche sind die Studierenden ins Depot im Wintower in Winterthur gefahren, um sich die Objekte vor Ort anschauen und sich mit den Mitarbeiter:innen der Samlmung der SKKG auszutauschen. Die Ergebnisse der insgesamt fünfzehn Fallstudien wurden im Dezember in einer Pop-Up-Ausstellung im Kunstraum im Toni-Areal präsentiert. Als Ausstellungsdisplay dienten SBB-Palettrahmen, die auch im Sammlungsdepot der SKKG genutzt werden. In der Abschlusspräsentation wurden ganz persönliche Ansätze sicht- und nachvollziehbar gemacht, um die Objekte zu befragen, zu deuten und zu aktivieren.
Zweite Projektphase: Praxisprojekt «Zones of Potential Encounters», FS 2022
Im Anschluss an das Seminar wurde im Dezember 2021 eine fünfköpfige Studierendengruppe gebildet, die im Rahmen eines Praxisprojekts die Ausstellung «Zones of Potential Encounters» sowie das Vermittlungsprogramm im oxyd – Kunsträume umsetzen sollte. In der Ausstellungsgruppe waren erneut alle drei Vertiefungen des Master Art Education vertreten: Melissa Jetzer, Vivianne Tat und Linda Walter studieren im Master Art Education Curatorial Studies, Milos Stolic studiert im Master Art Education Kunstpädagogik und Jonas Wandeler studiert im Master Art Education Kulturpublizistik.
Zwischen Februar und Mai 2022 hatten die Studierenden Zeit für die Konzeption und Realisierung der Ausstellung; es gab eine Auftaktveranstaltung (14.-15.02.2022) eine Projektwoche (11.–14.04.2022) und eine Aufbauphase (02.–24.05.2022). Die Studierenden sammelten in dieser Zeit Erfahrungen in allen zentralen Bereichen der Projektarbeit. Es wurden Informationen über einzelne Sammlungsobjekte und Formen der Sammlungspräsentation erarbeitet, eine Ausstellungsszenografie realisiert, eine Kommunikationsstrategie ausgearbeitet und Vermittlungsformate erprobt. Bei der Auftaktveranstaltung im Februar wurden zunächst Aufgaben für das Projektmanagement verteilt. Die Studierenden erhielten Verantwortlichkeiten in den Bereichen Finanzen, Vermittlung, Kommunikation, Ausstellungstexte, Szenografie, Koordination mit der SKKG, Aufbau, Technik, Plakatgestaltung und Ausstellungsgrafik. Im April fand eine Projektwoche statt, in der vor allem die szenografischen Elemente, die Verteilung der Arbeiten im Raum sowie das Vermittlungsprogramm diskutiert wurden. Sally Schonfeldt erarbeitete ein inhaltlich-szenographisches Grundkonzept, das einen Rahmen für die Ausstellung bieten sollte.
Wie wurden die Objekte für «Zones of Potential Encounters» ausgewählt?
Bereits im Februar bei der Auftaktveranstaltung musste die definitive Objektauswahl für die Ausstellung feststehen, was insbesondere mit der Planung der Leihverträge sowie konservatorischen Abklärungen zusammenhing. Für die Auswahl trafen sich das kuratorische Team mit Domingo Ramos und Julian Cech im oxyd – Kunsträume. Auf dem langen Tisch im oxyd wurden die Abbildungen der 40 Objekte aus dem Konvolut ausgelegt. Zunächst wurden die Schwerpunkte aus dem Konzept von Sally Schonfeldt aufgezählt: Object as witness, Aura, Sensitive Objects, Outsider Artists, Object-Storytelling. Im Anschluss wurde diskutiert, wie viele Objekte überhaupt gezeigt werden sollten und wie diese ausgewählt werden sollten. Mit Julian Cech, Konservator der SKKG, fand ein Austausch darüber statt, welche Objekte überhaupt ausstellbar sind.
Schnell wurde deutlich, dass jede:r Student:in sich mit einem Objekt vertiefend beschäftigen wollte, weshalb zunächst fünf Objekte ausgewählt werden sollten. Die Abbildungen wurden gruppiert, sortiert, zur Seite gelegt und wieder umsortiert. Während des Auswahlprozesses rückte immer mehr folgendes Kriterium in den Vordergrund: Welches Objekt berührt und beschäftigt uns auf einer emotionalen Ebene am stärksten?
Am Ende lagen sechs statt fünf Objektabbildungen auf dem Tisch; diese gaben wir an die SKKG zur Prüfung weiter. Wenige Tage später kam die Rückmeldung, dass das Feldbett Napoleons nicht ausgestellt werden konnte. Die Tatsache, dass ein Objekt aus konservatorischen Gründen nicht gezeigt werden konnte, gefiel uns jedoch so gut, dass wir am Feldbett festhielten. Da wird jedoch auch am Sportanzug festhalten wollten, übernahmen schliesslich Sally Schonfeldt und Bruno Heller die Recherche zum Objekt. So stand die definitive Objektauswahl fest:
- Feldbett, vermutlich aus dem Besitz Napoleon Bonapartes, hergestellt von Marie-Jean Desouches, Anfang 19. Jahrhundert. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 07579
- Nachlass einer Sexarbeiterin, Deutschland, Nachkriegszeit, ca. 1945 – 1950. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 13824
- Schminktisch aus dem Besitz von Sarah Bernhardt, um 1900. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 07759
- Sonnenbrille eines Crew-Mitglieds des Vorführungsteams der «Enola Gay», ca. 1946 – 1950. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 14631.04
- Sportanzug, Bund Deutscher Mädel, dazu Leistungsbuch und Schuhe,
ca. 1930 – 1945. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 17043
- Hedi Zuber, Mein Vater, 1992, Mischtechnik auf Papier. Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, Inv.-Nr. 01014
Kuratorisches Team
Bruno Heller, Assistent Master Art Education Curatorial Studies, ZHdK
Eve Hübscher, Künstlerische Leiterin oxyd – Kunsträume
Melissa Jetzer, studiert im Master Art Education Curatorial Studies, ZHdK
Sally Schonfeldt, Künstlerin
Milos Stolic, studiert im Master Art Education Kunstpädagogik, ZHdK
Vivianne Tat, studiert im Master Art Education Curatorial Studies, ZHdK
Jonas Wandeler, studiert im Master Art Education Kulturpublizistik, ZHdK
Linda Walter, studiert im Master Art Education Curatorial Studies, ZHdK
Beiträge in der Ausstellung von
Martin Andereggen, Ethan Braun, Julian Cech, Marlene Daut, Milky Diamond, Aya Domenig, Heinz Emigholz, Bruno Heller, Beratungsstelle für Sexarbeitende «Isla Victoria» Rita Höltschi und Grazia Aurora, Melissa Jetzer, Josef V. John, Kooni, Minako Matthäus-Sado, Clément Maurice, Tatjana Rüegsegger, Sally Schonfeldt, Thomas Sieber, Gilles Yann Smrkovsky, Milos Stolic, Vivianne Tat, Michèle Tratschin, Juliette Uzor, Linda Walter, Jonas Wandeler, Reto Wollenmann
Weitere Projektbeteiligte
Franca Bernhart, Vorstand (Co-Präsidentin) oxyd – Kunsträume
Julian Cech, Restaurator / Konservator, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG
Stefani Frey, Vorstand (Co-Präsidentin) oxyd – Kunsträume
Domingo Ramos, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Sammlung, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG
Severin Rüegg, Leiter Sammlung, Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG
Angeli Sachs, Leiterin Master Art Education Curatorial Studies, ZHdK
Beiträge Rahmenprogramm
Bruno Heller, Eve Hübscher, Miguel Garcia, Melissa Jetzer, Christian Kunz, Severin Rüegg, Sally Schonfeldt, Milos Stolic, Linda Walter, Jonas Wandeler
Szenografisches Konzept
Sally Schonfeldt
Szenografische Umsetzung
Melissa Jetzer, Sally Schonfeldt, Linda Walter
Aufbau und Bauten
Rolf Baumgartner, Léo Frézel, Matthias Gallati, Stefan Sigrist,
Claudius Thür
AV Technik
Roger Bachmann, AV-Services, Zürcher Hochschule der Künste,
oxyd – Kunsträume, Sally Schonfeldt, Milos Stolic
Licht
Eve Hübscher, Sally Schonfeldt, Linda Walter
Ausstellungsgrafik, Plakat
Jonas Wandeler, Linda Walter
Kommunikation
Bruno Heller, Eve Hübscher, Laura Rosini, Vivianne Tat, Eva Vögtli,
Laura Walde
Aufsicht
Brigitte Berginz, Franca Bernhart, Nils Lange, Pascal Mettler, Elsbeth Neumeyer, Rebekka Nitsch, Helene Schütz, Fant Wenger
Wir danken für Mitarbeit und Leihgaben
Rolf Baumgartner, Sergio Bonin, Marius Faber, Léo Frézel, ican films gmbh, Beratungsstelle für Sexarbeitende «Isla Victoria», Chantal Küng, Migros Museum für Gegenwartskunst, Angeli Sachs, Sammlungszentrum, Schweizerisches Nationalmuseum, Antonio Scarponi,
Mit freundlicher Unterstützung von
Johann Jacob Rieter-Stiftung
Kanton Zürich Fachstelle Kultur
oxyd – Kunsträume
Stadt Winterthur
Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte
Zürcher Hochschule der Künste
Ein Kooperationsprojekt zwischen
Master Art Education Curatorial Studies, Zürcher Hochschule der Künste
oxyd – Kunsträume, Winterthur
Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte SKKG, Winterthur
Ein Treibhaus als Richard-Wagner-Vermittlungsort
Vor und während der Festspiele Zürich präsentierte sich ein Treibhaus in der Zürcher Innenstadt als mobiler Richard-Wagner-Vermittlungsort. Das Projekt «Wagner im Schauhaus», in Kooperation zwischen den Festspielen Zürich und dem Master of Arts in Art Education, ausstellen & vermitteln der ZHdK entstanden, wollte Passanten Einblicke in Richard Wagners Leben und Werk geben, neugierig machen und zum Dialog auffordern. Die von Cristina Kaufmann, Alice McCabe und Sarah Uehlinger konzipierte Ausstellung war in wöchentlichen Etappen an fünf wechselnden Standorten zu sehen und entwickelte sich stetig weiter.
Unter dem Motto «Treibhaus Wagner» liessen die Festspiele Zürich 2013 eine Werkstatt entstehen, in der in den unterschiedlichsten Darstellungsformen über Richard Wagner und seine produktive Zürcher Zeit nachgedacht wurde. «Wagner im Schauhaus», hiess eines der Projekte – ein Treibhaus, das als rund zwölf Quadratmeter grosser, mobiler Richard-Wagner-Vermittlungsort diente. Mit dem Ausstellungskonzept wurden bewusst keine Wagner-Experten, sondern Nachwuchs-Kuratorinnen der Zürcher Hochschule der Künste betraut. Das Projektteam, Cristina Kaufmann, Alice McCabe und Sarah Uehlinger, hatte vor, auf kreative Weise nicht nur Wagner-Liebhaber, sondern insbesondere auch Personen anzusprechen, die nicht zum typischen Opernpublikum gehören und bisher kaum mit Richard Wagner und seinem Werk in Berührung gekommen waren. Wiederkehrende Besucher konnten das Wachstum der Ausstellung mitverfolgen und sich selbst in die Ausstellung einbringen.
Vom «Tristan-Akkord» zum Gesamtkunstwerk
Der Auftakt der Ausstellung trug den Titel «Tristan-Akkord» und war vom 10. bis 16. Juni an der Seepromenade beim Bellevue zu sehen. Der in Wagners «Tristan und Isolde» leitmotivisch verwendete Akkord entzieht sich wegen seiner harmonischen Undurchsichtigkeit einer einfachen, allgemein akzeptierten Deutung und gilt als Inbegriff der Dissonanz. Auch Richard Wagners Leben war voller Widersprüche. Sein Mäandern zwischen Heimatlosigkeit und grossem Freiheitsdrang, zwischen Geldnot, Luxusbedürfnis und der Rolle eines visionären Revolutionärs sowie seine antisemitische Haltung, wurden mittels Karikaturen veranschaulicht. Blieb das Anschauungsmaterial in der ersten Woche noch wortwörtlich an der Oberfläche (des Treibhauses) verhaftet, so öffnete sich das Schauhaus in den Folgewochen zu bestimmten Zeiten für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Komponisten und seinem Werk. Vom 17. bis 23. Juni tauchten die Besucher auf dem Hechtplatz in eine Wagner-Wasser-Welt mit dem Titel «Richard Wagners Leitmotiv: das rauschende Wasser» ein. Hörproben aus seinem Werk wurden zu besuchten Landschaften, persönlichen Befindlichkeiten und Gefühlsstimmungen in Beziehung gesetzt. In der Woche vom 24. bis 30. Juni machte das Schauhaus am Limmatquai Wagners Vision des Gesamtkunstwerkes sinnlich erlebbar. Musik, Dichtung und Szenografie wurden in ihre Einzelteile zerlegt, um wieder in einem szenografischen Bild zusammenzufliessen.
Vom Schauhaus zum Lautsprecher der Stadt
Laufend fing das Projektteam die Meinung der Stadt über Richard Wagner, das Programm «Treibhaus Wagner» der Festspiele Zürich und das Projekt «Wagner im Schauhaus» im Besonderen ein und ergänzte damit die Inhalte des Schauhauses in der letzten Ausstellungsphase. An den Standorten Pestalozziwiese (1. bis 7. Juli) und Gessnerallee (8. bis 14. Juli) entwickelte sich das «Schauhaus Wagner» so zum Lautsprecher der Stadt und zum Spiegel des Verhältnisses ihrer Einwohner und Gäste zu dieser ebenso umstrittenen wie bewunderten Persönlichkeit, der Zürich einst Asyl gewährte. Inspiriert von Richard Wagners unbändigem Mitteilungsbedürfnis und Sendungsbewusstsein, erweitern die Studentinnen den Radius der Aufmerksamkeit mit einem begleitenden Blog und transportierten damit Richard Wagners Strategien der Selbstverwirklichung in die heutige Zeit. Nach einem grossen Finale am Festspielfest in der Gessnerallee verschwand das Schauhaus ebenso sang- und klanglos aus dem Stadtbild wie einst Wagner nach dem unrühmlichen Ende seiner Affäre mit Mathilde Wesendonck – hoffentlich jedoch nicht ohne Spuren in der Stadt hinterlassen zu haben.
Die Standorte:
10.–16. Juni Seepromenade beim Bellevue: «Tristan-Akkord»
17.–23. Juni Hechtplatz: «Richard Wagners Leitmotiv: das rauschende Wasser»
24.–30. Juni Limmatquai (beim Café Rathaus): «Gesamtkunstwerk: eine Vision»
1.–7. Juli Pestalozziwiese (bei Globus Bahnhofstrasse): «Das Schauhaus als Lautsprecher»
8.–14. Juli Gessnerallee Zürich (Innenhof): «Das Schauhaus als Lautsprecher»