Beschreibung | - BACKGROUND
Seit rund 15 Jahren stehe ich auf Bühnen und mache Musik. Ich habe während fünf Jahren in Lausanne gelebt, wo ich 2012 am Jazzdepartement der Musikhochschule den Bachelor in Elektrischer Gitarre erworben habe. Nach dem Studium an der Jazzschule habe ich angefangen, den Sexismus der Gesellschaft und speziell der Musikszene zu analysieren. Ich habe vor allem im Internet viel gelesen, um die Mechanismen zu verstehen, welche zu meinen Erfahrungen als Minderheit (es gibt nur ungefähr 5–10% weibliche Instrumentalistinnen im Jazz, Rock, Pop und Urban) geführt haben. Dabei habe ich begriffen, dass meine Erfahrungen mit Diskriminierung, Misogynie, positivem Sexismus, etc. nicht einfach individuell und selbstverantwortet sind, sondern dass sie zu einem Bigger Picture gehören, dass sie ein System haben. In der Folge beschäftigte mich die Frage, wie ich die Szene und die Praxis mit gestalten kann, so dass die Musikszenen weniger menschenverachtend werden. Wie kann ich bessere Musikbedingungen erschaffen, vorleben und lernen? Meine feministischen Handlungsmöglichkeiten sind begrenzt, aber vorhanden. Ich versuche, Solidarität zu leben, Freundinnen und Kolleginnen zu unter-stützen und mir von Ihnen helfen lassen. Ich bin Teil der Organisation Helvetiarockt. Mit meinen Trans-Mitstudentinnen Rada Leu und Nina Tshomba haben wir die Acid Amazonians gegründet, ein anti-normatives Musik- und Performance-Improvisationsprojekt.
ÜBER DIE ARBEIT
Meine Masterarbeit setzt sich aus drei Teilen zusammen:
1. Ziska’s Songbook ist das Herzstück meiner Masterarbeit.
Es wurde im Mai 2018 im Amsel Verlag Zürich veröffentlicht.
2. Die Buchvernissage im Material (Raum für Buchkultur),
wo vier Performer mit verschiedenen disziplinären Hintergründen die Songtexte lesen.
3. Eine schriftliche Reflexion zu Songwriting und Feminismus
als Praxen.
Zum Songbook: In enger Zusammenarbeit mit der Gestalterin Carla Crameri entstand die visuelle Umsetzung einer Auswahl von Texten, die ich in den letzten Jahren geschrieben habe. Es gibt klassische Songformate (Verse-Chorus-Verse-Chorus-Bridge-Chorus), es gibt AABA-, AAB- oder ABAC-Formen, aber auch ausufernde Texte, die eher (written) Spoken Word sind und Rap Texte. Carla und ich haben diese Vielfalt mit individuellen visuellen Textsetzungen übersetzt. Als auf lockerndes Element gibt es zwischen den Texten einige Seiten mit collagierten Bildwelten und als belebendes Element sind fleckige Texturen in auffälligem Pink und Gelb darin verteilt. Das Songbook wurde mit Riso gedruckt, dessen Schmierigkeit und Knalligkeit eine an Punk und Pop, an Plakatgestaltung und Musik erinnert. Den Titel habe ich von Hand auf alle 150 Umschlägen aus haptisch interessantem, cremefarbenen Papier geschrieben. Es sind persönlich wirkende, betont rhythmische und melodische Texte. Es sind Erzählungen und Beschreibungen von Beziehungen, Erfahrungen mit Diskriminierung und Marginalisierung und Emanzipation. Es gibt darin Figuren und ihre Geschichten. Es geht um identitäre Fragen, um die Konstruktion von alternativen und queeren Narrativen. Es geht um GRRRRLS. Es geht um Glitter. Die Songs sind gezeichnet von einem Schwanken zwischen einem Sich-in-Emotionen-verlieren und einer humorvollen Distanz.
Das Songbook ist zum Gebrauch gedacht. Es soll beim Lesen dazu einladen, eine Stimme im inneren Ohr zu hören – so dass Musik im Kopf passiert. Es soll dazu einladen, seine Stimme zu gebrauchen. Es soll den Leserinnen Mut machen, selber Texte zu singen, zu sprechen und zu schreiben.
An der öffentlichen Vernissage im Material (Raum für Buchkultur) wurden die Texte vorgetragen von Performern mit diversen Herangehensweisen und disziplinären Hintergründen. Johanna Köster, eine Schauspielerin und Rapperin unter dem Künstlernamen Jiggles hat als Figur gesprochen und dazu kleine Kostümergänzungen wie ein zusätzliches Hemd benützt. Daniel Schellenberg (Hospiz der Faulheit), der unter dem Künstlernamen princess d (Queere Performancefigur mit Hintergrund in Theorie) auftrat, erzählte die Texte mit Charme. Andrina Bollinger (Musikerin u. a. bei JPTR, Flury & the Newborns) und Marena Whitcher (Musikerin, Prix Netzhdk 2015 für ihr Shady Midnight Orchestra) haben gewisse Texte gesungen, gewisse gesprochen. Zusammen sind sie die Band Eclecta – die auch noch unisono Text sprach sowie performativ gearbeitet hat.
In der Reflexion des Masterprojekts versuche ich, gewisse grundsätzliche Überlegungen fest zu halten, nach denen sich das Schreiben der Songs bzw. Texte richtet. Es geht darum, typische Songwritingthemen wie z. B. Liebesbeziehungen und Sexualität zu verarbeiten und dabei u. a. feministische Prämissen anzuwenden. Diese Prämissen sind zum Beispiel: Die Chance nutzen, alternative Stories und Narrative zu entwickeln. Macht, Grenzüberschreitungen oder Übergriffe verstehen und verarbeiten. Sich an Nicht-Männer als Publikum zu richten. Erfolg an eigenen Kriterien messen. Kurz: Die Traditionen und Regeln des Songwritings werden benutzt und erweitert.
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