Invasion eines Materials
Ein Material, so bunt und günstig, stabil, vielseitig einsetzbar und so unverwüstlich wie kaum ein anderes. Es ist allgegenwärtig in fast all unseren Lebensbereichen, leicht, korrosionsbeständig und dabei beinahe unendlich formbar. Schon Roland Barthes sagte, es sei
weniger eine Substanz als vielmehr die Idee ihrer endlosen Umwandlung.
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Andy Warhols Faszination für dieses damals noch neuartige Material ging so weit, dass er im Zuge eines multimedialen Kulturspektakels in den Sechzigerjahren in New York und San Francisco verkündete, dieses Material verkörpern zu wollen. In mehr als 40.000 Jahren haben wir zum Teil noch heute einflussreiche Kulturen hervorgebracht – ganz ohne Plastik. Doch in den vergangenen 70 Jahren hat sich dieses Material immer mehr in unserem Alltag niedergelassen –so sehr, dass es heute gänzlich undenkbar wäre, es abzuschaffen oder zumindest darauf zu verzichten. Bereits um 1860 wurde mit synthetischen Polymeren herum experimentiert, jedoch erhielten Kunststoffe spätestens in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts endgültig Einzug in unser
Leben. Am Anfang stand Plastik gar unter einem regelrechtenHype. Lebensmittel waren nun auf einmal deutlich länger haltbar und konnten in Frischhaltefolie und Tupperware aufbewahrt werden. Die sogenannten Tupperpartys prägten das Bild der allem Neuen aufgeschlossenen Hausfrau und bauten eine starke emotionale Bindung zur Kundschaft auf.
Nylonstrümpfe galten als das Must-have der 50er und 60er Jahre einer jeden Frau und auch vor dem Produktdesign
machten Kunststoffe keinen Halt, wie sich in Kreationen wie dem von Verner Panton gestalteten gleichnamigen Stuhl
oder in Dieter Rahms Phonosuper Record Player aufzeigte. Die weltweite Produktion von Kunststoffen stieg zwischen
1950 von 1,7 Millionen Tonnen bis 2012 kontinuierlich auf 288 Millionen Tonnen an. In den vergangenen 10 Jahren haben
wir so viel Plastik hergestellt, wie im gesamten letzten Jahrhundert. Wir haben ein Material hervorgebracht, dass
uns begeistert, dass wir täglich in all seinen Formen gebrauchen und an dessen weiteren Nutzungsmöglichkeiten
wir stetig weiter forschen – gleichzeitig haben wir ein Material geschaffen, dass uns in Schrecken versetzt, sobald wir
bemerken, wie weit es mittlerweile aus unserer Kontrolle geraten ist. Wachsende Müllberge, Plastikinseln in den Ozeanen und Plastik sogar an den denkbar abgelegensten Orten unserer Erde, fernab von jeglicher größeren Zivilisation