Mit welchen Problemen sieht sich ein/e Expert Designer/in in der Erarbeitung und Ausführung sozial ausgerichteter (Design-)Projekte konfrontiert?
Die Welt verändert sich grundlegend und mit ihr auch Design. Als eine der flexibelsten Disziplinen erlebt sie gerade in Krisenzeiten ihr innovativstes Potential. Vor dem Hintergrund ökonomischer und Ressourcen bedingter Diskussionen, auf der Suche nach Sinn-Jobs und unterstützt durch den Konnektivitätstrend entwickelt sich Social Design für Gestaltende zu einem versprechenden wicked-problems-Löser. Doch mit welchen Problemen sieht sich ein Expert Designer/in in der Erarbeitung und Ausführung sozial ausgerichteter (Design-) Projekte konfrontiert? Mit Hilfe von autoethnografischen und partizipativen Methoden ging ich in Mexiko auf die Suche nach Praktiken und sammelte Beobachtungen sowie Erfahrungen. Das analysierte Wissen, das ich durch ein Toolkit ergänze, welches für jedermann zugänglich und überall produzierbar ist, bereitet Social Expert Designer/innen auf Projekte vor, sensibilisiert auf zentrale Themen und assistiert im Feld.
Wie theatral sind Videospiele?
In der Arbeit VideoGamePlay wird das Spiel als Kulturphänomen aus der Sicht eines Ereignisses untersucht. Die Begriffe «Ereignis» und «Spiel» werden insbesondere über den Begriff der «Performativität» zusammengeführt. In der Betrachtung von Erika Fischer ‐Lichtes «Ästhetik des
Performativen» stellt sich heraus, dass sich Performativität als Dachbegriff von Theatralität immer im Aufführungscharakter manifestiert. Somit müsste Spielen als performative Handlung ebenfalls Aufführungscharakter besitzen. In der praktischen Untersuchung wird Videospielen in einem theatralen Raum inszeniert. In einem Prototyp wird die Kollision des theatralen Spielraums mit den virtuellen Spielwelten intermedial inszeniert. Aus den Beobachtungen werden Schlussfolgerungen für ein zukünftiges Aufführungskonzept.
Wie ist es möglich, mit Kindern an einer utopisch‐schöpferischen Zukunftsgestaltung zu arbeiten? Und wie entwickeln sie Fähigkeiten, um eine tragende Rolle in der Umgestaltung unserer Welt übernehmen zu können?
How can we collaborate with kids to create an utopian‐creative future design? And how can children develop skills to reshape our world?
Im Angesicht der Herausforderungen unseres Zeitalters ‐ Klimawandel, Überbevölkerung, Armut und Energiekrise ‐ scheint unsere Gesellschaft gelähmt. Die Probleme sind mittlerweile zu komplex für einen lösungsorientierten Diskurs. Um zu einem produktiven Handeln zurückzukehren, müssen wir die Zukunftsgestaltung für vermeintlich Unbeteiligte öffnen. Was es für eine frische Denkweise braucht, das haben Kinder weltweit gemeinsam: Einen offenen Geist, Unvoreingenommenheit, Erfindungsgabe und Kooperationsvermögen. Doch wie ist es möglich, mit Kindern an einer utopisch‐schöpferischen Zukunftsgestaltung zu arbeiten? Dieses Projekt beschäftigt sich mit Design Thinking als Methode, um mit Kindern an unkonventionellen Zukunftsvisionen zu arbeiten. Dass Design dazu beitragen kann, mit Kindern ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Umdenkens bezüglich unserer gemeinsamen Zukunft zu schaffen, dieser Erkenntnis widmet sich das Artefakt meiner Arbeit – das Future Mavens Lab.
Welche Designstrategien wenden urbane Nomaden in ihrem temporären Zuhause an? Mobilität ist ein wichtiger Impulsgeber unserer heutigen Gesellschaft, der sich sichtbar auf die Lebensstile auswirkt: Nomadisch anmutende Wohnwelten etablieren sich und Menschen entwickeln kreative Einrichtungskonzepte für ein provisorisches Zuhause. In meiner Masterthesis untersuche ich den Megatrend Mobilität im Spannungsfeld Wohnen und Identität. Dabei gebe ich in einer
Publikation explorative Einblicke in die Alltagswelten urbaner Nomaden und zeige anhand von Beispielen auf, wie sich diese ihr temporäres Zuhause konstruieren. Die entstandene Phänomenologie aktueller Mobilitätspraktiken ist eine Hommage an die Ästhetik nomadischer Wohnstile und soll zu neuen Designkonzepten im urbanen Raum inspirieren.
Welche visuellen Zeichen enthält der Kleidungsstil türkischer Postmigranten und lässt sich diese Migrationsästhetik in eine Modeästhetik transformieren?
In Metropolen wie Berlin, Hamburg und Zürich findet eine Verdichtung türkischer Migrantenkultur statt. Es riecht nach Ali’s‐Backwaren und Meraba-Dönerimbiss. Halbstarke Türken mit Kickboxfrisuren und gezupften Augenbrauen prägen das Strassenbild. Eine hybride Lebensweise aus zwei Kulturen manifestiert sich in ihrer Stylekultur. Auf der Basis von Fotografien junger türkischer Postmigranten in Zürich und an Hand von Bildmaterial aus ihrer Alltags‐ und Lebenswelt im Social Web werden kleidungsspezifische Zeichen sichtbar gemacht, decodiert und transformiert. Details und Tragweisen ihrer Kleidung dienen als Vorlage für die Kollektion «Türkenstyle Vallah Geil». Sie ist ein Aneignungstool und dient als Vermittlungskonzept dieser Stylekultur. Warum also nicht die Hose hochkrempeln, den Nike Air Max anziehen und die Bauchtasche umschnallen, um den bislang abschätzig behandelten «Türkenstyle» aufzuwerten und zu einem «Must Have» zu erheben.
Mit welchen Mitteln und Inhalten lässt sich die Musikübersetzung in Gebärdensprache durch Musikvisualisierungen gestalterisch weiterentwickeln? Musik ist eine Sprache der Emotionen und nicht nur ein rein auditives Ereignis. In dieser Arbeit wurden Musikvisualisierungen für gehörlosen Menschen an Live Konzerten in Zusammenarbeit mit Gehörlosen gestaltet, und dabei Visualisierungsstile in Kombination mit der Gebärdensprache entworfen und weiter entwickelt.
Wie kann Serendipität dazu beitragen, dass Überraschungen, die Entdeckung von Unbekanntem sowie Musse auf Reisen mehr Raum gewinnen?
Das unabhängige Reisen hat auf der Suche nach Einzigartigkeit und Authentizität seine Grenzen erreicht. Touristen finden es zunehmend schwieriger, mühelos und erwartungsfrei Orte zu entdecken. Wie können Überraschungen, unbekannte Entdeckungen und grösstmögliche Musse mehr Raum bekommen? Durch das Verfolgen der Idee experimentellen Reisens und basierend auf explorativen und autoethnografischen Forschungsmethoden entwickelte ich DSCVR, einen Reiseführer für Serendipität: Anstatt durch die Stadt zu navigieren, lädt er dazu ein,
sich zu verlaufen. DSCVR wirft Fragen auf, regt zu kulturellen Interaktionen an und fordert zum Nachdenken über vergangene Situationen auf. Spielerische Impulse im Führer sollen den Horizont des Reisenden für ungewohnte Erfahrungen erweitern und zur Entdeckung gewisser Ungewissheiten inspirieren – von Honolulu bis nach Hause.
Können Reisebekanntschaften zwischen jungen Besuchern und älteren Gastgebern die gegenwärtige intergenerationelle Kontaktarmut in eine bereichernde Generationenbeziehung verwandeln? Freundschaften pflegen und Kontakte knüpfen sind altersunabhängige Grundbedürfnisse. Einsamkeit entsteht oft dadurch, dass der Bekanntenkreis im Alter kleiner wird. Vorsorge bieten neue Kommunikationsformen in sozialen Netzwerken. Virtuelle Gemeinschaften können jedoch
reale Begegnungen nicht ersetzen. voy‐age.com macht aus Online‐Bekanntschaften Offline‐Erlebnisse, indem es Jung und Alt über das Reisen vernetzt: unterschiedliche Generationen begegnen sich als weltoffene Gastgeber und inspirierende Besuchende. Während der Austausch auf Couchsurfing zwischen Jüngeren stattfindet, öffnet bei voy‐age.com die Generation 60+ ihre Türen: Junge Reisende werden zu Akteuren authentischer Geschichten und zu Avantgardisten einer neuen Reisekultur, dem Vintage‐Travelling. Der soziale Mehrwert liegt auf der Hand: Durch das Teilen von Ressourcen (Raum, Zeit) und Erfahrungen (Wissen) zwischen Generationen profitieren Gast, Gastgeber und die Gesellschaft.
Was für künftige Szenarien können für die Modeindustrie im Jahr 2040, basierend auf aktuellen Veränderungen und Trends, erstellt werden?
Mode ist aus der Mode. Die Beschleunigung des Prozesses, Kollektionen zu entwerfen, hat zu einer Stagnation der Kreativität in der Modeindustrie des Westens geführt, der es versäumt hat, mit den neusten Entwicklungen Schritt zu halten: Kundenspezifische Produkte, Nachhaltigkeitsprinzipien und digitales Networking zwingen das System, sich neu zu erfinden. MADE IN 2040 untersucht sowohl Trends als auch Innovationen und überträgt sie in die Zukunft. Unter Verwendung explorativer Szenarios beschreibt das Projekt Visionen für morgen: Wird die Modeindustrie schnell, funktional, gesund, kundenspezifisch, digital, langsam sein? Der vorausschauende Bericht MADE IN 2040 bereitet in der Modebranche tätige Berufsleute für langfristige Entwicklungen vor und regt die Diskussion über die Zukunft der Mode an – sind Sie prêt-(à-porter) für die Zukunft?
Wie muss eine Strategie entwickelt werden, die das Selber-‐Reparieren von Haushaltsgegenständen in Zürich fördert?
Die Lampe hat einen Wackelkontakt, der Küchenstuhl kippelt und der Mixer mixt schon lange nicht mehr. Es richten zu lassen wäre schön, aber teuer. Darum: Repariere es selbst! Aber wie? Zürich verfügt über eine erstaunliche Dichte an Angeboten, die beim Selber-‐Reparieren unterstützen können. Der Reparaturwillige kennt oder nutzt diese aber kaum – so die Kernerkenntnis der empirischen Untersuchung. Entwickelt wurde „Reparieren am Dienstag“ – eine Veranstaltungsreihe für den Dienstagabend in Bars. In diesen Momenten der Musse wird Selber-Reparieren inszeniert. Durch aktive Teilnahme der Besucher wird die Freude daran erfahrbar gemacht und im Gespräch auf bestehende Angebote hingewiesen. Ergänzend zu dieser Vermittlungsstrategie schliesst ein Online‐Reparaturatlas die Lücke zwischen Reparaturwilligen und Angebot. Das Projekt ist Anstoss zum Selber-‐Reparieren, denn: Wer’s einmal macht, wird’s wieder tun!
Wie manifestieren sich Geschichten über Fundobjekte in Grenzgebieten?
Die Protagonisten meines Projekts sind in Grenzgebieten gefundene Objekte. Kleider, deren Etiketten entfernt wurden, um jegliche Spur zur Identität des Trägers zu löschen, Turnschuhe mit einem Stück Teppich an den Sohlen, um Fussabdrücke zu verhindern, oder Taschenspiegel, die zum Senden von Signalen dienten, falls Rettung benötigt wurde. Diese Dinge beschwören Geschichten herauf und lassen uns über ihre politische Relevanz nachdenken. Ich sammle diese Objekte und verwende sie in dieser Diplomarbeit, weil ich erforschen möchte, wie sie als Idee in die Welt kamen, wie sie gemacht, benutzt
und zurückgelassen wurden. Durch Cultural Probes, kreatives Scheiben und ethnografische Forschung an der Grenze zwischen den USA und Mexiko möchte ich herausfinden, wie sich ihre versteckten Geschichten in ihrer ästhetischen Dimension manifestieren. Als Ergebnis meiner Forschungsarbeit entwerfe ich eine Videoinstallation. Indem ich mit Erwartungen und dem Element der Überraschung spiele, zeige ich eine Reihe von mit weisser Farbe verdeckten Objekten und eine Projektion, wo drei Jungen, die geflohen sind, über die Bedeutung dieser Objekte sprechen.
Mit welchen subversiven Strategien reagieren junge Frauen in Teheran auf problematische politische Zustände und welche materielle Kultur entsteht dabei? Das Leben der Frauen in Iran ist paradox: auf der Strasse müssen sie sich den Gesetzen der islamischen Republik beugen, Kopftuch tragen und dürfen keinem Mann die Hand reichen, im Privaten tragen sie kurze Kleider, feiern Parties und haben einen Freund. Die junge Generation möchte aus diesem widersprüchlichen Leben ausbrechen, doch von einer weiteren Revolutionsbewegung halten sie nichts. Ihr Protest manifestiert sich in alltäglichen Dingen – leise versuchen sie so einen Wandel herbeizuführen. In der 15 Millionen Einwohner Metropole Teheran bin ich auf Frauen gestossen, die sich zwar als unpolitisch sehen, deren Style aber Ausdruck der Einschränkungen und Repressionen ist. Sie machen mithilfe von Dingen problematische politische Zustände sichtbar und bringen damit eine eigene materielle Kultur hervor. Entstanden ist ein Buch, das einen persönlichen Einblick in die Welt hinter dem Schleier von Islam und westlichen Stereotypen zeigt. Ein Buch über alltägliche Dinge, in denen sich Protest und ziviler Ungehorsam von jungen Frauen gegen die Repressionen, die besonders sie treffen, manifestiert. Ein Buch, das von hinten wie von vorne gelesen werden kann – in persischer und westlicher Leserichtung.