Wie kann ein interdisziplinärer Austausch zwischen Forschung, Fiktion und Design zur Reflexion über die Zukunft anregen?
Zukunft ist ein beliebtes Thema – in der Wissenschaft, Gesellschaft und den Künsten. Dennoch herrscht wegen der Komplexität unserer Zeit ein Mangel an Zukunftsvisionen. Zukunftsvisionen spielen aber eine wichtige Rolle, wenn es um die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft geht. Sie unterstützen das Nachdenken über zukünftige Entscheidungen und Handlungen und deren Vorbereitung.
Meine Arbeit hat zum Ziel, den Zugang zu abstrakten Zukunftsvisionen zu erleichtern. Durch die Kombination verschiedener Formate zukunftsorientierten Denkens strebe ich die Eröffnung einer inspirierenden Debatte über aktuelle Entwicklungen und alternative Zukunftsvisionen an. Das Ergebnis meiner Arbeit ist ein Baukasten für spekulatives Zukunftsdenken. Er besteht aus einer kreativen Methode und verschiedenen exemplarischen vorwärtsschauenden Objekten, welche die Vergegenwärtigung der Zukunft auf einer sachlichen, aber einfallsreichen Basis unterstützen. Der kreative und partizipatorische Ansatz fügt einen noch nie da gewesenen Grad zukunftsgerichteten Denkens hinzu.
Wie kann Serendipität dazu beitragen, dass Überraschungen, die Entdeckung von Unbekanntem sowie Musse auf Reisen mehr Raum gewinnen?
Das unabhängige Reisen hat auf der Suche nach Einzigartigkeit und Authentizität seine Grenzen erreicht. Touristen finden es zunehmend schwieriger, mühelos und erwartungsfrei Orte zu entdecken. Wie können Überraschungen, unbekannte Entdeckungen und grösstmögliche Musse mehr Raum bekommen? Durch das Verfolgen der Idee experimentellen Reisens und basierend auf explorativen und autoethnografischen Forschungsmethoden entwickelte ich DSCVR, einen Reiseführer für Serendipität: Anstatt durch die Stadt zu navigieren, lädt er dazu ein,
sich zu verlaufen. DSCVR wirft Fragen auf, regt zu kulturellen Interaktionen an und fordert zum Nachdenken über vergangene Situationen auf. Spielerische Impulse im Führer sollen den Horizont des Reisenden für ungewohnte Erfahrungen erweitern und zur Entdeckung gewisser Ungewissheiten inspirieren – von Honolulu bis nach Hause.
Wie und mit welchen Mitteln ist es möglich, eine urbane Erlebnislandschaft für den Standort Zürich zu konzipieren und umzusetzen? Wir leben in einer Remixkultur und die Rekombination von Dingen ist omnipräsent. Auch Orte, Events und Gastronomie werden gemixt: Gärten mischen sich in Restaurants, Märkte verwandeln sich zu Rummelplätzen und fahrende Küchen werden zu Erlebniswelten. Bei einer näheren Betrachtung weltweiter Pioniere von verschiedensten urbanen Gastronomiekonzepten lassen sich 11 Erfolgsfaktoren herauskristallisieren, welche Grundlage für die Entwicklung einer Erlebnislandschaft für den Standort Zürich waren. Das Ergebnis ist Frau Gerolds Garten, eine Testoberfläche, die Garten, Restaurant, Shops und Eventfläche vereint und im Verlauf eines
Sommers geprüft wurde. Die massive Resonanz auf das Projekt hat alle Erwartungen übertroffen und beantwortet durch eine fundierte Analyse im Wechselspiel von Theorie und Praxis die Forschungsfrage, wie und mit welchen Mitteln in Zürich ein vergleichbares Projekt realisierbar ist.
Wie ist es möglich, mit Kindern an einer utopisch‐schöpferischen Zukunftsgestaltung zu arbeiten? Und wie entwickeln sie Fähigkeiten, um eine tragende Rolle in der Umgestaltung unserer Welt übernehmen zu können?
How can we collaborate with kids to create an utopian‐creative future design? And how can children develop skills to reshape our world?
Im Angesicht der Herausforderungen unseres Zeitalters ‐ Klimawandel, Überbevölkerung, Armut und Energiekrise ‐ scheint unsere Gesellschaft gelähmt. Die Probleme sind mittlerweile zu komplex für einen lösungsorientierten Diskurs. Um zu einem produktiven Handeln zurückzukehren, müssen wir die Zukunftsgestaltung für vermeintlich Unbeteiligte öffnen. Was es für eine frische Denkweise braucht, das haben Kinder weltweit gemeinsam: Einen offenen Geist, Unvoreingenommenheit, Erfindungsgabe und Kooperationsvermögen. Doch wie ist es möglich, mit Kindern an einer utopisch‐schöpferischen Zukunftsgestaltung zu arbeiten? Dieses Projekt beschäftigt sich mit Design Thinking als Methode, um mit Kindern an unkonventionellen Zukunftsvisionen zu arbeiten. Dass Design dazu beitragen kann, mit Kindern ein Bewusstsein für die Notwendigkeit eines Umdenkens bezüglich unserer gemeinsamen Zukunft zu schaffen, dieser Erkenntnis widmet sich das Artefakt meiner Arbeit – das Future Mavens Lab.
Welche visuellen Zeichen enthält der Kleidungsstil türkischer Postmigranten und lässt sich diese Migrationsästhetik in eine Modeästhetik transformieren?
In Metropolen wie Berlin, Hamburg und Zürich findet eine Verdichtung türkischer Migrantenkultur statt. Es riecht nach Ali’s‐Backwaren und Meraba-Dönerimbiss. Halbstarke Türken mit Kickboxfrisuren und gezupften Augenbrauen prägen das Strassenbild. Eine hybride Lebensweise aus zwei Kulturen manifestiert sich in ihrer Stylekultur. Auf der Basis von Fotografien junger türkischer Postmigranten in Zürich und an Hand von Bildmaterial aus ihrer Alltags‐ und Lebenswelt im Social Web werden kleidungsspezifische Zeichen sichtbar gemacht, decodiert und transformiert. Details und Tragweisen ihrer Kleidung dienen als Vorlage für die Kollektion «Türkenstyle Vallah Geil». Sie ist ein Aneignungstool und dient als Vermittlungskonzept dieser Stylekultur. Warum also nicht die Hose hochkrempeln, den Nike Air Max anziehen und die Bauchtasche umschnallen, um den bislang abschätzig behandelten «Türkenstyle» aufzuwerten und zu einem «Must Have» zu erheben.
Wie kann CITY CURATION zum Schutz und zur Förderung von Diversität auf Haupteinkaufsstrassen beitragen? Weltweit erfahren Haupteinkaufsstrassen dramatische Transformationen. Während Globalisierung Diversität verspricht, bietet die Dominanz von multinationalen Marken auf unseren Haupteinkaufsstrassen weltweit dasselbe repetitive Bild. Welche Folgen hat dieser Wandel? Welche Massnahmen können ergriffen werden, um diesem Trend entgegenzuwirken? IDENTI.CITY untersucht die aktuellen Entwicklungen an den Haupteinkaufsstrassen der Innenstädte und prüft sozioökonomische Faktoren, die auf Gesprächen mit Einzelhändlern, Gebäudebesitzern, Stadtplanern und Sozialgeografen basieren. Ziel dieses Papers ist es, lokalen Behörden, Entwicklern, Strassenvereinigungen und Gemeinschaftsgruppen strategische Empfehlungen zur Verfügung zu stellen. Es zeigt auf, wie die Kräfte, die Auswirkungen auf prominente urbane Standorte haben, mit CITY CURATION kontrolliert und Haupteinkaufsstrassen neues Leben eingehaucht werden können.
Mit welchen Problemen sieht sich ein/e Expert Designer/in in der Erarbeitung und Ausführung sozial ausgerichteter (Design-)Projekte konfrontiert?
Die Welt verändert sich grundlegend und mit ihr auch Design. Als eine der flexibelsten Disziplinen erlebt sie gerade in Krisenzeiten ihr innovativstes Potential. Vor dem Hintergrund ökonomischer und Ressourcen bedingter Diskussionen, auf der Suche nach Sinn-Jobs und unterstützt durch den Konnektivitätstrend entwickelt sich Social Design für Gestaltende zu einem versprechenden wicked-problems-Löser. Doch mit welchen Problemen sieht sich ein Expert Designer/in in der Erarbeitung und Ausführung sozial ausgerichteter (Design-) Projekte konfrontiert? Mit Hilfe von autoethnografischen und partizipativen Methoden ging ich in Mexiko auf die Suche nach Praktiken und sammelte Beobachtungen sowie Erfahrungen. Das analysierte Wissen, das ich durch ein Toolkit ergänze, welches für jedermann zugänglich und überall produzierbar ist, bereitet Social Expert Designer/innen auf Projekte vor, sensibilisiert auf zentrale Themen und assistiert im Feld.
Welche Motivation, Haltung und Wertvorstellung verbergen sich hinter der Zerstörung von Konsumgütern im globalen Kontext?
Ausgehend von der Beobachtung des Phänomens Izikhothane beschäftigt sich die Arbeit mit der Zerstörung von Konsumgütern im globalen Kontext. Izikhothane ist eine Jungendbewegung in den Townships von Johannesburg/Südafrika. In einem Wettkampf, zerreissen deren Repräsentanten ihre Designerkleider und verbrennen Geldscheine. Ein ähnlich kontroverses Zerstörungsphänomen kursiert derzeit auf YouTube. Brandneue iPhones werden erschossen, gebraten oder von einem
Ferrari überfahren. Die Aktionen verwirren. Mit dem Soziologen Erving Goffman fragen wir: „Was geht hier eigentlich vor?“ In Form einer Videoinstallation werden die Zerstörungsphänomene offengelegt. Das Artefakt dient als Instrument, um eine lustvolle, kritische und kontroverse Debatte auszulösen.
Mit welchen subversiven Strategien reagieren junge Frauen in Teheran auf problematische politische Zustände und welche materielle Kultur entsteht dabei? Das Leben der Frauen in Iran ist paradox: auf der Strasse müssen sie sich den Gesetzen der islamischen Republik beugen, Kopftuch tragen und dürfen keinem Mann die Hand reichen, im Privaten tragen sie kurze Kleider, feiern Parties und haben einen Freund. Die junge Generation möchte aus diesem widersprüchlichen Leben ausbrechen, doch von einer weiteren Revolutionsbewegung halten sie nichts. Ihr Protest manifestiert sich in alltäglichen Dingen – leise versuchen sie so einen Wandel herbeizuführen. In der 15 Millionen Einwohner Metropole Teheran bin ich auf Frauen gestossen, die sich zwar als unpolitisch sehen, deren Style aber Ausdruck der Einschränkungen und Repressionen ist. Sie machen mithilfe von Dingen problematische politische Zustände sichtbar und bringen damit eine eigene materielle Kultur hervor. Entstanden ist ein Buch, das einen persönlichen Einblick in die Welt hinter dem Schleier von Islam und westlichen Stereotypen zeigt. Ein Buch über alltägliche Dinge, in denen sich Protest und ziviler Ungehorsam von jungen Frauen gegen die Repressionen, die besonders sie treffen, manifestiert. Ein Buch, das von hinten wie von vorne gelesen werden kann – in persischer und westlicher Leserichtung.
Wie kann Ereignisdesign auf eine gesellschaftliche Werthaltung in Bezug auf Fleisch einwirken?
Ressourcenverknappung und technischer Fortschritt wird den Fleischkonsum verändern. Geprägt durch unsere gesellschaftliche Werthaltung akzeptieren wir manche Entwicklungen, andere lehnen wir ab. Die neue Herausforderung im Umgang mit unserer Ernährung: Mmh! oder Hmm? In dieser Arbeit wird die Werthaltung zu Fleisch mittels Ereignisdesign untersucht. Iterative, gestalterische Experimente dienen zur Datenerhebung. Es wird überprüft, ob und wie mit Ereignisdesign auf die kulturelle Konditionierung eingewirkt werden kann. Aus den Untersuchungen resultiert die MMHorHMM Future|Meat|Gallery, eine Meinungsbildungsplattform, auf der man durch eine körperlichsubjektive Erfahrung zukünftigen Fleischkonsum und Esskultur spielerisch reflektiert und über Alternativen nachdenkt.
Was für künftige Szenarien können für die Modeindustrie im Jahr 2040, basierend auf aktuellen Veränderungen und Trends, erstellt werden?
Mode ist aus der Mode. Die Beschleunigung des Prozesses, Kollektionen zu entwerfen, hat zu einer Stagnation der Kreativität in der Modeindustrie des Westens geführt, der es versäumt hat, mit den neusten Entwicklungen Schritt zu halten: Kundenspezifische Produkte, Nachhaltigkeitsprinzipien und digitales Networking zwingen das System, sich neu zu erfinden. MADE IN 2040 untersucht sowohl Trends als auch Innovationen und überträgt sie in die Zukunft. Unter Verwendung explorativer Szenarios beschreibt das Projekt Visionen für morgen: Wird die Modeindustrie schnell, funktional, gesund, kundenspezifisch, digital, langsam sein? Der vorausschauende Bericht MADE IN 2040 bereitet in der Modebranche tätige Berufsleute für langfristige Entwicklungen vor und regt die Diskussion über die Zukunft der Mode an – sind Sie prêt-(à-porter) für die Zukunft?
Was ist die Vergangenheit der Zukunft?
What is the past of the future?
Wir produzieren im Diktat des Fortschritts laufend Neues – neue Waschmittel, neue Autos, neue Subkulturen, neue Kunst, neue Theorien. Doch irgendwie ahnt man: Das alles ist schon mal
dagewesen. Wir bedienen uns im Archiv des Vergangenen und kombinieren aus Altem Neuartiges. Es ergeben sich Kopien der Kopien der Kopie – wie neu kann das Neue dann überhaupt sein? Die theoretische Untersuchung der Begriffe Original, Kopie und Remix wird in der Masterarbeit in die Praxis übersetzt und durch die Entwicklung eines Kombinationswerkzeugs, bestehend aus 40 Bauklötzen, explorativ untersucht. Diese sind mit 222 Wortteilen von Trendbegriffen wie glocalisation, freemium, urban farming und aerotropolis bedruckt. Damit kann man aus bestehenden Phänomenbeschreibungen unter anderem Neologismen kombinieren und eine spielerische Antwort auf die Leitfrage dieser Arbeit erhalten; ob es in der Tat nichts geben wird, was es nicht schon gab.