Olivia Büchel befasst sich in ihrer Masterthesis mit der emotionalen Dimension von gesellschaftlichen Krisensituationen und deren fehlenden Thematisierung in Institutionen. Ausgehend von Care- und Affekttheorien problematisiert sie den Mangel an Raum, der negativen Gefühlen in institutionellen Kontexten gegeben wird und fragt nach künstlerischen Strategien der Institutionskritik. Vor diesem Hintergrund setzt sie sich künstlerisch mit der Frage auseinander, wie Zuwendung zu sich selbst jenseits gesellschaftlicher und institutioneller Aufforderungen zur Selbstfürsorge realisierbar ist. Entstanden ist eine Rauminstallation, in der Gummibälle als Symbole für Fragen der Selbstwirksamkeit, der Verharmlosung, des Trostes und der Konfrontation im Kontext «institutioneller Positivkultur» spielerisch in Zusammenhang mit Erfahrungsberichten und Fotografien gebracht werden.
Diese Arbeit ist eine Beschreibung des Sprachfindungsprozesses von Nagihan Okyay, dessen Ziel es ist, zu einem passenden Wortschatz zu gelangen, der es der Malerin ermöglicht, ihre nonverbalen Malmomente angemessen zu verbalisieren. Okyays Arbeit bewegt sich entlang folgender Fragestellungen: Wie finde ich eine differenzierte Sprache für die Beschreibung und Interpretation eines Bildes? Wie schaffe ich es, mich differenziert auszudrücken, um die Interpretation und den Entstehungsprozess der Malerei in Worte zu fassen? Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse und Reflexion der Wörter, mit denen dem «nicht gesprochenen Malen» eine Stimme verliehen wird. Hierfür stützt sich Okyay unter anderem auf Texte von Roland Barthes, in denen Barthes Cy Twomblys Bilder beschreibt und dafür aussergewöhnliche Begriffe, Beschreibungen und Alltagsanalogien verwendet. Okyay stellt in ihrer Arbeit einen Zusammenhang zwischen Barthes’ Begriffen und der Beschreibung des eigenen Malprozesses her.
Der Vorhang bleibt zu. Er ist Hauptdarsteller von Selina Schlumpfs Masterarbeit und tritt darin als eine ambivalente Gestalt auf. In ihm vereinen sich die Funktionen des Verbergens und Enthüllens. Indem er fast nichts zeigt, wird etwas Anderes sichtbar. Er erzeugt suspense – indem er verbirgt, verspricht er etwas, weckt Erwartungen und das Verlangen, hinter ihn zu sehen. Somit verkörpert er eine spezifische Form der Verweigerung; eine Verweigerung, die mit Begehren aufgeladen ist. In «Opaque Reflections» denkt Schlumpf vor und hinter dem Vorhang, zwischen transparenten Sichtbarkeiten und trüben Verschleierungen über die Verbindung von Opazität und Begehren nach. Zusammenhänge von Sehen und Wissen, (Un-)Sichtbarkeiten und (Ent-)Täuschungen stehen dabei im Zentrum. Schlumpfs Masterthesis reflektiert die Funktionen des Vorhangs nicht nur inhaltlich, sondern auch auf sprachlich-formaler Ebene: In einer opaken, fragmentierenden Sprache verknüpft Schlumpf queerfeministische und psychoanalytische Perspektiven auf das Begehren nach Bildern mit Reflexionen zum Vorhang als Denkbild zu einer sich in sich selbst faltenden, mehrstimmigen Assemblage. Im Verbergen und Versprechen, entlang der widersprüchlichen Potentiale des Sich-Entziehens und der Intransparenz, wird das Begehren nach Opazität reflektiert.
Jacqueline Maibach setzt sich in ihrer Masterthesis mit Wahrnehmungsregimes im Zusammenhang mit der Konstituierung und Dekonstruktion von Gender, race und Klasse auseinander. Am Beispiel vestimentärer Praktiken und (selbst)inszenierender Körperpolitiken untersucht Maibach ästhetische Strategien, die normalisierte Strukturen der Wahrnehmung und Attribuierung offenlegen, unterwandern und gleichzeitig neue Betrachtungs- und Handlungsweisen aufzeigen. Dabei fokussiert sie auf Ästhetiken, die an den Grenzen des «guten Geschmacks» agieren, das «Akzeptable» stören, das «Modische» herausfordern: Ästhetiken des Glanzes, des Blings, des Exzesses. Maibach zeigt auf, inwiefern sich darin ein konflikthaftes Verhältnis von Kritik, Befreiung und Unterwerfung artikuliert, das hegemoniale Wahrnehmungsregimes und Identitätskonstruktionen mittels widerständiger Affirmation herausfordert.
Unterricht zeichnet sich durch begrenzte Planbarkeit und unklare Wirkung aus. Entsprechend gilt Ungewissheit in verschiedenen professionstheoretischen Ansätzen als zentraler Bestandteil lehrberuflichen Handelns. Insbesondere Berufseinsteiger:innen werden in der Komplexität des Berufsalltags häufig mit Momenten der Ungewissheit konfrontiert: Unvorhergesehene Situationen erfordern rasche Entscheidungen. Künstlerisch-ästhetische Lernprozesse bedürfen zudem einer grossen Offenheit. Inwiefern verändert die Auseinandersetzung mit Ungewissheit im Kunstunterricht die Wahrnehmung der eigenen Vermittlungspraxis? Ilaria Fosca geht in ihrer Masterarbeit der Frage nach, welchen Formen von Ungewissheit und den damit verbundenen Herausforderungen und Potenzialen sie als berufseinsteigende BG-Lehrperson begegnet. Methodisch stützt sie sich auf das Sammeln von Fragen sowie das Reflektieren von Fallbeispielen, um eine persönliche Haltung als Lehrperson zu entwickeln. Als ehemalige Leistungssportlerin im Eiskunstlaufen nutzt sie zudem ihr Erfahrungswissen, indem sie die Sportart als Analogie zur kunstpädagogischen Professionalisierung befragt.
Ein abgelegenes Internat, See, Idylle. Mittendrin eine Schülerin, die sich Gedanken macht; Gedanken zu Jesus und dessen Alkoholproblem, zur innigen Beziehung zweier Ordensschwestern, zu der Archäologin, die bei der Verlegung einer Fussbodenheizung im Kreuzgang auf ein Skelett stösst, zu ihrer Mitschülerin Leonie. Vor allem aber macht sie sich Gedanken zu sich selbst; zu ihrem Geschlecht – gottgegeben – und dazu, was es heisst, an einem Ort aufzuwachsen, der von alten Dingen, Strukturen und Gewohnheiten geprägt ist. Mit ihrer Masterthesis dringt Norma Eggenberger (alias Norma Rizzo) hinter brüchige Klostermauern, findet pubertären Frust, Wut, Sanftheit, Heimweh und viel Sehnsucht nach Dingen ohne Namen.
Ajvar – die rote Paste wird traditionell im Herbst, in grossen Mengen und im Freien zubereitet. Das Selbermachen von Ajvar hat auf dem Balkan Tradition und ist fester Bestandteil der kulturellen Identität. Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat Melisa Muhtari nicht nur ihren ersten «Ajvar vom Hof» produziert, sondern sich auch vertieft mit dem Verhältnis von Essen und kultureller Identität auseinandergesetzt. Entstanden ist der wohl erste Ajvar-Comic überhaupt. Muhtari zeigt darin, was Ajvar ist und wie er hergestellt wird, und reflektiert vor diesem Hintergrund, wie Zugehörigkeit und Identität mit der Zubereitung und dem Konsum von Nahrungsmitteln verknüpft sind.
Der urbane öffentliche Raum ist ein zentraler Bestandteil des Alltags. Er wird von einer vielfältigen Allgemeinheit genutzt und ist geprägt von den Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen. Leila Remstedt-Drews’ Masterarbeit verfolgt das Ziel, die Bedürfnisse und Erwartungen von Jugendlichen in diesem Kontext zu identifizieren. Dazu analysiert, entwickelt und erprobt sie Methoden des gestalterischen Unterrichtens, die das Bewusstsein für die Komplexität des öffentlichen Raums, seine verschiedenen Nutzungsgruppen und deren unterschiedliche Bedürfnisse schärfen. Insbesondere interessiert sie sich für Methoden, die Jugendliche dazu anzuregen, sich als aktive Nutzer:innen und Akteur:innen des öffentlichen Raums zu verstehen. Drews macht deutlich, dass dieses Selbstverständnis die Voraussetzung dafür bildet, dass Jugendliche ihre Bedürfnisse überhaupt wahrnehmen und ihre Nutzung des öffentlichen Raumes reflektieren können.
Laura Locher setzt sich in ihrer Masterarbeit mit dem Verhältnis von Schnitt beim Filmemachen und Schnitt beim Kleidermachen auseinander. Dabei interessiert sie sich insbesondere für die Schnittstellen zwischen den beiden Bereichen. Für ihren Essayfilm «Schnitt für Schnitt» begleitet sie den Schneider Loran Mscho bei der Eröffnung seiner Schneiderei in Zürich und dokumentiert die ersten paar Monate seiner Geschäftstätigkeit. Der Schnitt des Filmes ist inspiriert von Schnitttechniken aus der Mode, die Locher spielerisch experimentierend auf ihr Filmmaterial anwendet. Der Schnitt als die Wahl, welche Teile des Rohmaterials wie verwendet und zusammengefügt werden, ist entscheidend dafür, was aus einem Stoff wird. Dass dies für das Filmemachen und das Kleidermachen gleichermassen gilt, zeigt Lochers Arbeit exemplarisch auf.
Aufgrund der Schliessung der Textildruckerei Mitlödi im Januar 2024 endete die Kollaboration von Mara Danz’ Mode- und Textilstudio mit der Glarner Produktionsstätte. In ihrer künstlerisch forschenden Recherche untersucht sie die eigene Faszination für textiles Handwerk und entwickelt eine kritisch reflektierende Praxis. Sie begibt sich auf eine Wanderung durch Glarner Textilorte und trägt Fundstücke zusammen. Mara Danz verwebt Text- und Bildquellen, Gedanken und Verweise zu einer textilen Landkarte.
Wie kann immaterielles Kulturerbe, das heisst überlieferte Ausdrucksformen, die an menschliches Wissen und Können gebunden und nicht in einem materiellen Sinn greifbar sind, in Ausstellungen gezeigt werden? Dieser Frage geht Linda Walter in ihrer Masterthesis nach, indem sie die Repräsentation und Inszenierung von immateriellem Kulturerbe in vier verschiedenen Ausstellungssituationen analysiert. Dabei interessiert sie sich insbesondere für Ansätze, die den Körper als Medium immaterieller Kultur verstehen. Vor diesem Hintergrund arbeitet Walter gestalterische Techniken des Dar- und Ausstellens heraus, mit welchen Besucher:innen aktiv eingebunden werden und immaterielles Kulturerbe sinnlich erfahren können.