«Sicher haben wir uns noch etwas zu sagen, wir sind ja immer noch wir.» Diese Behauptung der Ich-Erzählerin zieht sich durch Ava Slappnigs Erzählung «Flaum». Darin fahren zwei junge Frauen für ein Wochenende gemeinsam in die Berge; in eine Ferienwohnung, die beide aus ihrer Kindheit kennen. Ist das der Beginn der Wiederbelebung einer Freundschaft? Die Protagonistinnen schaukeln durch die Tage, besuchen altbekannte Orte, reden wenig und schweigen viel. «Flaum» fragt danach, was mit uns und unseren Beziehungen passiert, wenn wir erwachsen werden; wie wir erinnern und verdrängen, woran wir festhalten und wovon wir uns lösen.
Maurin Baumanns Romanmanuskript «Overkill» dreht sich um die Geschichte des jungen Ich-Erzählers Xaver, der mit der autonomen Besetzungs- und Graffitiszene einer anonymen, mittelgrossen Stadt verwachsen ist. Nach einer Razzia überschlagen sich die Ereignisse. Die täglichen Minimaldissense in den besetzten Häusern weichen plötzlich existentiellen Konflikten; die errungenen Freiräume geraten unter Druck. Die Handlung ist geprägt von Xavers Suche nach dem «Guten Leben» in einer Subkultur, die zwischen Orientierungslosigkeit und Utopie torkelt – immer eine Haaresbreite davon entfernt, auf den betonharten Boden der Tatsachen zu stürzen.
Ein abgelegenes Internat, See, Idylle. Mittendrin eine Schülerin, die sich Gedanken macht; Gedanken zu Jesus und dessen Alkoholproblem, zur innigen Beziehung zweier Ordensschwestern, zu der Archäologin, die bei der Verlegung einer Fussbodenheizung im Kreuzgang auf ein Skelett stösst, zu ihrer Mitschülerin Leonie. Vor allem aber macht sie sich Gedanken zu sich selbst; zu ihrem Geschlecht – gottgegeben – und dazu, was es heisst, an einem Ort aufzuwachsen, der von alten Dingen, Strukturen und Gewohnheiten geprägt ist. Mit ihrer Masterthesis dringt Norma Eggenberger (alias Norma Rizzo) hinter brüchige Klostermauern, findet pubertären Frust, Wut, Sanftheit, Heimweh und viel Sehnsucht nach Dingen ohne Namen.
Ajvar – die rote Paste wird traditionell im Herbst, in grossen Mengen und im Freien zubereitet. Das Selbermachen von Ajvar hat auf dem Balkan Tradition und ist fester Bestandteil der kulturellen Identität. Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat Melisa Muhtari nicht nur ihren ersten «Ajvar vom Hof» produziert, sondern sich auch vertieft mit dem Verhältnis von Essen und kultureller Identität auseinandergesetzt. Entstanden ist der wohl erste Ajvar-Comic überhaupt. Muhtari zeigt darin, was Ajvar ist und wie er hergestellt wird, und reflektiert vor diesem Hintergrund, wie Zugehörigkeit und Identität mit der Zubereitung und dem Konsum von Nahrungsmitteln verknüpft sind.
Im Dokumentarfilm «Szenenwechsel», den Alice Sommer in Ko-Autorinnenschaft mit der HKB-Studentin Anna Urwyler realisierte, begeben sich die beiden Kunsthochschulstudentinnen auf einen Mini-Roadtrip durch Bern. Die Protagonist:innen Erika, Sam und Obada nehmen die beiden Filmemacherinnen mit an ihre Familientische und an weitere zentrale Orte ihres Lebens, die, wenngleich in unmittelbarer geografischer Nachbarschaft, in ganz anderen Welten zu liegen scheinen. Die sozialräumlichen Strukturen, in denen sich die Protagonist:innen bewegen, unterscheiden sich nicht nur voneinander, sondern auch von jenen der Filmemacherinnen. Beim Visionieren der Filmaufnahmen aus der Garage der freiwilligen Feuerwehr, dem Barbershop oder dem evangelischen Kirchgemeindehaus sprechen die Filmemacherinnen und Protagonist:innen gemeinsam über Komfortzonen, Vorurteile und die Möglichkeit von Freundschaft über die eigenen sozialen Kreise hinaus.