Heutzutage hat der Begriff «Alte Musik» seine Bedeutung grundlegend geändert: Bezog man sich damit noch vor wenigen Jahren grundsätzlich auf Musik, die vor der Wiener Klassik komponiert wurde, so hat die sogenannte historische Aufführungspraxis längst das Repertoire bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erobert. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um das Spiel «alter» Musik auf «alten» Instrumenten, sondern vielmehr um grundsätzliche aufführungspraktische Fragen musikalischer Interpretation, sei es auf dem historischen oder dem modernen Instrumentarium. So beschränkt sich die Arbeit einer Abteilung der Alten Musik an einer modernen Musikhochschule nicht mehr nur auf den selbstverständlichen Haupt- und Nebenfachunterricht auf «historischem» Instrumentarium. Die historische Aufführungspraxis in all ihren Facetten gehört heutzutage so selbstverständlich zum modernen Konzertbetrieb, dass sie auch in der Musikausbildung zur Normalität geworden ist. Im Studienjahr 2016/17 ist der Schwerpunkt einem der wohl wichtigsten Ereignisse der abendländischen Geschichte gewidmet: der Reformation, die vor 500 Jahren durch Martin Luthers Thesenanschlag ausgelöst wurde. Dass Luther gerade der Musik eine so besondere Rolle in seiner Theologie einräumte, sollte für den weiteren Verlauf der Musikgeschichte Massstäbe setzen. Etwa das Werk eines Johann Sebastian Bach ist ohne Martin Luther schlichtweg nicht vorstellbar.
Aber auch die Verdienste um die deutsche Sprache, die Luther sich mit seiner berühmten Bibelübersetzung erworben hat, sollen gewürdigt werden und einen Ausgangspunkt zur Beschäftigung mit der Sprachlichkeit und Sprachbezogenheit von Musik bilden.