Die Arbeit geht auf der theoretischen Ebene der Frage nach, wie detaillierte Datenerhebung, Vermischung von Arbeit und Privatem und Erschöpfung zusammenspielen. Die Quantified Self -Bewegung dient dabei als Fallbeispiel in der von Ullrich Bröckling und Alain Ehrenberg beschriebenen, nach Selbstoptimierung strebenden kapitalistischen Leistungsgesellschaft.
In den Performances hat Eva Wottreng versucht, in die Praxis umzusetzen, mit was sie sich in der Theorie beschäftigte, oder zumindest Elemente davon aufzugreifen. So sind in den Performances Begriffe wie Selbstkontrolle, Fremdüberwachung, Datenveröffentlichung, Privatheit, Selbstinszenierung, Körper - Maschine und Erschöpfung Themen.
Eva Wottreng ist auf einem Laufband bis zu dem Punkt gerannt, an dem sie sich erlaubte, aufzuhören. Der Prozess der Erschöpfung, der sonst eher im Privaten geschieht, wird Zuschauern offengelegt. Ebenso Daten und Bilder, die dabei erhoben werden. Quantified Self - Anhänger legen weniger den Akt, als vielmehr Daten, die darüber erzählen, offen. Die Offenlegung der Daten beinhaltet ebenso Selbstinszenierung als auch soziale Kontrolle. So änderte sich auch das Rollenverständnis während der Performance ständig, einmal war sie Autorin und Gestalterin der Gesamtinstallation im Schaufenster, ein anderes Mal Gejagte der Maschinerie, die sie selbst erschaffen hatte, die sich aber verselbständigt hat.
Byung - Chul Han unterscheidet zwischen der Müdigkeit der positiven Potenz, eine Müdigkeit, die durch ausbleibende Limitierung und Grenzen und durch ein Übermass von Möglichkeiten und Tätigkeiten entsteht, und der Müdigkeit der negativen Potenz, eine Müdigkeit, die durch das "Nicht - Mehr" und das "Nicht - Tun" hervorgerufen wird. Ersteres führt oft zur Erschöpfung und der in unserer Gesellschaft weit verbreiteten Depression.
Die Erschöpfung, die nach Abbruch des Rennens eintrifft, ist eine andere Erschöpfung als die Erschöpfung der positiven Potenz, die Eva Wottreng in ihrer theoretischen Arbeit behandelt. Analog dazu verhält sich ihres Erachtens in der Performance am ehesten der Moment während des Rennens - der Moment, wenn die Maschine läuft und es kein Woher und Wohin gibt.
Die stetige Selbstoptimierung, das ständige Feilen am eigenen Produkt, der konstante Abgleich des eigenen Preises mit der Konkurrenz, ist ein nie abgeschlossener Prozess und ein nie abgeschlossener Wettlauf.
Denkt man dies weiter, stellt sich die Frage, welche Rolle der eventuell eintretende Kollaps spielt. Stellt dieser dann die von Han gelobte Müdigkeit der negativen Potenz dar? Oder befördert er einem nur ins Abseits der Gesellschaft?
Während der Arbeit wurde die Frage wichtig, was in einer solchen Maschinerie des Leistungs- und Selbstoptimierungsimperativs Widerstand darstellen könnte. Indifferenz? Stillstand? Leistungsverweigerung? Sabotage? Das Ausführen von sinnentleerten, nicht zielgerichteten Handlungen? Der Kollaps? Die vermehrte Sorge um die Gesellschaft statt um sich selbst?
Ausgehend von der Annahme, dass sowohl Einwohner:innen als auch Gemeinden von selbstorganisierten und gemeinschaftlichen Aktivitäten profitieren, untersucht die Autorin, wie diese begünstigt werden können. Mittels Theorien und Modellen zur Aktivierung von Selbstorganisation und Partizipation unternimmt sie in drei Zürcher Gemeinden Interventionen und testet, wie sich die Aktivierung von Kontaktknüpfen, Engagement oder Erfahrungen auswirkt. Das Ergebnis: Vorhandene Bedürfnisse oder Möglichkeitsräume sind nicht ausreichend, damit Selbstorganisation stattfinden kann. Vielmehr gilt es, Interessen/Kompetenzen anzusprechen; zudem helfen aufbrechende Elemente, damit sich gemeinschaftliche Tätigkeiten organisieren. Als praktisches Resultat leitet sie Empfehlungen zur Selbstorganisation für Gemeinden, für den digitalen Anbieter Crossiety sowie für Einwohner:innen selbst ab.
Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind Spaziergänge durch die Stadt. Ich frage nach der Tradition, in welcher ich als spazierende Künstlerin stehe. Dabei gehe ich von der Annahme aus, dass der Spaziergang durch die Stadt intensive Denk- und Wahrnehmungserlebnisse begünstigt. Ich untersuche, ob Spaziergängen auch so etwas wie ein subversives Potential inne wohnt und, wenn ja, wo ein solches liegen könnte.
Seit die Zürcher Hochschule der Künste 2014 ihre neuen Räumlichkeiten auf dem Toni-Areal bezogen hat, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, von zuhause aus zum Toni-Areal und zurück zu gehen. Nicht selten lasse ich mich vom direktesten Weg abbringen und zu Erkundungen verführen. Anstatt links gehe ich rechts, bleibe stehen, schaue mich um. Unterwegs mache ich Fotografien und Videos, die ich später als Ausgangspunkt für die Malerei verwende.
Als Spaziergängerin begebe ich mich auch in das weite Feld der Spaziergangsdiskurse. Der eingeschlagene Weg gibt Einblick in meine Auswahl künstlerischer und kulturtheoretisch-philosophischer Positionen aus Europa und Amerika seit dem 19. Jahrhundert. Ich gehe der Frage nach, in welcher Tradition ich als spazierende Künstlerin stehe. Dabei wird der Spaziergang als Tätigkeit untersucht, bei der sich die Vorgänge des Gehens, Denkens und Wahrnehmens eng miteinander verflechten und bei der auch das Denken unerwartete Richtungen einschlägt. An der Konstitution eines Spaziergangserlebnisses grundlegend beteiligt, liegt ein thematischer Schwerpunkt auf der Stadt und auf der Wahrnehmung der Stadt durch die Spaziergängerinnen und Spaziergänger. Es wird untersucht, ob Spaziergängen auch so etwas wie ein subversives Potential inne wohnt und, wenn ja, wo ein solches liegen könnte. Zum Schluss behandle ich den Spaziergang als Zugang und Themenquelle für die Malerei. Das Kapitel führt zu meiner künstlerischen Auseinandersetzung hin, die das Verfassen dieser Arbeit begleitet. Sie ist eine malerische Erkundung der Stadt, meiner Spaziergänge und meines flanierenden Denkens.
In einem multikulturellen Haushalt aufzuwachsen, empfand ich immer als sehr bereichernd und wertvoll. Ich sah die Herkunft meiner Eltern (mein Vater ist Italiener und meine Mutter Indonesierin) als wesentlichen Teil meiner Identität. Doch in den letzten Jahren habe ich realisiert, dass ich diesen Kulturen vielleicht gar nicht so nah bin, wie ich immer dachte.
Meine Malereien zeigen Orte, Erinnerungen oder Erzählungen, die in unterschiedlicher Weise mit meinen Erfahrungen bezüglich beider Kulturen zu tun haben. Dabei möchte ich anhand der Farbigkeit eine wohltuende Atmosphäre erzeugen, gleichzeitig aber auch das Thema Verlust ansprechen.
Diese Diplomarbeit ist meine persönliche Auseinandersetzung mit der Frage nach Identität und Entfremdung, Sehnsucht und Nostalgie, Paradiesvorstellung und Realität.
Leere PET-Flaschen im Gebüsch. Kunststofffasern im Abwasser. Mikroplastik im Verdauungstrakt der
Seegurke. Die Hinterlassenschaften unserer Zivilisation schwimmen in den Gewässern, sickern in den
Boden ein und lagern sich im Sediment ab. Wir leben im Anthropozän: Im Zeitalter, in dem der Mensch
zum primären geologischen Einflussfaktor geworden ist. Die Tragweite der damit verbundenen
Auswirkungen wird von diversen Disziplinen erkannt und aufgegriffen. Nicht nur in der Politik und
Wissenschaft, sondern auch in der Kunst.
Diese Arbeit stellt die Hypothese auf, dass die Annäherung an naturwissenschaftliche Themen auf eine
künst-lerisch / gestalterische Weise unter Einsatz von Modellen geschehen kann. Eine damit verbundene
Vermutung ist, dass diese Modelle auf grundlegende Weise Einfluss nehmen auf den Entwicklungsprozess
und die Rezeption der künstlerischen Werke. Die entsprechende Forschungsfrage lautet:
Welches Potential hat der Einsatz von ‹Modellen› im künstlerisch / gestalterischen Kontext
als Strategie zur Annäherung an naturwissenschaftliche Themen?
Dazu werden drei künstlerische Werke betrachtet: Pinar Yoldas ‹An Ecosystem of Excess› (2014),
Cornelia Hesse-Honeggers Projekt ‹Die Macht der Schwachen Strahlung› (2016) und Gerda Steiner und
Jörg Lenzlingers Ausstellung ‹Nationalpark› (2013).
Die Künstlerinnen und Künstler sprechen im Zusammenhang mit ihren Arbeiten selber nicht von
Modellen. Dieser Blickwinkel wird bewusst eingenommen, um eine neue Perspektive auf die eingesetzten,
gestalterischen Elemente zu erlangen. Als zentrales Werkzeug der Untersuchung dient dabei
Reinhard Wendlers Publikation ‹Das Modell zwischen Kunst und Wissenschaft› (2013).
Wie sich in der Auseinandersetzung zeigt, ist die Frage danach was ein Modell ist viel weniger fruchtbar
als die Frage danach, welche Konsequenzen es hat, einen Gegenstand in einer bestimmten Situation
als Modell aufzufassen. Grossen Einfluss auf solche Vorgänge hat neben der materiellen Verfasstheit der
Modelle auch die Art und Weise, wie man den Modellen begegnet beziehungsweise in welche Prozesse
man sie einbindet. Je nach dem welchen Blick man auf sie richtet, können Modelle Vermittlungsobjekt,
Entwurfswerkzeug, visuelle Spekulation oder Denkinstrument sein.
Im Umgang mit Modellen darf deren aktives Potential nicht ausser Acht gelassen werden. Modelle
ermöglichen Visualisierungen und Denkvorgänge, sie schränken diese jedoch gleichzeitig auch auf
eigenmächtige Weise ein.
Modelle können als Instrument genutzt werden, um sich mit bisher unbekanntem oder gar utopischem zu
beschäftigen. Dieses Potential wird in der eigenen gestalterischen Arbeit genutzt. In Form von narrativen
Texten, sowie Objekten werden sprachliche und plastische Modelle entwickelt. Mit deren Hilfe versucht
die Autorin nicht nur dem Thema der plastikverschmutzen Meere näher zu kommen, sondern auch der
darin lebenden Seegurke.
Was geschieht, wenn sich die Atmosphäre niederschlägt, die Luft durch Niederschläge gereinigt wird und sich ein grauer sedimentierter Staub auf Oberflächen absetzt?
Staubniederschlag ist sedimentierter Aussenstaub, zusammengesetzt aus akkumulierten Abrieben der weltlichen Tätigkeit. Dieses vermischte graue Material fungiert zwischen Absenz und Präsenz. Es triit als Informationsträger von vergangenen und momentanen, anthropogenen und natürlichen Handlungen auf oder bleibt als Mitbestandteil der Aussenwelt unbeachtet.
Mit keramischen Brennverfahren wird das lose und ständig migrierende Material zu einem eingebrannten Zeitzeugen transformiert. Der sedimentierte in seiner Erscheinung veränderter Staub funktioniert auf dem Porzellan als Glasur, als Farberzeuger und Verdedlungsinstrument.
Die Arbeit untersucht diverse Strategien, um die Un-/ Sichtbarkeiten des Staubniederschlags auszuloten und den sedimentierten Staub als wirkungsmächtiger Akteur im Zeitalter des Anthropozäns anzuerkennen.
Seit dem ersten Besuch in Tibet im Jahr 2010 ist Ni Daodao unzählige Male in der Region gewesen. Dabei hat sich eine tiefe Verbundenheit mit dem tibetischen Land entwickelt. Immer wieder hat Ni Daodao von tibetischen Freund:innen Geschichten über Vertreibung gehört und ist selbst Zeug:in brutaler Unterdrückungsmassnahmen geworden. Ni Daodao hat Bücher gelesen über die soziopolitische Geschichte des modernen und zeitgenössischen Tibets, zum Beispiel das Buch des Forschers Li Jianglin «When the Iron Bird Flies: China’s Secret War in Tibet». Je mehr Ni Daodao über das Leid und die Trauer Tibets erfahren hat, desto mehr ist klar geworden, dass die Geschichte Tibets bekannt gemacht werden muss. Nachdem der Telegrafist Atanobu aus Litang 1959 beobachtet hat, wie der Dalai Lama die Grenze überschritt, um China zu verlassen, schrieb er an die CIA: «Bitte informieren Sie die Welt über das Leiden des tibetischen Volkes.»
«Als Künstler:in und als Person, die aufgrund meiner fliessenden Geschlechtsidentität von der Mainstream-Kultur des chinesischen Festlands an den Rand gedrängt wird, fühle ich mich nicht nur mit der tibetischen Kultur verbunden, sondern glaube auch, dass meine künstlerische Praxis ein Mittel sein kann, um der Welt die Kämpfe des tibetischen Volkes zu vermitteln.»
Tibetische Gebetsfahnen sind kleine quadratische Fahnen mit aufgedruckten religiösen Texten und Bildern, die von den Einheimischen verwendet werden, um die Welt, die Natur und die Götter miteinander zu verbinden. Auf früheren Reisen nach Tibet hat Ni Daodao viele dieser Fahnen gesammelt – als Begleitung auf der eigenen Wanderung, vom chinesischen Festland in die Schweiz, dem Ort der Niederlassung. Zufälligerweise leben Tausende von Tibeter:innen in der Schweiz, vor allem in der Alpenregion, wo die Bedingungen ähnlich sind wie in Tibet. Die Region Linzhi in Tibet ist zum Beispiel als die kleine Schweiz des Ostens bekannt.
Seit vielen Jahren wollte Ni Daodao Werke schaffen, die die Geschichte Tibets erzählen, ohne genau zu wissen wie. Im Dezember 2022, als in Zürich der erste Schnee des Jahres fiel, beschloss Ni Daodao, visuelle und taktile Gedichte zu schaffen und sie mit Performance und Videoinstallation zu kombinieren. Durch die künstlerische Praxis hofft Ni Daodao, die Geschichte der tibetischen Diaspora in der Schweiz zu sammeln und zu teilen.
Ni Daodaos Projekt widerspiegelt den Wechsel der Jahreszeiten in der Schweiz. Ab dem Winter 2022 verwendet Ni Daodao zu jeder Jahreszeit die tibetischen Gebetsfahnen aus der eigenen Sammlung, um ein visuelles oder taktiles Gedicht zu schaffen. Zur Vorbereitung wird eine gründliche Recherche über die Geschichte der tibetischen Diaspora in der Schweiz durchgeführt. Dazu gehören Recherchereisen zu lokalen Bibliotheken und Archiven sowie Besuche und Interviews mit tibetischen Gemeinschaften, um mündliche Erzählungen über die eigenen Reisen und Überlegungen zu sammeln. In jeder Saison wird das von Ni Daodao erstellte Gedicht an einen schwebenden Ballon gebunden. Diesen schwebenden Ballon und das Gedicht nimmt Ni Daodao dann mit sich, durch soziale und natürliche Räume wie öffentliche Verkehrsmittel, tibetische Viertel, tibetisch-buddhistische Klöster, Berge, Flüsse und Seen. Die Performances werden auf Video aufgezeichnet und zu Videoarbeiten verarbeitet, die dann ausgestellt und verbreitet werden können.