Die traditionsreichen venezianischen Glasmanufakturen sind in der ganzen Welt bekannt
für ihre meisterhaften Produkte. Das Museum Bellerive zeigt rund 300 Glasarbeiten, die
von den 1920er-Jahren bis in die heutige Zeit entstanden sind. Als Königskategorie gilt
dabei die Vase. An ihr lassen sich Inspiration und Meisterschaft aufs Schönste ablesen.
Preziosen der Kunstgewerbesammlung des Museum für Gestaltung strahlen mit exquisiten
Leihgaben aus den Sammlungen Holz, Peter Grünbaum und dem Lausanner Mudac um die
Wette. Gebrauchsglas des finnischen Designers Tapio Wikkala sowie ausgewählte
Leuchten ergänzen die facettenreiche Schau.
Den zeitlichen Auftakt bildet die von Ercole Barovier entworfene Serie Primavera aus
hauchzartem, craquelierten Milchglas, das mit dunklen Rändern abgesetzt ist. Die
gesteigerte Bekanntheit der Manufakturen in den 1930ern führte zum Zulauf externer
Künstler, die mit den Meisterglasbläsern Stücke von bislang unerreichter innovativer Kraft
schufen. Der venezianische Architekt Carlo Scarpa revolutionierte das Genre mit seiner
modernen Formensprache. Er entwarf zahllose Stücke und regte die Entwicklung neuer
Werkverfahren an, etwa des an die Malerei erinnernden Pennellato, bei dem das noch
heisse Werkstück mit farbigen Glaskugeln gleichsam bemalt wird. Zudem griff er längst
vergessene Methoden wieder auf wie die aufwändige Schleiftechnik des Battuto.
In der Passerella dei Sospiri präsentiert Cose fragili die schönsten Vasen der 1940er- bis
1960er-Jahre, als die gestalterische Freiheit in die grösste Produktivität mündete. Schlichte
Vasen in reinen Farben stehen neben skurrilen, skulpturalen Stücken, lichtdurchlässige
Grazien neben dickwandigen Werken, subtil angedeutete Musterung neben klarem Karo-
oder Streifendesign. Lang ist die Liste der glänzenden Namen: Fulvio Bianconi sorgt mit
der Patchworktechnik des Pezzato für Furore, Anzolo Fuga überrascht mit Lattimo
(Milchglas), während der Maler Dino Martens asymmetrische Vasen in vielfarbigen Oriente-
Mosaiken erstrahlen lässt. Die umfassende Werkgruppe der Murrine – eine ursprünglich
römische Methode – verdankt ihre Magie Glasstangen verschiedener Durchmesser, die zu
Bündeln verschmolzen und in Scheiben geschnitten durch Erhitzen wieder zur Fläche und
schliesslich zur Vase werden.
Spannende Einblicke in das zeitgenössische Schaffen mit venezianischen Glastechniken
bieten sich bei Philip Baldwin und Monica Guggisberg, die ihren Werken mittels Schliffen
Tiefe verleihen während Ettore Sottsass auf die gewagte Kombination starker Unifarben
vertraut. Japanische Glaskünstler wie Yoichi Ohira oder Tsuchida Yasuhiko setzen
asiatische Ästhetik in erratischen Gefässen mit grosser visueller Dichte um, die
amerikanische Künstlerin Mary Ann Toots Zynsky wiederum komponiert aus einer Vielzahl
farbiger Glasfäden atemberaubende Stücke mit malerischer Qualität.
Erstmals ist die im Museum Bellerive eingebaute Installation des amerikanischen
Glaskünstlers Dale Chihuly wieder zu sehen. Der in reinem Weiss gearbeitete Glass Forest
stellt die technische Meisterschaft des Amerikaners unter Beweis – in unmittelbarer
Nachbarschaft der grossformatigen Shells, in denen er das Handwerk des Glasblasens in
all seinen Dimensionen auslotet.
Historische Fotografien und filmische Porträts einzelner Meister und Künstler ergänzen die
schillernden Exponate um eine dokumentarische Komponente und unterstreichen die
Bedeutung des Teamworks in der Glasherstellung. Sie bilden die bodenständige
Einbettung dieser Cose fragili – zerbrechlicher Dinge eben –, die stets von einer
alchimistischen Aura umgeben sind.