Der Schweizer Unternehmer und Diplomat Uli Sigg gilt heute als der erfolgreichste und einflussreichste Sammler chinesischer Gegenwartskunst weltweit. Seine Sammlung, die er seit den 2000er Jahren in seinem Haus Schloss Mauensee aufbewahrt, gilt mit 2200 Werken als die grösste und komplexeste ihrer Art. Diesen Erfolg hat der Schweizer seiner frühzeitigen Entscheidung zu verdanken, ein einzigartiges Netzwerk zur neuen Kunstszene im sich politisch und wirtschaftlich wandelnden China zu entwickeln. Viele Künstler sehen den Schweizer bis heute als ihren Mentor und haben ihn in Kunstwerken ironisch und voller Sympathie porträtiert. Sein Credo, die Kunstwerke nicht kommerziell auszuwerten, erlaubte ihm, eine Sammlung aufzubauen, die mit Werken aus drei Generationen an kunsthistorischer Qualität, Marktkapazität und kuratorischer Breite unvergleichlich ist. Sigg bezeichnet sie häufig als ein Zeitdokument. Dies deutet auf die grosse kulturpolitische Verantwortung hin, die er übernommen hat.
Die chinesische Gegenwartskunst gehört seit einigen Jahren zum festen Bestandteil des Kunstdiskurses. Werke chinesischer Künstler wandern durch die globale Museumslandschaft, bereichern internationale Biennalen und Messen und erzielen hohe Preise auf dem Markt. Zugleich liefert die chinesische Gegenwartskunst der zurückliegenden 25 Jahre eindrückliche und widersprüchliche Narrative über den Aufschwung Chinas zur Supermacht und den totale Umbruch der Lebensverhältnisse für viele Millionen Menschen. Einige Künstler spielen als Aktivisten und Kritiker des politischen Systems sowohl im Lande selbst als auch international eine Schlüsselrolle.
Im Sommer 2012 hat Uli Sigg die aus öffentlicher Verantwortlichkeit heraus notwendige Entscheidung getroffen, seine Sammlung an ein Museum zu übertragen. Die chinesische Gesellschaft soll die Gelegenheit bekommen, sich mit ihrem eigenen Kunsterbe der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart zu beschäftigen. Nach fehlgeschlagenen Versuchen, die zentralchinesische Administration für seine Sammlung zu interessieren und sie in eines der grossen neuen Museumsprojekte von Beijing und Shanghai zu integrieren, fiel Siggs Wahl auf Hongkong (das Museums M+ des West Kowloon Cultural District), das trotz seiner politischen Wiedervereinigung mit Zentralchina im Jahre 1997 eine gewisse politische und damit auch kulturpolitische Autonomie geniesst.
Die Sigg-Sammlung wird ab 2017 das Kernstück des Museums M+ sein. Bis zu diesem Zeitpunkt werden der Sammler und das Museum die Sammlung gemeinsam betreuen, um der chinesischen Gegenwart den ihr gebührenden Stellenwert in der Welt der aktuellen Kunst zu erhalten und zu steigern.
Im Rahmen von ZHdK Lectures on Global Culture wird Uli Sigg über Sammlungsgeschichte und -strategie sowie über einige Charakteristika der chinesischen Gegenwartskunst und ihre zentralen Akteure sprechen. Sein Verhältnis zu China, sein Selbstverständnis als Forscher und seine Pläne für die Zukunft spielen dabei eine zentrale Rolle.
Uli Sigg, Sammler, Doktor der Rechtswissenschaften, Unternehmer, von 1995 bis 1998 Schweizer Botschafter in China, Nordkorea und der Mongolei, gilt als einer der wichtigsten Akteure im zeitgenössischen Kunstsystem. Sigg war Gründungspräsident der Wirtschaftskammer Schweiz–China und gründete 1980 für die Schindler Gruppe die CSE China Schindler Elevators Co., das erste Joint Venture eines westlichen Industriekonzerns mit einem chinesischen Staatsbetrieb. Als fundierter Asienkenner hat er in den letzten 30 Jahren die weltgrösste Sammlung mit über 2200 Werken chinesischer Kunst zusammengetragen und unter anderem den Chinese Contemporary Art Awards (CCAA) ins Leben gerufen.
Michael Schindhelm, heute vor allem als Schriftsteller und Kulturberater tätig, war 17 Jahre Theater- und Opernchef (u.a. Theater Basel, Opernstiftung Berlin) und anschliessend Gründungsdirektor der Dubai Authority for Culture and Arts. Er hat u.a. in Hong Kong, Berlin, Rotterdam und Moskau internationale Organisationen beraten, ist Autor von 6 Romanen und Sachbüchern (zuletzt Dubai Speed), 2 Opernlibretti, diversen Theaterübersetzungen und von Dokumentarfilmen (zuletzt Bird’s Nest über den Bau des Olympiastadiums von Peking mit Christoph Schaub). Er berät die ZHdK bei internationalen Projekten und kuratiert die Vorlesungsreihe ZHdK Lectures on Global Culture.