Im Frühjahr 2013 fragte mich der Hamburger Regiestudent Tobias Herzberg, ob ich Interesse
hätte, Teil einer inklusiven1 Theaterproduktion zu sein. Er wusste, dass ich während meines
Zivildienstes 2009 bereits mit Behinderten zusammen gearbeitet hatte und hoffte daher, ich
würde dies künstlerisch auf der Theaterbühne fortsetzen wollen. Im Oktober 2013 stand ich
dann tatsächlich in seiner Inszenierung zusammen mit Schauspielern mit und ohne
Behinderung in Hamburg auf der Bühne. Es war ein intensiver und spannender Start in mein
Schauspiel-Master-Studium. Nach Erhalt des Bachelor-Diploms war ich erstmals Teil einer
professionellen Bühnenproduktion fernab der Gessnerallee. Inwiefern würde ich mich als
Profi behaupten können? Würde ich den Schauspielern mit Behinderung auf Grund ihrer
Beeinträchtigungen vielleicht sogar die Professionalität absprechen? Wie würde die
Zusammenarbeit denn aussehen und würde sie nicht gar Gefahr laufen zu scheitern? Die
Spieler der Barner 162 haben mich mit ihrem künstlerischen Selbstverständnis und ihrer
Professionalität mehr als beeindruckt.
Mit dieser Master Diplomthesis möchte ich mein Bewusstsein für die traditionellen weiblichen
Rollenmuster stärken, um diese in meiner Arbeit als Schauspielerin bewusst einsetzen zu können
und vor allem um neue, ungewohnte oder alternative Frauenbilder ins Spiel einzubringen.
Ziel dieser Arbeit ist, eine bestimmte Frauenfigur zu analysieren und sie mit vorherrschenden
Stereotypen zu vergleichen.
Ich habe dafür in Literatur, Film und Theater nach einer Frauenfigur gesucht, der Eigenschaften,
die üblicherweise Frauen zugeschrieben werden, wie z.B. emphatisch, liebe- und verständnisvoll,
angepasst, freundlich und sexy, fehlen oder nicht stark ausgeprägt sind.
Es hat mich interessiert eine böse Frau zu untersuchen, da dieser Charakterzug nach traditionellen
Rollenmustern eher dem Mann oder meist nur in Märchen einer Frau zugeschrieben wird.
Eine wiederkehrende Erkenntnis war, dass böse Frauen sexuell reizvoll dargestellt werden. Da ich
aber auf der Suche nach einer Frauenfigur war, die nicht in das Muster „böse und sexy“ fiel, habe
ich meine Suche auf Gewalt anwendende Frauenfiguren ausgeweitet.
Eine sehr interessante Darstellung einer selbstbestimmten Frauenfigur, die fähig ist ihre Wut und
Aggressionen auszuleben ist Stieg Larssons „Lisbeth Salander“, eine der Hauptfiguren in der
„Millennium-Trilogie“, die auch als Film adaptiert wurde.
„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde war aber wüst und öde, und Finsternis lag auf der Urflut, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht Gut war, und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die finsternis nannte er nacht. Und es ward Abend und ward Morgen: ein erster Tag.“1
So oder so ähnlich beginnen die jüdische und die christliche Bibel und zahlreiche andere mythologische Schöpfungsmythen. Der Urgott formt aus dem Nichts eine Welt. In der griechischen Mythologie entsteht aus dem Chaos eine Ordnung – der Kosmos. Daraus entstehen Gaia, die Welt und Uranos, das Himmelsgewölbe. Gaia und Uranos heiraten und zeugen mehrere Kinder, welche die ersten Götter werden. Ihr jüngster Sohn Kronos, der Anführer der Titanen, galt als Inbegriff der Kreativität, die er aber, und das ist das bemerkenswerte, nicht nur schöpferisch, sondern auch zerstörerisch Einsetzte. – Seine Kinder frass er alle nach ihrer Geburt, um sicher zu gehen, dass ihn keines entmachten konnte, wie er es bei seinem eigenen Vater getan hat.
Ich möchte mich mit dem Thema Romanadaption und Romandramatisierung
auseinandersetzen, weil ich glaube, dass durch diesen Arbeitsansatz viele Freiräume beim
Theatermachen entstehen. Des Weiteren lese ich gerne Romane und erachte es als sehr
spannend durch die Übersetzung auf die Bühne einen ergänzenden und erweiternden Blick
auf ein mir bekanntes Werk zu bekommen.
Deswegen untersuche ich in der vorliegenden Arbeit zwei aktuelle Romandramatisierungen
des Romans „Karte und Gebiet“.1 Es handelt sich um eine Umsetzung aus dem Theater
Neumarkt in Zürich, Regie Peter Kastenmüller und Dramaturgie Ralf Fiedler aus dem Jahr
2014 und um die Inszenierung der Garage X in Wien, Regie Ali M. Abdullah und Dramaturgie
Hannah L. Egenolf aus dem Jahr 2012.
Die Idee zu diesem Thema kam mir als ich die gleichnamige Romandramatisierung im
Theater Neumarkt in Zürich gesehen hatte. Da ich fasziniert bin von den Romanen des
französischen Autors Michel Houellebecq, kannte ich sein vorheriges Werk. Allerdings war
mir der Roman „Karte und Gebiet“ bis zu dieser Aufführung unbekannt. Deshalb wollte ich
die Umsetzung dieses Werks zum Theaterabend als Ausgangspunkt meiner
Masterabschlussarbeit wählen, um mich auch mit den schauspielerischen Optionen dieser
Arbeitsweise zu befassen und mir gleichzeitig eine tiefer gehende Beschäftigung mit dem
Werk Houellebecqs zu ermöglichen.
«Der Fehler aller Theorien über das Lachen und über das Komische
liegt darin, dass mit dem Verstand eine Sache erklärt werden soll, die
gar nichts mit dem Verstande zu tun hat, ja geradezu die Ausschaltung
des Verstandes bewirkt.»1
Die Komik oder was man darunter versteht, muss etwas Subjektives sein, da jeder
Mensch über etwas anderes lacht. Jeder empfindet also das Komische anders. Aber
wie entsteht Komik? Warum ist eine Situation komisch? Worüber lacht man? Und
wie funktionieren komische Szenen in Film und Theater? Ist Komik ein Mechanismus
der sich mit Theorie erklären lässt?
Wenn sich Männer in glitzernde Frauenkleider zwängen, eine Perücke aufsetzen und Schuhe mit
schwindelerregend hohem Absatz tragen, in diesem Kostüm auf eine Bühne gehen, um dort zu
singen, tanzen und auf humorvolle, charmant-frivole Art durch den Abend zu führen, so weiß der
Zuschauer1 in der Regel sehr genau, wo er sich befindet: im Travestietheater. Travestie hat schon
lange den Weg aus der Schmuddelecke der Bühnendarstellung herausgefunden. Ein Besuch im
Travestietheater eignet sich sowohl für einen unterhaltsamen Ausflug mit Freunden als auch für den
Abend zu zweit oder mit Geschäftspartnern. Travestie in der beschriebenen Form ist heute ein
beliebtes, etabliertes Genre, das sich präzise beschreiben und bestimmen lässt. Doch nicht immer ist
die Einordnung so einfach. Denn nicht immer, wenn ein Mann im Kleid auf der Bühne steht,
handelt es sich auch um Travestie. Doch was sonst kann es sein?
In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit René Pollesch, seiner Produktion LOVE/NO LOVE am Schauspielhaus Zürich, in der ich selber als Chormitglied mitgewirkt habe, und der „Repräsentationskrise“ (Pollesch, Interview mit René Pollesch, 2015)1.
Dieser Arbeit liegt die Frage zugrunde, was Pollesch unter der „Repräsentationskrise“ versteht und was diese für Auswirkungen auf seine Produktion LOVE/NO LOVE hat. Ziel der Arbeit ist es, ein erweitertes Verständnis für die Theatersprache Polleschs zu entwickeln und sie in Relation zur Repräsentation auf deutschen Theaterbühnen zu setzen.
Ausgangspunkt ist der Gedanke René Polleschs, dass er sich nicht mehr von „Hamlet“ im Theater repräsentiert sieht.
„Wie kann ich etwas über die Subjekte erzählen und darüber, wie sie verfasst sind? Wenn ich nicht mehr akzeptiere, dass ich durch Hamlet repräsentiert bin, muss ich über Stadt oder Hotels reden. Es wird einfach nichts über mich erzählt, wenn ich mir Hamlet ansehe. Für Heiner Müller war das noch anders aber über mein Leben erzählt das nichts mehr. Wie kann man darstellen, was uns ausmacht? Jedenfalls nicht mehr durch Figuren, die interagieren und die in einen Plot verwickelt sind. Ich denke, dass auch die Zuschauer andere Darstellungsformen suchen, wenn sie zu uns gehen.“ (Pollesch, Liebe ist kälter als das Kapital, 2009)2