Unsere Geschwister gehören zu uns wie Blätter an Äste. Niemand fragt uns, ob wir sie wollen oder nicht, sie sind immer da.
Doch wie fühlt es sich an, mit einem Geschwister aufzuwachsen, das eine Behinderung oder eine chronische Krankheit hat? Wie prägt es beispielsweise den Charakter oder das soziale Verhalten, mit einer Schwester aufzuwachsen, die zwar auf dem Papier zwei Jahre älter ist, sich jedoch seit dem vierten Geburtstag geistig nicht mehr weiterentwickelt hat und intensiv gepflegt wird? Oder wie verändert sich das Machtverhältnis zwischen zwei Brüdern, wenn sich der eine vom einen auf den anderen Tag nicht mehr körperlich in brüderlichen Konflikten behaupten kann, weil er nach einem schweren Unfall im Rollstuhl sitzt?
Die dokumentarische Webserie «Schattenkinder»erzählt in fünf Episoden die Geschichten von fünf individuellen Geschwisterpaaren. Es sind Geschichten über verflochtene Bindungen, Reife, Eifersucht und Mitleid. Nicht alle der fünf porträtierten Geschwister im Alter von 23 bis 54 sind oder waren sich immer nahe und doch ist das Geschwister ein unbestreitbarer Teil des eigenen Daseins.
Der Zürcher Künstler und Illustrator Bastian Riesen vervollständigt die fünf Geschwisterporträts mit seinen Werken. Dabei verdeutlichen seine animierten Zeichnungen emotionale Konflikte und Hoffnungen. Sie skizzieren Wendepunkte in den Lebensgeschichten oder eröffnen die Perspektive von Abwesenden.
Schon als Kind bemerkte Miriam, dass es ihrer Schwester Daniela schwer fiel, ihren Kopf selbstständig zu heben, das Laufen zu erlernen und Daniela hatte immer ein spezielles Fahrrad mit drei Rädern und Stützhilfen. Es war ein langer und nicht immer einfacher Prozess für Miriam zu akzeptieren und zu verarbeiten, dass die Meschen auf der Strasse Daniela mit anderen Augen sehen und ihr manchmal mit Unverständnis begegnen. In diesem Prozess hilft es Miriam unter anderem ihre Beziehung und die Erlebnisse mit Daniela in ihren kreativen Prozess als Musikerin einfliessen zu lassen.
Die WG von Lukas, seinem Bruder Flo, Lukas Frau Julia und ihrem Sohn ist kunterbunt und lebhaft. Sie besteht seit ungefähr drei Jahren. Damals entschieden die beiden Brüder nach einem abrupten Wandel in Flos Leben zusammen zu ziehen. Durch das gemeinsame Leben unter einem Dach, hat sich die geschwisterliche Beziehung zwischen den beiden Brüdern bis auf den Kern neu definiert.
Auf den ersten Blick scheint es nichts Belastendes im Leben der beiden Schwestern Jessica und Giulia zu geben. Doch auf den zweiten Blick zeigen das Husten und die raue Stimme von Giulia, dass ihr Leben anders aussieht, als das von anderen Menschen anfangs Zwanzig. In der Kindheit waren sich die beiden Schwestern nicht immer so nahe und kämpften mit den eigenen Sorgen, was aber heute ganz anders ist.
Claudia kennt kein Leben ohne ihre Schwester Daniela, die zwei Jahre jünger ist als sie. In ihren gemeinsamen 54 Jahren hat sich die Beziehung verändert. Die zwei Schwestern waren sich als Kinder und Jugendliche sehr nahe, unternahmen viel. Doch das änderte sich, als Claudia ihre eigene Familie gründete. Wenn sie sich heute sehen, dann gelingt es Claudia, wie keinem anderen Menschen, Daniela durchgehend ein Lächeln aufs Gesicht zu zeichnen.
Peter überschreitet aufgrund seiner Krankheit in manchen sozialen Situationen die Grenzen anderer Menschen. Auch diejenige seiner Schwester Nadja. Zurzeit haben die Beiden nicht viel Kontakt, weil es für Nadja eine Belastung ist, ihren Bruder zu sehen. Doch das soll sich ändern.