Von 2012 bis 2016 verband das ZfL mit der Einrichtung Z+ der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ein Artist in Residence-Programm. Zweimal jährlich verbrachten Dozierende der ZHdK etwa vier Wochen am ZfL, um dort in enger Kooperation mit den Wissenschaftlern eines Projekts an künstlerischen bzw. gestalterischen Projekten zu arbeiten.
«Poetik der Pathosformel. Beitrag zu einer kulturwissenschaftlichen Literaturwissenschaft»
Margarete Jahrmann (*1967 in Wien) studierte an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Als Künstlerin forscht sie zu Aktivismus, Urbanität und Spiel sowie zu Hybrid und Alternate Reality Ausstellungen. Seit September 2006 ist sie Professorin für Game Design an der Zürcher Hochschule der Künste und Senior Lecturer für Digitale Kunst, Universität für Angewandte Kunst Wien.
Jahrmann hat internationale Preise erhalten, wie die Auszeichnung Prix Ars Electronica 2003 und den software arts award transmediale Berlin 2004. 2006 gründete sie die Ludic Society und editiert seitdem das Ludic Society magazine. 2015 forschte sie zu den Schwerpunkten Krieg& Spiel. In Zusammenarbeit mit Max Moswitzer erschien das VOID Book, 10 years of Ludic Society, das im Rahmen von 100 Jahre DADA an einer Soirée im Zürcher Cabaret Voltaire präsentiert wurde.
«Babel Mänaden - Mnemosyne Towers»
Während der Residency soll eine künstlerisch-gestalterische Auseinandersetzung stattfinden, die sich auf spielerische Methoden bezieht, die sich sowohl im Warburgschen Kosmos des komparativen und assoziativen Bilderatlas Mnemosyne zu Pathosformeln, als auch in der Disziplin des künstlerischen und installativen Game Design identifizieren lassen. Das interdisziplinäre Denken Warburgs, sein Plädoyer für eine Öffnung der Wissenschaftlichen Forschung auf Alltagsgegenstände und sein Blick darauf wie Bilder über Kulturen und Zeiten hinweg transportiert werden, erscheinen als gemeinsamer Ankerpunkt für ein gestalterisches Projekt im Austausch mit aktueller kulturwissenschaftlicher Forschung. Ihr Inhalt soll eine komparative Metaphern Analyse zu Turmbauten zu Berlin und Babel als literarische Archetypen anhand von Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas sein. Neue Perspektiven und Zugänge zu Mythen und Metaphern der Urbanität sollen darin durch den Einsatz von Game-Mechanismen, als spielerisches Motivationsdesign in der Forschung und einer Bildtafel Installation als «Bilder-Turm», eröffnet werden.
«Neuro-Psychoanalyse - Neurowissenschaften zwischen Natur- und Kulturwissenschaften»
Seit 1982 choreografiert und tanzt Esther Maria Häusler eigene Stücke. Hauptsächlich an einer Berufsschule für Tanz und Gymnastik in Zürich und an der Martha-Graham-School in New York ausgebildet, lässt sie sich inspirieren vom japanischen Butoh, Schauspiel, Film und bildender Kunst. Neben ihren zahlreichen Einzelperformances kreierte sie für die von ihr gegründete Swiss Performance Company (1993) diverse Gruppenproduktionen; sie erhielt 1991 das Werkjahr für den Bereich Tanz der Stadt Zürich und wurde von zahlreichen Stiftungen unterstützt. Prof. Esther Maria Häusler ist seit 1995 Dozentin BA Theater an der ZHdK (ehemals Schauspielakademie und Hochschule Musik und Theater Zürich).
Während ihres Aufenthalts am ZfL setzte sich Esther Maria Häusler in Kollaboration mit dem Forschungsprojekt «Neuro-Psychoanalyse. Neuro-wissenschaften zwischen Natur- und Kulturwissenschaften» mit alltäglichen Handlungssequenzen und Gesten auseinander. Diese wurden durch tänzerische Mittel verfremdet, zerlegt und durch Wiederholung ad absurdum geführt, so dass Metaphern oder Geschichten daraus entstanden sind. Der tänzerische Ansatz schlug eine Brücke von neuronalen Prozessen zu subjektiv erfahrenen Bewusstseinsprozessen.
Am 2. Oktober 2016 führte Esther Maria Häusler ihre im Artist-in-Residence-Programm entstandene Tanzperformance «The Jukebox» – Mind the Body Brain im Kleinen Wassersepeicher in Berlin (Prenzlauer Berg) auf.
«Neuro-Psychoanalyse - Neurowissenschaften zwischen Natur- und Kulturwissenschaften»
Dominique Lämmli (*1964 in Zofingen/AG) studierte Bildende Kunst an der ZHdK, Lithographie an der School of Visual Arts New York, Philosophie, Vergleichende Literaturwissenschaft und Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich und Pädagogik und Didaktik an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Als praktizierende Künstlerin hat sie mehrere Auszeichnungen erhalten und wurde als Artist-in-Residence eingeladen, u. a. von der Akademie Schloss Solitude Stuttgart und dem Artists-in-Lab Programm am Adaptation Lab, National Centre for Biological Sciences Bangalore, Indien. Ihre Arbeiten wurden u.a. in der Kunsthalle Zürich, dem Alexandria Contemporary Arts Forum, der Staatsgalerie Stuttgart sowie den Galerien Alain Gutharc Paris, Krinzinger Wien und IMT Gallery London gezeigt. Vertreten wird ihre künstlerische Arbeit in der Schweiz von der Galerie Bob Gysin. Sie ist Co-Gründerin und -Leiterin des unabhängigen Forschungs-unternehmens FOA-FLUX (foa-flux.net), Professorin für Zeichnung und Malerei an der ZHdK und Mitglied der Kunstkommission der Stadt Zürich.
«Shaping Realitypain»
Während ihrer vierwöchigen Artist-in-Residency wird Dominique Lämmli vergleichend – mit künstlerischen Mitteln – die Zugänge von Kunst, Kultur- und Neurowissenschaften zu Schmerz untersuchen. Ihre Residency-Partnerin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) ist Stephanie Eichberg, Forscherin im Bereich «Neuro-Psychoanalyse und Schmerz. Neurowissenschaft zwischen Natur- und Kulturwissenschaft».
Shaping Realitypain ergänzt den interdisziplinären Dialog des ZfL an der Schnittstelle von Biologie, Geisteswissenschaften und Kulturwissenschaften zu Schmerz mit zwei weiteren disziplinären Blickwinkeln: Kunstpraxis und Philosophie. Damit wird auch die Diskussion der konzeptuellen, theoretischen und methodologischen Grundlagen zusätzlich mit Werkzeugen der künstlerischen Praxis und philosophischer Argumentation bereichert. Die Residenz beginnt mit dem Workshop «Pain & Living Conditions», vom 4. bis 8. Januar 2016. Dieser wurde konzipiert von Dominique Lämmli in Absprache mit Stephanie Eichberg und in Zusammenarbeit mit Kolleg_innen aus Hong Kong und Zürich, mit Steve Hui, Komponist und DJ, Annemarie Bucher, Kunst- und Landschaftstheoretikerin, Justin Wong, Comic Zeichner, Nuria Krämer, Szenografin, Anthony Yeung, Sound Designer. «Pain & Living Conditions» hat zwei Hauptanliegen: Die Reflexion des Zusammenhanges von Schmerz und Lebensbedingungen wie Erwerbs-, Wohnungs- und politische Situation. Gleichzeitig werden die Zugänge von Kunst und Wissenschaft zu Schmerz hinsichtlich ihrer synergetischen Möglichkeiten befragt. Dazu entwickelten die Künstler_innen im Voraus mehrere Experimente, die während des Workshops ausgeführt werden. Die Experimente rufen künstlerische und wissenschaftliche Wissensstände ab, sind handlungsorientiert aufgebaut und werden filmisch festgehalten.
Die weiteren Subprojekte von «Shaping Realitypain» werden anschliessend an die Workshop-Evaluation entwickelt. Die Evaluation fokussiert das synergetische Potential von Kunst, Neurowissenschaften und textbasiertem, komparativem Zugang zum Thema Schmerz. Die Evaluation wird von Dominique Lämmli und Stephanie Eichberger unter Einbezug von weiteren Fachpersonen durchgeführt.
«Sehen und Denken. Zeichnen zwischen Konvergenz und Divergenz»
Alex Hanimann (*1955 in Mörschwil SG) besuchte das Lehrerseminar Rorschach sowie die Zeichenlehrerklasse der Schule für Gestaltung Zürich. Seit 1982 freie künstlerische Arbeit mit regelmässiger Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland. 1987 Mitbegründer der Kunsthalle St.Gallen. Ab 1998 Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste im Departement Design, Visuelle Kommunikation. Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission und der Städtischen Kulturkommission St.Gallen. Seit 2003 Professur an der ZHdK.
Am ZfL ging Alex Hanimann in dem von Dr. Magarete Vöhringer geleiteten Forschungsprojekt «Visuelles Wissen» der Frage nach, wie Unsichtbares mit den Mitteln der Zeichnung sichtbar gemacht werden kann. Es galt, den komplexen Vorgang des Zeichnens als ein Zusammenspiel von Bildern, Gerätschaften, Materialien, Körper und Bewusstsein in die Reflexion miteinzubeziehen. Spezifische Verfahren der Wirklichkeitsaneignung führten dazu, dass die Zeichnung nicht mehr nur als Träger einer künstlerischen Idee oder als selbstreferentielles Artefakt funktionierte, sondern ein Gedankenkonzentrat schuf, das dem wissenschaftlichen Denken verwandt und den Methoden von Recherche- und Forschungstätigkeiten verpflichtet ist.
Eva Wandeler (*1969 in Zürich) studierte Modedesign an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich (heute ZHdK). Ab 1994 Tätigkeit als Kostümbildnerin an Stadt- und Staatstheatern sowie für freie Theaterproduktionen. Seit 2000 regelmässige Ausstellungen installativer Arbeiten und Video-Performances. 2008 lehrte sie an der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch-Gmünd. Seit 2008 Dozentin BA Style & Design, 2008–2012 BA Szenografie und seit 2012 BA Vermittlung von Kunst und Design an der ZHdK.
Eva Wandeler setzte im Rahmen der Residency am ZfL ihre langjährige performative Auseinandersetzung innerhalb der Werkreihe «tools» in Kollaboration mit dem ZfL-Forschungsprojekt «SchädelBasisWissen» fort. Das Forschungsprojekt des ZfL untersuchte unter anderem die Genese der Vorstellung vom «wohlgeformten» Schädel, die aus der Wechselbeziehung zwischen medizinischem Wissen, den Künsten und kultureller Semantik hervorgegangen ist. In der Auseinandersetzung mit den Forschenden des ZfL reflektierte Eva Wandeler bildliche Manifestationen menschlicher Körper und Erscheinungen, um sie in performative Videoarbeiten zu übertragen.
Felix Baumann (*1961), Studium in Luzern (Klavier, Schulmusik, Dirigieren), Basel (Theorie und Komposition) sowie bei Pierre Favre (Rhythmus). Arbeitet als freischaffender Komponist an der Thematisierung von Wahrnehmungsvorgängen und Erfahrungsbildung. An der ZHdK ist Felix Baumann seit 1992 als Professor für Komposition, musiktheoretische Fächer und Interpretation zeitgenössischer Musik tätig. Seit 2003 leitet er den Master of Arts in Composition and Theory.
Im Rahmen der Residenz am ZfL realisierte Felix Baumann ein künstlerisches Projekt zu zentralen Begriffen des Forschungsprojekts «Übersetzungen im Wissenstransfer». Das künstlerische Projekt zielte auf eine Komposition für Streichquartett und Akkordeon. Felix Baumann hat seine Residenz in drei Einheiten aufgeteilt, um den auf ein Jahr angelegten Arbeitsprozess in verschiedenen Stadien durchlässig, wahrnehmbar und zum Gegenstand von Gesprächen zu machen.
Die Künstlerin und Dozentin für bildende Kunst an der ZHdK Franziska Koch hat sich im Herbstsemester 2012/13 am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) aufgehalten.
Franziska Koch nutzte die Residency am ZfL zur Vorbereitung ihres Projekts «Zurück in Metekhi». Dieses hat zum Ziel, in Georgien einen filmischen Workshop mit Menschen zu organisieren, die entlang der seit dem Krieg 2008 bestehenden administrativen Grenzlinie zu Südossetien leben. Am ZfL fand sie damit Anschluss an das Forschungsprojekt «Kulturelle Semantik Georgiens zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer». Der Austausch zwischen diesen Projekten, die sich beide – direkt oder indirekt – mit der Neuverortung Georgiens vor dem Hintergrund des Zerfalls der Sowjetunion und des georgisch-russischen Kriegs von 2008 beschäftigen, ergab eine Vielzahl von Synergien.
Franziska Koch ist seit 2003 als Dozentin im BA Bildende Kunst und im MA Fine Arts in künstlerischer Praxis an der ZHdK tätig und hat verschiedene Installationen, Performances und Projekte realisiert, wie etwa Bühne, Helmhaus Zürich 2005; Reserven, Kunsthof Zürich 2009 oder Temperatures, Artisterium, Center for Conteporary Art Tbilisi, 2011.
«Eine Reise in eine unbekannte Zone mit ungeahnten Sinnschichten.»
Der Theaterregisseur und Regie-Dozent Stephan Müller hat sich im FS 2012 am Berliner Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) aufgehalten. In Kooperation mit dem Komponisten Wolfgang Mitterer und dem Librettisten Hajo Kurzenberger erarbeitet er eine Oper zu Goethes «Faust»; und dieses Projekt koppelte er an das von ihm gewählte ZfL-Forschungsprojekt «Tragödie und Trauerspiel». Mit Germanisten und Philosophen ergab sich ein intensiver und anregender Austausch.