Geboren am 3. Dezember 1922 in Winterthur. Nach einer Lehre als Fotograf in Basel zieht es ihn zum Film. Hans Heinrich Egger wird 1942 Kameraassistent bei der Schweizer Filmwochenschau und bei Wien-Film. Zurück in der Schweiz, arbeitet er 1946 zunächst in einem Giessereibetrieb, bis ihm 1948 der Wiedereinstieg ins Filmmetier gelingt. Von 1949 bis 1957 ist er bei Praesens-Film als Cutter tätig, zuerst unter Hermann Haller, ab 1954 als Chefcutter von Filmen wie Ueli der Knecht (1954), Ueli der Pächter (1956), dann als Freischaffender für Der 10. Mai (1957), Hinter den sieben Gleisen (1959) und Wähle das Leben (1963). In den Sechzigerjahren versucht Egger vergeblich, Filmprojekte zu realisieren. Von 1967 bis 1969 konzipiert und leitet er die erste Filmausbildung der Schweiz, die drei Filmarbeitskurse an der Kunstgewerbeschule Zürich und organisiert dort 1972 einen Animationsfilmkurs. 1971 erstellt er anlässlich der Nationalratswahlen für die SP einen Wahlfilm mit Max Frisch und danach weitere Auftragsfilme. Egger ist filmpolitisch aktiv, von 1957 bis 1971 als Präsident des Syndikats der Schweizerischen Filmschaffenden. Von 1962 bis 1971 ist er Mitglied der Eidgenössischen Filmkommission. An der Kunstgewerbeschule Zürich veranstaltet er von 1960 bis 1972 mehrere Ausstellungen zum Thema «Film» und zahlreiche Filmzyklen. Hans Heinrich Egger stirbt am 8. Juli 2011.
Aufbauend auf dem Forschungsprojekt Cinémémoire.ch, eine mündliche Geschichte des Schweizer Films 1960–1979 entsteht ein umfassendes Nachschlagewerk über wichtige Phasen der schweizerischen Film (und Fernseh-)geschichte. Über vernetzte Texte und Videos kann auf einmalige Interviews zugegriffen werden, die im Detail den Übergang vom alten zum neuen Schweizerfilm bereitstellen.
Ausgangslage
Wie und mit welchem Material haben Cutter in den siebziger Jahren gearbeitet? Wie sah der Alltag einer Kinobetreiberfamilie in den sechziger Jahren aus? Wie arbeiteten Filmschaffende mit Fernsehkameras? Macht es für Schauspielerinnen einen Unterschied, in einem „alten“ oder in einem „neuen“ Schweizer Film zu spielen? Auf welche Arten experimentierten immer wieder neue Generationen mit Film, in Glauben und Hoffnung, ihn nochmals zu erfinden? Was hat sich für Regieführende, Verleiherinnen, Skript, Filmtechnikerinnen und Vermittler geändert im Vergleich zu heute? Diese und unzählige weitere Fragen stellten wir und liessen uns immer wieder überraschen von lebendigen Antworten und Erzählungen.
Mit Hilfe von ‚erfragten Erinnerungen’ hob das Forschungsprojekt „Cinémémoire.ch“ der Zürcher Hochschule der Künste in den letzten Jahren einen Schatz an Erfahrungen und Wissen, welcher sich für weitere Recherchen und für die Einordnung von Erkenntnissen und Fakten als bedeutend erwies. Beide filmhistorische Forschungen des Institute for the Performing Arts and Film mündeten in Publikationen , das zweite ausserdem in zwei Ausstellungen , und genossen eine erfreuliche öffentliche Resonanz.
Leitend war die Methode der Oral History im Forschungsprojekt Cinémémoire.ch, das auf vierzig lebensgeschichtlichen Interviews mit Filmschaffenden, die in der Schweiz der sechziger und siebziger Jahre aktiv waren.
Ein wesentlicher Teil der gewonnenen Informationen war bislang weder in Archiven noch in der Literatur zu finden. Wichtig war uns bei der Wahl der Methode der Oral History die subjektive Dimension, die Vielfalt von vierzig individuellen und kollektiven Erinnerungen (in einer ersten Phase werden 20 Interviews integral veröffentlicht). Neben den Filmen selbst und den schriftlichen Quellen bildeten sie einen wichtigen Grundstock für die gedruckten und audiovisuellen Publikationen beider Projekte, deren Recherchephasen vom Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurden.
Die Fülle an Material, aber auch eine Reihe zu Beginn der Recherche noch nicht vorhandener technischer Möglichkeiten (Webbandbreite, noch nicht existierende Filmplattformen und Datenbanklösungen) hielt die Projektverantwortlichen Thomas Schärer und Christian Iseli (Cinémémoire.ch) bislang davor ab, alle Interviews zugänglich zu machen.
Öffentlichkeits-Prinzip
Zunehmend werden Verantwortliche des beiden Forschungsprojektes angefragt, ob bestimmte (oder alle) Interviews integral zugänglich seien – über die erschienen Publikationen hinaus. Auch öffentlich wurde dieser direkte und integrale Zugang zu allen Interviews gefordert – zu Recht.
Bis anhin konnte der Zugang zu Transkripten und Filmfiles nur mit einigem Aufwand gewährleistet werden. Mit dem vorliegenden Open-Access-Projekt kann dieser endlich auf ein Minimum reduziert werden.
Wichtig ist uns dabei eine unmittelbare, intuitiv zu erfassende Verknüpfung von Bild und Text und die Pflege des Audiovisuellen. Wer bei der Lektüre oder Volltextsuche im Transkript auf interessierende Stellen stösst, soll unmittelbar die entsprechenden Stellen im Film/Audiofile finden und möglichst auch umgekehrt. So lässt sich effizient und intuitiv sowie nahe an den Originalquellen arbeiten.
Ausgeprägter als bei anderen Quellenarten ist bei Oral-History der Zugang zu den aufgezeichneten Quellen von eminenter Wichtigkeit. Das Transkript eines Gesprächs ist eine Abstraktion und bringt mindestens zwei Übersetzungsschritte mit sich: Die Transformation und Reduktion von Oralem und Visuellen in Text und in unserem Falle die Übersetzung der auf Dialekt geführten Gespräche in die Hochsprache. Verloren gehen Sprachmelodie, Habitus, bei der Bildaufzeichnung auch der Gestus und die Mimik, die ganze nonverbale Kommunikation.
Erschliessung
Da das Material sehr umfangreich ist (über 120 Stunden Filmfiles und über 2000 Transkriptseiten bei Cinémémoire.ch) wäre es mangels Orientierungsmöglichkeiten nicht angebracht, die Files tel quel online zu stellen.
Erst eine gute Erschliessung, die Suchbarkeit – idealerweise in Volltextsuche – und wie erwähnt eine enge Verknüpfung von Bild- und Textebene, macht aus dem reichen Rohmaterial ein für die interessierte Öffentlichkeit wertvolles, gezielt abfragbares Online-Archiv.
Vorgehen
Alle teilweise auf HDV-Kassetten aufgezeichneten Interviews sind digitalisiert. Die Transkripte der Gespräche, sind redigiert, annotiert und segmentiert.
Nach einer einheitlichen Redaktion wurden die bis zu 5 Stunden dauernden Interviews (mit annährend hundertseitigen Transkripten) in thematisch in sich geschlossene Sequenzen von 2 bis 8 Minuten unterteilt. Diese Segmente strukturieren die langen Gespräche thematisch und ermöglichen ein rasches Auffinden der jeweiligen Videosequenzen, respektive vice versa. Wie die Unterkapitel auf einer DVD sind diese Segmente auch in den Filmfiles auffindbar. Ein kapitelweiser Zugriff wird ebenso möglich sein wie ein integrales Sichten. Das Medienarchiv der Künste der Zürcher Hochschule der Künste wirkt dabei als Basis-Archiv, auf das im Rahmen des DIZH-geförderten Projektes Research-Video im Format Modcast zugegriffen wird. Über diese neue Plattform können ab Frühjahr 2023 die im Madek archivierten Video Gespräche plus Transkripte sowie weitere Dokumente, in eine unmittelbare, intuitiv such- und navigierbare Co-Präsenz gebracht werden.
ts/19.5.2022