In diesem Set werden Studienprojekte aufgeführt, die automatisch auf der ZHdK-Website unter Studienprojekte publiziert werden. https://www.zhdk.ch/studienprojekte
Was bedeutet es, etwas nicht zu verstehen? Auf welche Arten lässt sich ein Zugang unter solchen Umständen schaffen? Wie manifestieren sich die Grenzen des Denkens? Diese Fragen gewinnen im Verlaufe der Masterthesis an Wichtigkeit. Es entstehen verschiedene Annäherungsversuche an das Ritual. Unter anderem wird ein Selbsttest durchgeführt. Jeden Morgen zeichnet die Autorin auf gleiche Weise während drei Monaten Striche auf ein Blatt Papier. In der wiederholten Handbewegung liegt ein Versuch, einen versöhnlichen Umgang mit der eigenen Vergänglichkeit zu finden und der alltäglichen Beschleunigung entgegenzuwirken. Gleichzeitig wird das eigene Tun und Denken reflektiert.
Die Beschäftigung mit der Verflochtenheit von Sinnhaftig- und Sinnlosigkeit, von Endlich- und Unendlichkeit, ist Teil der Arbeit.
Die Wissenschaftsphilosophin Donna Haraway (1944) spricht sich in vielen ihrer* Essays für einen Akt des «Verwandt-machens» aus, wo es um das die Abstammungsgeschichte überwindende Sorge tragen aller Arten(-Genoss:innen) geht. Diesen Gedanken des «Verwandt-machens» greift Stefanie Steinmacher in ihrer Masterthesis am Beispiel der Insekten auf. Wie ist ein menschliches Mit-Werden mit Insekten im Sinne Donna Haraways möglich – einer Tierklasse, welche wohl am wenigsten auf die menschliche Form von Beziehungsbildung reagiert? In ihrer Auseinandersetzung diskutiert Stefanie Steinacher theoretische Ansätze zu nichtdiskursiven Praktiken und Tier-Mensch Beziehungen und versucht, im Sinne einer ästhetischen Erfahrung der Koexistenz ein künstlerisches Feld zu öffnen.
In Alltagssprache und Designpraxis werden Objekte gelegentlich als aktiv handelnd bezeichnet, z.B. wenn davon die Rede ist, dass eine Yogamatte zum Absolvieren des Sportprogramms ermahnt. Der sozialwissenschaftliche Ansatz der Akteur-Netzwerk-Theorie/ANT analysiert diesen «stillen Zwang» der Dinge. Er geht davon aus, dass Artefakte ebenso handlungsfähig und gesellschaftlich wirksam sind wie menschliche Akteure. Somit erhält die Tätigkeit von Designer:innen einen höheren Stellenwert, denn die Beschaffenheit der Dinge fördert, verändert oder unterbricht gesellschaftliche Relationen. Die Masterthesis von Franka Grosse setzt sich mit der Frage auseinander, welche Folgen die Perspektive der ANT für das Design hat. Gibt es eine «Grammatik der Handlungen» (Yaneva, 2012), die den Dingen eingeschrieben ist? Und sollte diese stärker berücksichtigt werden, damit Designer:innen die Macht der Dinge nicht entgleitet und sie die Dinge gesellschaftlich sinnvoll gestalten?
Ein Schwebezustand beschreibt einen Moment, bei dem entgegengesetzte Kategorien aufeinandertreffen und sich die Waage halten. Simon Mauchle untersucht das Phänomen von Schwebezuständen und Kippmomenten in gemalten und digitalen Bildern. Seine Beobachtungen und Gedanken führen ihn zu grundsätzlichen Fragen: Inwiefern unterscheiden sich heute Abstraktion und Gegenständlichkeit? Auf welche Weise verändern digitale Medien unsere Wahrnehmung von Bildern? Die Erkenntnisse aus Mauchles Untersuchungen über den Stellenwert von Malerei in Kunst und Vermittlung fliessen zurück in seine künstlerische Praxis.
Lea Werfelis Masterthesis dreht sich um einen Abschnitt der eigenen Biografie, nämlich die Zeit, als sie Volleyball auf professionellem Niveau spielte. Dafür schliesst sie sich mit Loue Wyder (BA Student:in, HSLU), eine:r langjährigen Freund:in, die ähnliche Sporterfahrungen mitbringt, zum Austausch zusammen. Gemeinsam führen die zwei Freund:innen Körperübungen vor laufender Kamera durch. Dabei versetzen sie sich nochmals in Momente, in denen körperliche und seelische Grenzerfahrungen stattgefunden haben. Verletzungen, Müdigkeit, harte Trainings, Coachrollen und Identitätsfragen bilden den Ausgangspunkt dieser Untersuchung und lassen fragen, welche Faktoren in einer solchen Leistungsbubble wie zusammenspielen und wie das Publikum Einblicke in diese persönlichen Grenzerfahrungen erhält. Gleichzeitig werden Bezüge zur Aktionskunst und den Performances der 1970er Jahren gesucht.
Bastian Riesen setzt sich, ausgehend von Karen Barads Buch «Meeting the Universe Halfway» und dessen Schlüsselbegriff der Diffraktion, mit Narration auseinander. Auf der Suche nach alternativen Formen der Geschichtenerzählung wird das Potenzial des Comics bzw. der Graphic Novel sowohl theoretisch wie auch praktisch untersucht – immer ausgehend von der empfundenen Notwendigkeit, bestehende hegemoniale Narrationsstrukturen zu hinterfragen. Barads Verständnis von Diffraktion, Entanglements und Intra-Aktion verbindet sich dabei mit Ursula K. Le Guins Carrier Bag-Theorie. Die dadurch entwickelten Ansätze formulieren eine fragmentarische, post-humanistische und non-lineare Erzählweise, welche in Bastian Riesens Graphic Novel «Totenschiff/e» auch praktisch erprobt wird.
In der Konzeption von BG-Unterricht (Bildnerisches Gestalten) gibt es viele Variablen (wie Material, Raum und Zeit) an denen man schrauben kann. Die «Schüler:innenschaft» bildet in der Regel die Konstante. Doch was ist, wenn genau diese verändert und das Potenzial des Fachs für individuelles Arbeiten, Perspektivenvielfalt und nonverbale Sprache genutzt wird?
Johanne Müller konzipierte, realisierte und reflektierte eine Unterrichtseinheit, in welcher Schüler:innen aus einer Kantonsschule und einer Heilpädagogischen Schule zusammen gestalterisch arbeiteten. Die Fragen, Potenziale und Schwierigkeiten, auf die sie dabei stiess, drehen sich auch um das Schulsystem und das gesellschaftliche Verständnis von Norm.
Gabriele Spallutos Interesse für Grenzen hat sich aus einem langjährigen fotografischen Projekt zu (Landes-)Grenzen heraus entwickelt. In seiner Masterthesis fokussiert sich Gabriele Spalluto nun auf Grenzen innerhalb von Schulen.
Das Unterrichtsprojekt «(Un)sichtbaren Grenzen» erprobt mit zwei Gymnasialklassen in je vier Doppellektionen einen praktischer Zugang. Im Mittelpunkt der Recherche stehen die Wahrnehmungen und Erfahrungen der Schüler:innen betreffend Grenzen innerhalb der Schule – ob sichtbar oder unsichtbar. Dazu zählen architektonische, räumliche, systemischen sowie strukturelle und institutionelle Grenzen. Mit Hilfe verschiedener künstlerischer Methoden wie Kartografie, Fotografie und Performance versuchen die Schüler:innen, Grenzen ausfindig und sichtbar zu machen und sie zu hinterfragen.
Wer hat nicht schon einem Gespräch im Zug gelauscht und sich gedacht: «typisch Senior:innen» oder «klassische Teenager-Sprache»? Wir neigen dazu, in Kategorien zu denken.
Ausgehend von Zuggesprächen setzt sich die Masterthesis von Noemi Brefin mit Vorurteilen und sozialen Klischees auseinander. In einem Script finden sich Dialog-Sequenzen fremder Personen, die Noemi Brefin während Zugfahrten mitgeschrieben hat. Während sogenannter «Proben» wurden diese Gespräche nachgesprochen und performt. Die Proben-Teilnehmer:innen waren eingeladen, sich in verschiedene Rollen hineinzuversetzen, die verwendete Sprache zu analysieren und eigene Vorurteile gegenüber der eingenommenen Rolle zu artikulieren. Der Raum, der sich zwischen dem Nachspielen einer Rolle und dem Anwesendsein des eigenen Körpers eröffnet, bietet Platz für Reflexion. Das eigene Differenzdenken sowie Zuschreibungs- und Abgrenzungsmechanismen werden sicht- und erlebbar gemacht.
Kerstin Slezaks Kurzdokumentarfilm zeigt Ausschnitte einer Kindheit in einer muslimischen Grossfamilie. Die Dokumentation arbeitet mit intimen Einblicken in Alltagssituationen und untersucht die Beziehungsgefüge der acht Geschwister. Die Perspektive und das Empfinden der Geschwister werden ins Zentrum gerückt. Der Film interessiert sich für die Veränderung der Geschwister innerhalb der letzten fünf Jahre, indem er sie 2018 in Nordmazedonien und 2023 in der Schweiz begleitet. Das Land, in dem die Familie lebt, die Kultur, die Wohnform, das Alter, die Interessen und die Rollen der Kinder sowie deren Beziehungen untereinander verändern sich. Der Film lädt die Zuschauer:innen ein, über Einflussfaktoren auf die Kindheit, Alters- und Genderfragen sowie mögliche Zukünfte der Kinder nachzudenken. Parallelen und Unterschiede zur eigenen Kindheit können dabei gezogen werden.
Die Masterthesis besteht aus einem Essay und einer künstlerischen Installation. Beides setzt sich mit einem spezifischen Milieu der Zürcher Gay Community auseinander; den «Power Gays».
Gibt es distinktive Verhaltensweisen, visuell-ästhetische Spezifika oder soziokulturelle Eigenheiten, die den Begriff «Power Gay» rechtfertigen? Mit Hilfe von Codes wird der Lebensstil dieser spezifischen Untergruppe der cis-männlichen Gay Community erläutert und ihre Verhaltensweisen skizziert. Ziel ist es, ein eigenes Verständnis des Begriffs «Power Gay» und der ihm zugeschriebenen Menschen zu erarbeiten. Die künstlerische Arbeit untersucht die Formwerdung der «Power Gays» zwischen erfolgreich und unterdrückt sein.
Der Begriff Interdisziplinarität wird in aktuellen Bildungsdiskursen oft verwendet. Doch was bedeutet er konkret für das Fach Bildnerisches Gestalten? Linn April Bär sieht Interdisziplinarität als Chance – sowohl für Unterrichtsinhalte als auch für eine gestärkte Präsenz des Fachs nach aussen. In ihrer Masterthesis sucht sie nach Schnittstellen von Kunst und Wissenschaft sowie nach Transfermöglichkeiten in den Unterricht. Aus dem Vergleich von Prozess-Abfolgen wissenschaftlicher und künstlerischer Laborarbeit wird der Akt des Experimentierens als verbindendes Element herausgearbeitet. Das Experiment als interdisziplinäres Gefäss wird mittels didaktischer Erprobung sowie unter Einbezug der begleitenden Theorie untersucht und evaluiert. Dabei werden Probleme identifiziert und neue Fragen aufgeworfen.