Der digitale Raum bringt neue Geschichten und neue Erzählweisen hervor, die den Theaterbegriff seit Jahren hinterfragen, erweitern, aber auch an seine Grenzen stoßen lassen. Seien es inszenierte Chatgespräche, überzeichnete Figuren in den sozialen Medien oder Videospiel-verwandte Performances auf neu programmierten Websites - das Spielen von Charakteren, das Inszenieren von Erlebnissen, das Erzählen von Fiktionen, das Gestalten der Räume wurde in den vergangenen Jahren zu einer aktiven Praxis von Künstler*innen des digitalen Theaters. Doch was für die einen lustvolles Experimentieren mit neuen Paradigmen und Technologien bedeutet, löst bei anderen Theatermachenden oft Unverständnis oder gar Abwehrhaltungen aus. Das drückte sich darin aus, dass digitale Theaterproduktionen bis letztes Jahr kaum an Häusern der Stadt- und Staatstheater entstanden, sondern hauptsächlich in der freien Szene. Der Theatermainstream hielt sich aus diesen Auseinandersetzungen vornehmlich heraus und konzentrierte sich auf den
etablierten Theaterbetrieb. Dies änderte sich jedoch im Jahr 2020.
Im März 2020 hat der Corona Virus COVID-19 den deutschsprachigen Raum erreicht, woran viele Menschen auf der Welt litten. Viele sind ihm auch erlegen. Dies zwang die Bevölkerung, das bis dahin gewohnte Leben einzustellen, zu verändern und sich in Isolation zu begeben, um weitere Ansteckungen zu verhindern und Leben zu retten. Es war und ist eine physische und mentale Herausforderung für die globale Gemeinschaft. Denn auch wenn diese Zeilen in der Vergangenheitsform geschrieben sind, ist es im Moment, in dem sie geschrieben wurden, noch Realität. Eine Realität, die mit den einhergegangenen
Einschränkungen gezeigt hat, in was für unterschiedlichen Lebensumständen wir uns alle befinden. So hat die Maßnahme, alle Bühnen zu schließen und Veranstaltungen mit physischen Menschenansammlungen abzusagen, die Theatermachenden über den Zeitraum März 2020 - Juni 2021 auf unterschiedliche Weisen beeinflusst, ja zum Teil sehr schwer getroffen, was an dieser Stelle erwähnt werden muss. Doch trotz dieser
herausfordernden Umstände wurden diese Macher*innen auch aktiviert. Wie nie zuvor gab es eine kollektive und kreative Hinwendung zum Theater im digitalen Raum.