Rückblickend auf mein Praxisjahr am Schauspielhaus Zürich und auf die Studienjahre zuvor an der Gessnerallee, fällt mir eine Sache besonders auf: Von den vermittelten Methoden und Übungen an der Zürcher Hochschule der Künste sind in meinem Berufsalltag kaum welche übriggeblieben. Nie ist es während meines Studio-Jahres am Theater im Rahmen einer Inszenierung (etwa für die Figurenarbeit) zu der bewussten Anwendung von Methoden, wie etwa der von Michael Tschechow oder Sanford Meisner, gekommen, weder vom Regisseur/der Regisseurin, noch auf meine eigene Initiative. Mit „bewusster Anwendung“ meine ich: Die Ankündigung, Benennung und das Ausführen einer solchen Methode nach einem definierten Schema, also eben ungefähr so, wie dies an der Hochschule praktiziert wird und wie ich es gelernt habe.
Diese Beobachtung veranlasste mich dazu, über Sinn und Zweck der an einer Schauspielschule vermittelten Methoden im Hinblick auf den heutigen Berufsalltag an einem Theater nachzudenken. Sind diese Methoden bloß ein Mittel, um scheue, unerfahrene Schauspielschüler/innen aus der Reserve zu locken? Zweck, um die Blockaden abzubauen und den Weg für ein stärkeres Selbstbewusstsein zu ebnen? Oder sollen sie eine Art Handbuch und Hilfsmittel sein? Ein steter Leitfaden zur Ausübung der Schauspielerei? Dabei gesellte sich unweigerlich ein weiterer Gedanke hinzu: Kann die Arbeit, die ich auf der Bühne vollbringe, als „Handwerk“ bezeichnet werden? Oft ist im Zusammenhang mit Schauspiel die Rede von Handwerk, doch welche Faktoren machen diese Kunst (auch) zu einem solchen?
Mit dieser Arbeit möchte ich herausfinden, woran man die handwerklichen Aspekte der Schauspielerei festmachen kann und wie essentiell solche handwerklichen Fertigkeiten an einem Ensemble-Theater wie etwa dem Schauspielhaus Zürich heute überhaupt noch sind. Dazu werde ich mich in einem ersten Schritt mit der Handwerks-Begrifflichkeit beschäftigen, dann werde ich weiter diese Begrifflichkeit erst im Kontext einer Schauspielschule und dann in jenem des Berufsalltags hin untersuchen. In beiden Fällen sollen mir Interviews zu nötigen Inputs verhelfen.