Im vergangenen Herbst, nach einer Theaterprobe, spazierte ich entlang der Sihl und
entdeckte einen Graureiher, auf einem Stein ruhend und in die Ferne blickend. In
diesem Moment wurde mir klar, dass meine bereits erarbeitete Figur erstaunliche Ähnlichkeit mit diesem
Vogel hatte. Seine eleganten Bewegungen, die Art und Weise wie er seinen langen
Hals und den Kopf ruckartig und plötzlich drehte, wie er stolz und bedächtig durch
das Wasser schritt und dabei mit scharfem Blick die Umgebung inspizierte. All das
spiegelte die Charakteristik meiner Figur wider. Ich hatte mich zuvor schon zwei
Wochen lang intensiv mit der Körperlichkeit meiner Figur beschäftigt, jedoch fehlte
mir der richtige Zugang. Ich war gefangen in eigenen Mustern und mir mangelte es
an Inspiration. Angeregt vom Anblick dieses Reihers begann ich, auf eine neue Art
und Weise zu spielen und fühlte mich befreit.
Die Schauspielmethode Animal Work wird von Schauspielenden in der
Rollenvorbereitung, sowie zum Teil auch während der Vorstellung als Technik
genutzt, um sich von den eigenen gewöhnlichen Verhaltensmustern zu lösen und
eine tiefere Verbindung zu ihren Charakteren herzustellen.
Ziel meiner Arbeit ist es, mich intensiver mit der Technik der «Tierarbeit»
auseinanderzusetzten und konkrete Probeansätze zu finden, die es mir ermöglichen
Figuren vielseitig darzustellen. Zusätzlich möchte ich auf den «Intellekt» und das
«Ego» bei Spieler:innen eingehen und deren Auswirkung auf das Spiel untersuchen.
Darüber hinaus will ich die «Tierarbeit» mit ihrem körperlichen Zugang im Vergleich
zur Erarbeitung der Rolle über den «Intellekt» und dessen psychologischen Zugang
vergleichen.
Mit folgenden Fragen möchte ich mich befassen:
• Inwiefern kann die Anwendung von Tierarbeit die Figurengestaltung
unterstützen?
• Welche Aspekte der Tierarbeit stehen im Kontrast zur Arbeit über den Intellekt
& das Ego?
• Besitzt die Praxis Animal Work auch im zeitgenössischen Theater Relevanz,
und wenn ja, welche Bedeutung kommt ihr zu?