Egal wo man auf der Welt nach ihm fragen würde, Michael Jackson kennen alle. Kaum eine KünstlerIn hat zu Lebzeiten einen vergleichbaren Bekanntheitsstatus erlangt und auch knapp zehn Jahre nach seinem Tod ist Michael Jackson wieder in sämtlichen Medien zu finden, als nach Erscheinen der Dokumentation «Leaving Neverland» (Regie: Dan Reed, Erstausstrahlung HBO, 3. März 2019) erneut Missbrauchsvorwürfe gegen ihn laut wurden.
Es steht die Frage im Raum, ob man trotz der Aussagen zweier Männer über sexuellen Missbrauch im Kindesalter durch Jackson überhaupt noch seine Musik hören könne bzw. dürfe wie zuvor.
Michael Jackson war bereits zu seinen Lebzeiten vielen Menschen ein Rätsel. Sein Aussehen und Auftreten waren besonders. Man stellte ihm immer wieder Fragen zu seiner Hautfarbe, seiner Sexualität und seiner Familie.
Jackson selbst thematisierte diese Versessenheit der Medien in Songs wie «Leave me alone» (Veröffentlichung: 1987) oder «Scream» (1995).
Lässt sich Michael Jackson als subversive Kunstfigur verstehen, die die gesellschaftlich gängigen Vorstellungen von Identität unterwanderte?
Dieser Frage möchte ich in dieser Arbeit nachgehen. Unter Umständen war es Michael Jackson gerade durch seine mutmasslich bewegliche Identität möglich eine Reichweite von riesigem Ausmass zu erlangen und Millionen Fans rund um den Globus zu begeistern.
Für mich als Theaterschaffende ist dieses Thema von Relevanz, weil ich vermute, dass ein grosses Problem des deutschsprachigen (Stadt-) Theaters darin liegt, dass es kein diverses Publikum anzieht, obwohl die Bevölkerung, besonders in den Städten, diverser ist als beispielsweise noch vor 50 Jahren. Vermutlich hängt diese Divergenz mit den Darstellungsweisen der Figuren auf den (Stadt-) Theaterbühnen zusammen.
Mir persönlich fällt auf, dass die dargestellten Identitäten unbeweglich, eindeutig und nahezu klischiert erscheinen. Ich sehe z.B. durchgehend Figuren und Darstellende, deren soziales Geschlecht, häufig auch sexuelle Orientierung deutlich lesbar ist bzw. lesbar gemacht wird. Inwiefern das zeitgemäss ist, würde ich infrage stellen wollen. Vielleicht stehen die Stadttheater in einem, letztendlich auch ökonomischen Konflikt. Sie wollen das herkömmliche, nicht-diverse Publikum behalten, um etwa eine finanzielle Sicherung zu wahren und die Erwartungen dieses Publikums an Identität weiterbedienen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob man eine Art «neues Publikum» einladen möchte, welches eine Offenheit repräsentieren würde. Es beginnt bereits bei Aufnahmeprüfungen an der Schauspielschule, dass Körper, welche beispielsweise nicht eindeutig im Hinblick auf Geschlecht (sozial und/ oder biologisch) erscheinen, nicht aufgenommen werden. Begründet werden diese Entscheidungen meistens damit, dass es keine passenden Rollen für ebendiese Körper gäbe. Das ist eine Ausrede, denn auch an Stadttheatern kommt es vor, dass Männer Frauenrollen spielen und andersherum, somit «passen» die Körper sowieso nicht. Das Argument ist träge. Ich hoffe, dass sich zumindest für dieses konkrete Beispiel durch die Einführung des «dritten Geschlechts» in Deutschland, welche kürzlich stattfand, etwas ändern wird. Ich habe vor Kurzem mit einer Regisseurin an meiner Bildungsinstitution zusammengearbeitet, welche Momente, die für sie nicht klar lesbar und somit spielerisch nicht gut gelungen waren, als «Zwitter» bezeichnete. Politisch fand ich diese Beschreibung bzw. auch Zuschreibung inkorrekt. Soziokulturell betrachtet war diese Begriffsverwendung aber insofern interessant, als dass sie verdeutlichte, dass das Undeutliche im Spiel mit nicht binären Merkmalen auf der Geschlechterebene gleichgesetzt wurde. Und dass dieser «Fehler» ganz selbstverständlich korrigiert werden sollte.