Dass Darsteller*innen in den immer noch schauspielorientierten Stadttheatern trotz des dort
vorherrschenden darbietenden Sprechtheaters nicht unbedingt immer nur Figuren zu
verkörpern haben, scheint im Bewusstsein der meisten Theaterschaffenden seit längerem
wieder fest verankert zu sein. Aber durch was wurde diese zurückgewonnene Überzeugung in
der Theaterwelt wieder bestärkt? War der kontinuierliche Erfolg, den in Deutschland bspw.
Pollesch, Marthaler oder Schlingensief mit ihrem Theater jenseits figürlicher Repräsentation
für sich verbuchen konnten, dafür mit ausschlaggebend? – Virtuos nennt die
Theaterwissenschaftlerin Bettina Brandl-Risi deren Theater. Denn es sei ihnen allen gemein,
wenn auch unter verschiedenen Vorzeichen, dass sie etwas Bestimmtes forcieren, nämlich
sogenannte Neue Szenen des Virtuosen, welche es vor dem Hintergrund einer von Erfolg,
Darstellung und Überbietung geprägten Arbeitskultur zu erörtern gelte. Virtuosität kann also
ein Schlüssel sein zum Verständnis der hier vorliegenden Eingangsfrage.
Auch schon die „gängige Vorstellung von Virtuosität ist die einer virtuosen Darbietung, die
Standards und Erwartungen übertrifft […] und exzessive Differenzierungen produziert.“
Bisher habe deshalb (theatrale) Virtuosität, wenn im Darbieten „vorrangig die Identifikation
mit der […] Rolle angestrebt wird, […] zugleich als Stolperstein [von deren] theatraler
Repräsentation“ fungiert. Unsere Neue Virtuosität aber ist nicht in der (kunstfertigen)
Störung theatraler Repräsentation von Figuren zu finden. Denn die Ästhetiken von etwa
Pollesch, Marthaler oder Schlingensief haben die theatrale Repräsentation ohnehin schon als
eine „gestörte“ markiert.