Wie würden Sie reagieren, wenn Ihnen an der Abendkasse des Theaters Plätze auf der Bühne angeboten werden? Würden Sie Ihre gewohnte Sicht aus dem Zuschauer:innenraum auf die Bühne wählen oder interessiert Sie die neue Perspektive?
Im März 2023 stehe ich vor dieser Entscheidung, als ich die Matthäus Passion des Theater Basel anschauen will. Ich habe mich für die mir bislang unbekannte Perspektive entschieden. Durch den Zuschauerraum betrete ich die Bühne und die darauf aufgebaute Besuchertribüne. Als ich meinen Platz einnehme, die Erkenntnis: Ich kann alle rund 1000 Zuschauer:innen, welche auf den fix installierten Plätzen sitzen, sehen.
Als das Saallicht ausgeht, verschwindet der Grossteil der Gesichter der mir gegenübersitzenden Menschen. Doch die ersten Reihen bleiben durch das Streulicht der hellen Bühne immer in meinem Blickfeld. Ab jetzt haben sie meinen Fokus.
Die nächsten drei Stunden fokussiere ich mich mehr auf die Sitzsituation als auf das eigentliche Operngeschehen auf der Bühne. Plötzlich denke ich über meine eigenen Arbeiten nach, wo ich ebenfalls schon ungewöhnliche Sitzsituationen geplant und umgesetzt habe. Dies durch die Tatsache, dass ich oft in "leeren Räumen" arbeite, wo ich die komplette Bühnen-Zuschauer-Situation von Grund auf planen kann. Doch nie habe ich dabei bedacht, was es für die Zuschauer:innen bedeutet, wenn ich eine Tribüne plane, wo sich die Besuchenden während des Stücks gegenseitig sehen können.
Welchen Einfluss haben Sitzsituationen, in denen die Zuschauenden sich gegenseitig anschauen können, auf die Intensität der Wahrnehmung des Stücks?