In meiner Arbeit möchte ich mich dem Vergleich zweier Probenprozesse widmen. Zum einen werde ich mich dem Probenprozess Ulrich Rasches auseinandersetzen, zum anderen mit den Theaterpraktiken von Gardzienice, die ich im ersten Kapitel vorstellen werde.
Im Oktober 2016 nahm ich im Rahmen meines Master-Schauspielstudium an der Zürcher Hochschule der Künste an einem einmonatigen Kurs bei Anna Zubrzycki in Wrocław teil, die mithilfe der Methoden und Praktiken von Gardzienice mit uns geprobt und gearbeitet hat. Mit Ulrich Rasche probe ich zurzeit „Die Bakchen“ von Euripides am Burgtheater Wien und werde diese beiden individuellen Herangehensweisen beschreiben, vergleichen und analysieren. Es sind zwei Produktionen, die mir sehr am Herzen liegen. Ich finde eine schauspielerische Offenbarung in beiden Ansätzen, auch wenn diese sehr verschieden sind. Ich habe mich für diese Untersuchung entschieden, da mir innerhalb meines Schauspielstudiums immer wieder Gerüchte über die schauspielerische Arbeit über den Weg gelaufen sind, da ich immer wieder Gerüchte über die schauspielerische Arbeit hörte. SchauspielerInnen müssten „abliefern“ es würde kaum am Ensemblegeist gearbeitet und jedeR müsse selbst u.a. die Textarbeit erledigen. Das Ensemblegefühl innerhalb von Stadttheatern ginge scheinbar verloren. RegisseurInnen seien mehr mit der Ästhetik und ihrem Konzept beschäftigt, als mit schauspielerischer Arbeit. Regisseure wie z.B. Christopher Rüping gäben deswegen Kurse für RegisseurInnen wie u.a. an der Zürcher Hochschule der Künste oder der Otto-Falckenberg Schule, da die neue Generation von jungen KünstlerInnen viel mehr durch Bilder geprägt sei und die Arbeit am Wesen der SchauspielerInnen immer mehr in den Hintergrund geriete.
Ich frage mich somit, was heutzutage Ensemblearbeit an einem Stadttheater wie dem Burgtheater bedeutet. Wie verläuft die Körper- und Textarbeit an solch einem großen Haus? Und wie verläuft diese in kleineren Theatergruppen? So entschied ich mich, zwei Probenprozesse miteinander zu vergleichen: ein fast in Vergessenheit geratenes "Dorftheater“ mit der gigantischen Theatermaschinerie Ulrich Rasches. Beide verfolgen eine körperliche, rhythmische, musikalische Arbeit. Dabei will ich nicht die beiden künstlerischen Ansätze und Endergebnisse bewerten, beurteilen oder interpretieren. Es geht mir darum, die schauspielerischen Arbeitsansätze zu beobachten und zu erläutern.